Oktober 2015 |
151010 |
ENERGIE-CHRONIK |
Die Wasserkunden der Stadtwerke Wuppertal dürfen sich über die Erstattung von 15 Millionen Euro freuen. Dies entspricht einer nachträglichen Reduzierung der Wasserpreise um rund 6,8 Prozent und pro Haushalt im Durchschnitt etwa 90 Euro. Wie das Bundeskartellamt am 19. Oktober mitteilte, sind die Erstattungen bis zum 30. Juni 2016 in Form von Verrechnungsschecks zu leisten. Im Gegenzug erklärte sich die Behörde bereit, ein Verfahren wegen des Verdachts mißbräuchlich überhöhter Wasserpreise einzustellen.
Die Erstattungen beziehen sich auf den Zeitraum von 2009 bis April 2013. Eine Preissenkung für die Zukunft konnte das Kartellamt jedoch nicht erreichen, da die Stadtwerke nach Einleitung des Verfahrens die Wasserversorgung zurückgekauft und formal einem städtischen Eigenbetrieb übertragen haben. Damit unterliegt die Preisgestaltung der Kommunalaufsicht und kann vom Bundeskartellamt nicht mehr beanstandet werden, obwohl die Wasserpreise auf dem alten Niveau geblieben sind und sich und an der Teilprivatisierung der kommunalen Energie- und Wasserversorgung faktisch nicht viel verändert hat.
Die Stadtwerke Wuppertal hatten 2008 der belgischen Electrabel 33,1 Prozent an der WSW Energie & Wasser AG überlassen, die unter ihrem Dach die Energie- und Wasserversorgung betreibt (080819). Da es sich bei der Electrabel-Mutter GDF Suez (heute Engie) um einen international agierenden Konzern handelt, konnte – ähnlich wie bei der jahrelangen Auseinandersetzung in Berlin (140214) – das Bundeskartellamt die Wasserpreise überprüfen, die bundesweit an der Spitze lagen und zum Beispiel die der benachbarten Städte Bochum, Bonn und Duisburg weit überschritten. Die von den Stadtwerken vorgebrachten Gründe (u.a. Höhenunterschiede im Stadtgebiet, mehrere Talsperren und Wasserwerke, Reservekapazitäten, Bevölkerungsrückgang) rechtfertigten nach Auffassung des Bundeskartellamtes die Preisüberhöhung nur zum Teil.
Nach der Einleitung des Kartellverfahrens hatten die Stadtwerke der GDF Suez deren Beteiligung an der Wassersparte umgehend wieder abgekauft. Der Preis dafür soll bei 57,1 Millionen Euro gelegen habe, was etwa einem Fünftel der Summe entspräche, die GDF Suez seinerzeit an Bar- und Sachleistungen für den Einstieg bezahlt hat. Die GDF Suez Energie Deutschland AG blieb aber bis heute unverändert mit 33,1 Prozent an der WSW Energie & Wasser AG beteiligt, die auch weiterhin für die Wasserversorgung zuständig ist. Der einzige Unterschied: Seit 1. Mai 2013 betreibt sie dieses Geschäft im Auftrag der Stadt Wuppertal, die die zurückgekaufte Wasserversorgung zum kommunalen Eigenbetrieb erklärt hat, der von seinen Kunden keine Preise, sondern "Gebühren" verlangt. Und die Überprüfung von Gebühren unterliegt nicht der kartellrechtlichen Mißbrauchskontrolle. Das wurde in einer Novelle zum Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) nochmals klargestellt, die am 30. Juni 2013 in Kraft trat.
Die Verantwortlichen der Stadtwerke entdeckten nun plötzlich ihre Abneigung gegen den Einstieg privater Konzerne in die Energie- und Wasserversorgung. Jedenfalls begründeten sie den Rückkauf der Wassersparte mit der geplanten EU-Richtlinie zur Vergabe von Dienstleistungskonzessionen, welche die Privatisierung der Wasserversorgung erleichtert hätte, aber wegen einer europaweiten Protestbewegung in diesem Punkt geändert werden mußte (130604). Der Wuppertaler Stadtkämmerer Johannes Slawig bezeichnete es sogar als "üble Unterstellung", daß lediglich beabsichtigt worden sei, der Kontrolle durch das Bundeskartellamt zu entgehen...