September 2014 |
140901 |
ENERGIE-CHRONIK |
Diese Grafik aus der Studie des Bundeswirtschaftsministeriums veranschaulicht, wie fast alle Windparks sowie sämtliche Solarparks (rechte Seite) an die Verteilernetze angebunden sind und dort mit ihrer fluktuierenden Einspeisung einen Netzausbau erfordern. Sie zeigt ferner die Zahl der jeweiligen Netze und deren Länge, die wichtigsten konventionellen Einspeiser (linke Seite) sowie die Verknüpfung der vier Netzebenen durch 800 Umspannwerke, 4.500 Umspannstationen und 500.000 Ortsnetztransformatoren. Die "15 Offshore-Windparks", die angeblich ins Höchstspannungsnetz einspeisen, greifen dem tatsächlichen Stand der Dinge vor. Tatsächlich sind bisher in der deutschen Nord- und Ostsee nur vier Windparks sowie drei küstennahe Einzelanlagen in Betrieb. Und auch bei denen klappt es mit der Netzeinspeisung nur bedingt (140612). |
Strom aus erneuerbaren Quellen wird zu 90 Prozent in die Verteilernetze eingespeist. Vor allem der Ausbau der Wind- und Solarstromerzeugung macht deshalb die Verstärkung dieser Netze erforderlich, wobei der Handlungsbedarf jedoch geografisch und nach Spannungsebenen sehr unterschiedlich ist. Insgesamt wird es rund 23 Milliarden Euro kosten, die Verteilernetze bis 2032 so zu ertüchtigen, daß die Hälfte der Stromerzeugung aus erneuerbaren Quellen stammt, wie das in § 1 des novellierten Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) vorgesehen ist. Dies ergibt sich aus der Verteilernetzstudie "Moderne Verteilernetze für Deutschland", die das Bundeswirtschaftsministerium am 12. September vorlegte. Die Erstellung dieser Studie wurde im Koalitionsvertrag zwischen Union und SPD vereinbart, um als "Datenbasis für Entscheidungen zur notwendigen Weiterentwicklung der Anreizregulierung" zu dienen (131101). Den Auftrag dafür bekam ein Konsortium aus dem Beratungsunternehmen E-Bridge Consulting (E-Bridge), dem Institut und Lehrstuhl für elektrische Anlagen und Energiewirtschaft (IAEW) der RWTH Aachen sowie dem Oldenburger Institut für Informatik (OFFIS).
Außer den regierungsamtlichen Vorgaben des "EEG 2014" untersucht die Studie zwei weitere Szenarien: Das eine liefert der Netzentwicklungsplan, den die Übertragungsnetzbetreiber im März 2013 vorgelegt haben. Bei dessen Realisierung würde sich der Ausbau der Verteilernetze um fünf auf 28 Milliarden Euro verteuern. Noch wesentlich kostspieliger wäre es aber, die von den einzelnen Bundesländern formulierten Erneuerbaren-Ziele allesamt zu verwirklichen: Der Finanzbedarf für den Ausbau der Verteilnetze bis 2032 würde dann auf 49 Milliarden Euro steigen. Die für das Szenario "EEG 2014" ermittelten Kosten würden sich also mehr als verdoppeln.
Der ermittelte Investitionsbedarf fällt zu 80 Prozent in den Mittel- und Hochspannungsnetzen an. Dabei wird angenommen, daß der Netzzubau in der Hochspannungsebene (110 Kilovolt) vollständig mit Erdkabeln durchgeführt wird. Diese Verkabelung ist für rund zwei Drittel der Netzausbaukosten in der Hochspannungsebene und für rund ein Drittel der gesamten Ausbaukosten verantwortlich. Nach § 43h des Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG) ist die Verkabelung in jedem Falle durchzuführen, wenn die Gesamtkosten für Errichtung und Betrieb nicht mehr als 2,75-mal höher sind als bei einer technisch vergleichbaren Freileitung (110604). Nach § 2 des Energieleitungsausbaugesetzes (Enlag) kann sie außerdem behördlich angeordnet werden, wenn die Freileitung einen bestimmten Abstand zu Wohnbebauungen unterschreiten würde (110216).
In der Hochspannungsebene konzentriert sich der Netzausbaubedarf auf Nord- und Ostdeutschland (39 bzw. 33 Prozent). Dies ist im Wesentlichen darauf zurückzuführen, daß in diesen Regionen die Windenergie eine entscheidende Rolle bei der Energieerzeugung spielt und sich ein großflächiger Transport zu den Lastschwerpunkten ergibt. Der Ausbau wird deshalb hier die regionalen Netzentgelte besonders belasten.
Im Mittelspannungsnetz ist der Ausbaubedarf dagegen regional nahezu gleichmäßig verteilt. Er entsteht hier sowohl durch Rückspeisungen aus der Niederspannungsebene als auch durch Einspeisungen der direkt in der Mittelspannungsebene angeschlossenen Windkraftanlagen.
In der Niederspannungsebene muß vor allem die Einspeisung zahlreicher Photovoltaikanlagen integriert werden. Der größte Teil des Handlungsbedarfs entfällt hier deshalb auf Süddeutschland. Der Rest verteilt sich auf den Norden, Westen und Osten, wobei er in Ostdeutschland mit rund drei Prozent am geringsten ist.
Der Ausbaubedarf hat direkte Auswirkungen auf die regionalen Netzentgelte. Beim Szenario "EEG 2014" wird für Kleinverbraucher dieser Bestandteil des Strompreises bis 2022 vor allem in Nord- und Ostdeutschland um bis zu 16 Prozent steigen (Bezugsgröße ist das Netzentgeltvolumen im Jahre 2012 in Höhe von rund 18 Milliarden Euro). Beim Szenario "Bundesländer" wären es sogar bis zu 30 Prozent. Die Regionen Süddeutschland (10 Prozent) und Westdeutschland (4 Prozent) sind dagegen weniger stark betroffen.
Die Studie geht davon aus, daß der Netzausbau nicht für die maximal mögliche Einspeisung aus erneuerbaren Energien ausgelegt wird, weil dies einen unverhältnismäßig großen Aufwand erfordern würde. Sie nimmt stattdessen an, daß eine Abregelung von Windkraft- und PV-Anlagen erfolgt, um relativ selten auftretende Erzeugungsspitzen zu kappen. Sie errechnet, daß bereits eine Abregelung der jährlichen Einspeisung um ein Prozent den Netzausbaubedarf um rund 30 Prozent senken würde. Eine Abregelung um drei Prozent würde mehr als 40 Prozent des Netzausbaus einsparen. Auf der Niederspannungsebene könnten die Kosten des Netzausbaues vor allem durch die Verwendung von regelbaren Ortsnetztransformatoren deutlich gesenkt werden.