August 2011 |
110804 |
ENERGIE-CHRONIK |
Der Vattenfall-Konzern hat sich binnen eines Monats sowohl aus Belgien als auch aus Polen zurückgezogen. In Belgien überließ er am 27. Juli die Nuon Belgium NV dem italienischen Energiekonzern Eni. In Polen verkaufte er am 23. August das komplette Kraftwerks- und Vertriebsgeschäft den beiden polnischen Unternehmen PGNiG und Tauron. Der schwedische Staatskonzern begründet den Rückzug in beiden Fällen mit der neuen Unternehmensstrategie, die er im September vorigen Jahres bekanntgab (100907). Neben einer neuen Konzernstruktur und Einsparungsmaßnahmen hatte er damals auch angekündigt, sich künftig auf Schweden, Deutschland und die Niederlande als "Kernmärkte" konzentrieren zu wollen.
In Belgien trennt sich Vattenfall für rund 157 Millionen Euro von der Nuon Belgium NV, die vor zwei Jahren mit dem niederländischen Nuon-Konzern in seinen Besitz gelangte (090601). Das Unternehmen betreut mit rund 150 Mitarbeitern derzeit circa 550.000 Strom- und Gasanschlußstellen.Über die Tochtergesellschaft Nuon Wind Belgien verfügt es ferner über rund 4,5 Megawatt an installierter Leistung. Eine weitere Tochter, die Nuon Power Generation Walloon, betreibt die Errichtung eines GuD-Kraftwerks nahe der Stadt Seneffe. Vattenfall und Eni rechnen damit, dass die Transaktion nach der Zustimmung der Wettbewerbsbehörden der EU noch in diesem Jahr abgeschlossen wird.
Am 23. August unterzeichnete Vattenfall mit dem polnischen Gasunternehmen PGNiG S.A. eine Vereinbarung über den Verkauf von Vattenfall Heat Poland S.A. (VHP), dem führenden Strom- und Wärmeerzeuger in Warschau. Die Vereinbarung umfaßt alle Aktivitäten von VHP, inklusive der Heizkraftwerke Zeran, Siekierki und Pruszkow sowie der Wärmekraftwerke Kaweczyn und Wola. Die gesamte installierte Leistung der Kraftwerke beträgt 4.800 Megawatt thermisch und 980 Megawatt elektrisch. Im vergangenen Jahr hat VHP 11,9 Terawattstunden Wärme und 3,8 Terawattstunden Strom verkauft.
Am selben Tag besiegelte ein weiteres Abkommen mit dem polnische Energieversorger Tauron S.A. den Verkauf der Vattenfall-Tochter Gornoslaski Zaklad Energetyczny (GZE), dem führenden Unternehmen für Stromvertrieb und -verteilung sowie Netzbetrieb in Schlesien. GZE ist ein Verteilnetzbetreiber, der rund 1,1 Millionen Kunden mit etwa zehn Prozent des gesamten polnischen Stromverbrauchs beliefert.
Bei den beiden polnischen Vattenfall-Töchtern sind insgesamt 2800 Mitarbeiter tätig. Der Unternehmenswert von VHP wurde mit rund 880 Millionen Euro und der von GZE mit ca. 838 Millionen Euro beziffert. Fällig in bar wird jeweils der Eigenkapitalwert von rund 720 Millionen Euro bzw. rund 1,1 Milliarden Euro. Die jeweiligen Transaktionen sollen nach Zustimmung der Wettbewerbsbehörde bis Ende 2011 vollzogen werden.
Vattenfall bleibt vorerst in Polen mit18,7 Prozent am Stromkonzern Enea beteiligt, der mehrheitlich dem Staat gehört und eigentlich verkauft werden sollte. Seit Dezember 2010 verhandelte die Electricité de France (EDF) mit dem polnischen Finanzministerium exklusiv über den Erwerb einer Mehrheitsbeteiligung von 51 Prozent (101213). Presseberichten zufolge zerschlugen sich diese Verhandlungen aber bereits Ende März, weil die polnische Seite verbindliche Zusagen über die Errichtung von zwei neuen Kohle-Blöcken im Enea-Kraftwerk Kozienice verlangte. Die EDF habe eine solche Garantie unter Hinweis auf mögliche Kollisionen mit Umweltvorschriften der EU abgelehnt. Nach dem Scheitern der Verkaufsgespräche teilte die polnische Regierung am 1. April mit, daß sie keinen weiteren Versuch unternehmen werde, die Enea an ausländische Interessenten zu verkaufen.