Mai 2015 |
150511 |
ENERGIE-CHRONIK |
Der frühere Bundeswirtschaftsminister Werner Müller (parteilos) unterstützt die Bestrebungen der deutschen Kernkraftwerksbetreiber, sich ihrer nuklearen Entsorgungsverpflichtungen zu entledigen, indem sie die dafür gebildeten Rückstellungen einer Stiftung übertragen, die mit den derzeit noch neun Atomkraftwerken auch die Beseitigung aller stillgelegten Anlagen und radioaktiven Abfälle übernimmt (140501). In einer Rede, die er am 29. Mai bei der Verleihung der Ehrendoktorwürde der Universität Duisburg-Essen hielt, verwies er auf die Beendigung des deutschen Steinkohle-Bergbaues, die zur Aufspaltung des früheren RAG-Konzerns in eine profitable Sparte (Evonik) und einen defizitären Bereich (RAG) unter dem Dach einer Stiftung zur Finanzierung der Folgelasten des Steinkohlebergbaues führte. Ohne die Auslagerung der "Ewigkeitslasten" in die Stiftung wäre der RAG-Konzern heute wohl insolvent, meinte Müller, der diese Auslagerung maßgeblich vorangetrieben hat und seit Dezember 2012 Vorsitzender der RAG-Stiftung ist.
Der Ex-Minister und Konstrukteur der RAG-Stiftung nutzte die Verleihung der Ehrendoktorwürde durch die Universität Duisburg-Essen, um für die von den KKW-Betreibern gewünschte Entsorgungs-Stiftung zu plädieren. Foto: UDE
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Müller hatte seine Rede vorab ausgewählten Medien zukommen lassen, um ihr die gewünschte Aufmerksamkeit zu sichern. Er setzte außerdem einen dramatischen Akzent, indem er auf die besonders prekäre Situation des RWE-Konzerns verwies, der 10 Milliarden Euro an Rückstellungen ausgewiesen hat, derzeit aber an der Börse nur 13 Milliarden wert ist. Es sei auch zweifelhaft, ob die Gesamtsumme der Rückstellungen, die derzeit rund 38 Milliarden Euro beträgt, überhaupt ausreichen werde, um die anfallenden Kosten zu decken. Es stelle sich deshalb die Frage: "Ist die öffentliche Hand vorausschauend zu einer Mithaftung bereit sei, solange die Atomkraftwerksbetreiber noch nicht insolvent sind, oder wartet sie, bis sie nach deren denkbarer Insolvenz dann zwangsweise in Haftung kommt?"
Eine staatlich abgesicherte Stiftung für die atomare Entsorgung hätte allerdings weitaus höhere Kosten zu tragen als sie durch den Ausstieg aus dem Steinkohlebergbau entstehen. Das weiß auch Müller: In seiner Rede bezifferte er allein die Entsorgungskosten für die ehemaligen Atomforschungszentren Karlsruhe und Jülich mit 4,2 Milliarden Euro. Die Suche und Bereitstellung eines Endlagers werde sogar 50 bis 70 Milliarden Euro kosten.
Für die finanzielle Absicherung der RAG-Stiftung genügen dagegen deren Beteiligungen an der Evonik Industries AG und der Vivawest GmbH (ehemalige RAG-Immobilien). Die "Ewigkeitslasten", die sie nach der endgültigen Beendigung des deutschen Steinkohlebergbaues ab 2019 übernehmen muß, werden mit gerade mal 220 Millionen Euro jährlich veranschlagt. Notfalls müßten aber auch hier die Länder Nordrhein-Westfalen und Saarland sowie der Bund einspringen, wenn das Geld nicht reichen sollte.