Februar 2013

130201

ENERGIE-CHRONIK


 

 

Die neu eingeführte "Marktprämie" schlug auf dem EEG-Konto erstmals im Februar 2012 mit 203,35 Millionen Euro zu Buche. Bis Januar 2013 kletterte sie auf 530,75 Millionen Euro. Zugleich sanken auf der Einnahmen-Seite die Erlöse aus dem Pflichtverkauf des EEG-Stroms an der Börse von 255 auf 146 Millionen Euro. Zum Jahresende 2012 rutschte das EEG-Konto so tief in die roten Zahlen wie noch nie zuvor. Hauptursache war aber nicht die EEG-Förderung an sich, sondern deren sukzessive "marktwirtschaftliche" Deformierung, die mit dem seit 2012 praktizierten Subventionsmodell "Direktvermarktung" eine neue Stufe erreichte.

"Direktvermarktung" wird zur Regel – und treibt die EEG-Umlage weiter hoch

Die sogenannte Direktvermarktung von EEG-Strom, die bis 2011 eine Ausnahme war, hat im vergangenen Jahr enorm zugenommen und wird in diesem Jahr voraussichtlich zur Regel werden. Der Grund dafür ist die "Marktprämie", die das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) seit 1. Januar 2012 gewährt (110603). Sie ermöglicht den Anlagenbetreibern einen weitgehend risikolosen Verkauf des von ihnen erzeugten EEG-Stroms, da sie in jedem Falle den Differenzbetrag zwischen den monatlichen Börsen-Durchschnittserlösen für eine EEG-Stromart (z.B. Windstrom) und der dafür festgelegten Einspeisungsvergütung beanspruchen können. Wenn ihr individueller Verkaufserlös höher ist, können sie so einen Erlös erzielen, der über der Fixvergütung liegt. Hinzu kommt eine "Managementprämie", die trotz der mittlerweile verfügten Kürzungen an sich schon einen Anreiz bietet, anstelle der Einspeisungsvergütung die "Marktprämie" in Anspruch zu nehmen (120811). Diese Neuregelung hat mit dazu beigetragen, daß im vergangenen Jahr auf dem von den Übertragungsnetzbetreibern geführten EEG-Konto ein Rekorddefizit von 2,7 Milliarden Euro entstanden ist. Die schwarz-gelbe Bundesregierung muß deshalb befürchten, daß die EEG-Umlage just zu den bevorstehenden Bundestagswahlen ein weiteres Mal explodiert (130102). Sie unternimmt weiterhin alle Anstrengungen, um dieses Risiko zumindest bis nach den Bundestagswahlen zu verschieben (130202).

Reguläre Einspeisungsvergütungen stiegen nur geringfügig

Dabei hat sich die Höhe der gezahlten Einspeisungsvergütungen kaum verändert. Die jetzt von den Übertragungsnetzbetreibern veröffentlichten vorläufigen Zahlen weisen für 2012 insgesamt 16.621.170.295,30 Euro an Vergütungszahlungen aus. Das sind gerade mal 1,54 Prozent mehr als die in der Jahresrechnung 2011 genannten 16.369.030.162,63 Euro. Diese scheinbare Stagnation bei den Einspeisungsvergütungen trügt jedoch, da die "Marktprämie", die erstmals im Februar 2012 auf dem EEG-Konto zu Buche schlug, nichts anderes als eine umgewidmete Form der Einspeisungsvergütung ist und sich bis Ende Dezember auf 2,9 Milliarden Euro addierte. Im Januar 2013 beliefen sich die Ausgaben für die Marktprämie sogar auf 531 Millionen Euro. Das ist gut das Doppelte des monatlichen Durchschnittswerts im Jahr 2012.

 

 

Als Folge der neu eingeführten Direktvermarktung haben die vier Übertragungsnetzbetreiber im Januar 2013 über vierzig Prozent weniger EEG-Strom an der Börse verkauft als im Vergleichsmonat des Vorjahres. Nebenbei läßt diese Grafik das im Jahresverlauf stark schwankende Aufkommen an Solarstrom erkennen.

 

Es hat also eine Umschichtung von den regulären Einspeisungsvergütungen zu den "Marktprämien" stattgefunden. Oder besser gesagt: Die Einspeisungsvergütungen haben zum Teil ein neues Etikett bekommen, denn die "Marktprämie" bemißt sich nicht nur an der Höhe der Einspeisungsvergütung, sondern geht ebenso wie diese in die EEG-Umlage ein. So gesehen sind die Einspeisungsvergütungen im vergangenen Jahr nicht nur um 1,5 Prozent, sondern um rund zwanzig Prozent gestiegen.

"Marktgerechte" Umgestaltung des EEG subventioniert private Profite zu Lasten der Allgemeinheit

Es handelt sich aber nicht bloß um eine Umetikettierung. Schon das "Grünstromprivileg" und die weitgehende Befreiung der Großstromverbraucher von der EEG-Umlage haben seit 2003 dafür gesorgt, daß die ursprünglich lineare Beziehung zwischen EEG-Umlage und Einspeisungsvergütungen verzerrt wurde. Der 2010 eingeführte neue "Ausgleichsmechanismus"bewirkte weitere zusätzliche Kosten und deren ungleichmäßige Verteilung auf die Stromverbraucher. Die seit 2012 praktizierte "Direktvermarktung" ist ebenfalls keineswegs kostenneutral. Ganz offensichtlich wird dies bei der zusätzlich gewährten "Managementprämie". Noch gravierender sind aber die indirekten Auswirkungen, die sich aus dem Zusammenspiel der "Direktvermarktung" mit dem seit 2010 geltenden Pflichtverkauf des EEG-Stroms durch die Übertragungsnetzbetreiber an der Börse ergeben. Die steigenden Ausgaben zur Subventionierung der "Direktvermarktung" gehen nämlich mit sinkenden Erlösen einher, die beim Verkauf des EEG-Reststroms an der Börse erzielt werden, und jeder dieser beiden Faktoren belastet die EEG-Umlage (siehe Grafik 1). Hier liegt auch der Grund, weshalb der obligatorische Verkauf des EEG-Stroms an der Börse im vergangenen Jahr nur 2,9 anstatt der erhofften 4,9 Milliarden Euro erbrachte und das EEG-Konto so tief in den roten Zahlen versank wie noch nie zuvor.

Kein Wunder, daß die "Direktvermarktung", die sich 2011 noch auf etwa elf Prozent der nach EEG vergütungsfähigen Strommenge beschränkte, nach Einführung der "Marktprämie" rapide zunahm und im vergangenen Jahr auf über 40 Prozent anwuchs. Hinter der so harmlos nach Marktwirtschaft und reellen Preisen klingenden Bezeichnung verbirgt sich nämlich ein Subventionsmodell, das nach neoliberalem Muster die Erzielung privater Profite zum Nachteil der Allgemeinheit ermöglicht. Entsprechend groß ist der Anreiz für die Betreiber von EEG-Anlagen, auf die herkömmliche Einspeisungsvergütung zu verzichten und stattdessen die "Marktprämie" plus "Managementprämie" in Anspruch zu nehmen.

 

Nach Abzug der "Direktvermarktung"
bleibt nur ein Fünftel des Windstroms übrig

Diese EEX-Grafik zeigt die tatsächliche Windstromeinspeisung, wie sie die vier Übertragungsnetzbetreiber (ÜNB) aufgrund gesetzlicher Vorgaben für jeden Tag auf der Transparenz-Seite der Strombörse EEX veröffentlichen. Als Beispiel dient der 18. Februar 2013. Die ÜNB verfügen auch über eine eigene Internet-Seite. Dort publizieren sie aber nur jene Windstromeinspeisung, die "nach Abzug der Direktvermarktung" verbleibt (ÜNB-Grafik).

Beim Vergleich der beiden Internet-Seiten könnte man die dort abgebildeten Balken-Diagramme fast verwechseln, weil sie bis in die Einzelheiten von den Proportionen her fast identisch sind. Erst der Blick auf die MW-Skala links zeigt, daß ein riesiger Unterschied besteht: Zum Beispiel schrumpft in der ÜNB-Grafik der Maximalwert der Einspeisung, der in der EEX-Grafik 3500 MW erreicht, auf klägliche 700 MW. Nur dieser Rest an fluktuierender Einspeisung wird von den ÜNB am Spotmarkt der EEX verramscht und notfalls sogar gegen Aufpreis verschenkt, wie es die gesetzlichen Vorhaben verlangen. Das dicke Filetstück der Windstromerzeugung in Form einer weitgehend gleichförmigen "Bandlieferung" bleibt dagegen den Direktvermarktern vorbehalten.

Die Transparenz-Seite der EEX ist unter www.transparency.eex.com erreichbar, die der vier Übertragungsnetzbetreiber unter www.eeg-kwk.net.


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Schon in diesem Jahr könnte die Direktvermarktung 60 Prozent der EEG-Strommenge umfassen

Vor allem die Betreiber von Windkraftanlagen haben die sich hier bietenden Chancen erkannt und genutzt. Da es ihnen wegen der fluktuierenden Erzeugung und des komplizierten Prozedere in aller Regel nicht möglich ist, die Direktvermarktung selbst zu übernehmen, schließen sie entsprechende Verträge mit Stromhändlern, die so gestaltet sind, daß beide Seiten profitieren. Bis Ende 2012 erreichte so die Direktvermarktung einen Anteil von gut achtzig Prozent an der installierten Nennleistung der Windkraftanlagen (siehe auch Grafik 3). Bei der Photovoltaik, wo die Direktvermarktung zuvor im Promille-Bereich lag, kletterte sie auf sieben Prozent. Auch die Biomasse, die als grundlastfähige Stromquelle schon bisher zu einem größeren Teil direkt vermarktet wurde, legte nochmals um ungefähr das Doppelte auf 35 Prozent zu. Für sämtliche EEG-Anlagen betrug die Direktvermarktung 43,2 Prozent der installierten Nennleistung oder rund vierzig Prozent der Erzeugung. Für das laufende Jahr rechnet der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW), der diese Zahlen veröffentlichte, sogar mit einer Umkehrung des Verhältnisses, so daß die Direktvermarktung per "Marktprämie" einen Anteil von sechzig Prozent erreichen und vollends zum Normalfall würde.

Nur noch eine geringe Rolle spielt dagegen das "Grünstromprivileg". Es wurde durch die "Marktprämie" gewissermaßen kannibalisiert und betraf Ende 2012 weniger als ein Prozent der Kapazitäten. Noch unbedeutender waren sonstige Formen der Direktvermarktung.

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