November 2011

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ENERGIE-CHRONIK


Emissionshandel wurde für Industrie zum "Klimagoldesel"

Der vor sieben Jahren gestartete Handel mit Emissionszertifikaten (041211) hat bisher so gut wie nichts zum Klimaschutz beigetragen, sich aber zu einer Pfründe für Unternehmen entwickelt, die kostenlos mehr Emissionsberechtigungen erhielten, als sie nötig hatten. Dies läßt sich einer Studie der britischen Umweltschutzorganisation "Sandbag Climate Campaign" entnehmen, die jetzt der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) in deutscher Übersetzung veröffentlichte.

Die Studie trägt den Titel "Der Klimagoldesel: Wer sind die Gewinner des EU-Emissionshandels?". Sie befaßt sich mit der Situation in Deutschland, wo die Emissionsberechtigungen in den beiden ersten Handelsperioden unter dem Druck der Lobby sehr freigiebig verteilt wurden (070502) und den Energiekonzernen sogar zu Milliarden an Zusatzgewinnen verhalfen (070903). Da Deutschland das wichtigste Industrieland der EU ist und besonders ehrgeizige Klimaschutzziele propagiert, geht die Studie davon aus, daß vom Funktionieren des Europäischen Emissionshandelssystems (ETS) in Deutschland dessen Funktionieren schlechthin abhängt.

"Anstatt für mehr Klimaschutz zu sorgen, mutiert der Handel mit Treibhausgasen mehr und mehr zu einem Subventionsmechanismus für die Industrie", faßte der BUND das Ergebnis der Studie zusammen. Das ETS kranke an zahlreichen Defiziten, die seine Effektivität grundsätzlich in Frage stellen. Die mit dem Kyoto-Protokoll vereinbarten Marktmechanismen hätten bislang wenig zum Klimaschutz beigetragen und teilweise sogar das Gegenteil bewirkt. Es sei höchste Zeit für Bundesregierung und EU, "das Ruder herumzureißen und endlich für einen effektiven und ehrgeizigen Klimaschutz zu sorgen".

Sogar unter den Stromversorgern gibt es noch drei ETS-Profiteure

Die Studie räumt ein, daß die meisten Stromerzeuger inzwischen einen mehr oder weniger großen Bedarf an zusätzlichen Zertifikaten haben, um ihre CO2-Emissionen abdecken zu können. So benötige RWE insgesamt 145 Millionen EU-Emissionsberechtigungen (EUA), gefolgt von Vattenfall (76 Mio.), E.ON (32 Mio.) und EnBW (7 Mio.). Die Datenanalyse auf Unternehmensebene zeige, daß die Nachfrage innerhalb des ETS ganz überwiegend von wenigen großen Stromerzeugern stamme. Diese Nachfrage werde angesichts des anstehenden Atomausstiegs noch steigen, da die CO2-freie Kernenergie bisher 23 Prozent des deutschen Strommixes ausgemacht habe.

Dennoch gebe es auch bei den Stromversorgern drei Unternehmen, die vom Emissionshandel als "Klimagoldesel" profitieren würden: Die Stadtwerke München, Trianel und die Stadtwerke Köln hätten einen Überschuß von jeweils 2 Millionen, 1,8 Millionen und 1 Millionen Zertifikaten.

Die Stadtwerke München und Trianel gehören sogar zu jenen zehn Unternehmen, die zum Jahresende 2010 die größten Überschüsse an Emissionszertifikaten angehäuft haben und dadurch mit insgesamt 782 Millionen Euro vom ETS profitierten:

Die Studie schätzt, daß der Überschuß der hier aufgelisteten"Top Ten" bis zum Ende der zweiten Handelsperiode auf Zertifikate für 88 Millionen Tonnen im Wert von ca. 1,1 Milliarde Euro anwachsen wird. Ein Großteil des Überschusses stamme "aus einer Kombination von überzogenen Wachstumsprognosen und den Auswirkungen der Rezession". Um Nachteile im internationalen Wettbewerb zu vermeiden, hätten die Regierungen die Anlagen mit einem hohen Verlagerungsrisiko besonders großzügig mit kostenlosen Zertifikaten bedacht. Lediglich bei den Stromerzeugern, wo dieses "carbon leakage"-Risiko nicht besteht, sei es im wesentlichen zu der beabsichtigten Unterversorgung mit Zertifikaten gekommen.

Das Ergebnis der Untersuchung ist auch deshalb bemerkenswert, weil neoliberal indoktrinierte Wirtschaftswissenschaftler immer wieder behaupten, das Erneuerbare-Energien-Gesetz habe sich durch den Emissionshandel erübrigt und wirke sich sogar kontraproduktiv aus (090308). Auch die Monopolkommission hat in ihrem jüngsten Gutachten (110907) diese These wieder vertreten, obwohl sie absolut praxisfremd ist.

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