August 2009 |
090809 |
ENERGIE-CHRONIK |
Die neue Regierung Bulgariens will alle Energieprojekte mit Rußland überprüfen. Dazu gehört neben der Pipeline "South Stream" (090501) vor allem der Bau des Kernkraftwerks Belene, den die Vorgänger-Regierung Ende vorigen Jahres mit dem RWE-Konzern vereinbarte (081205). "Wird haben kein Geld um diese Projekte zu vollenden", sagte der neue Finanzminister Simeon Djankov der "Financial Times" (27.7.). Auch der neue Minister für Wirtschaft, Energie und Tourismus, Traitscho Traikow, äußerte sich kritisch zu dem Projekt. Anfang August wollten Traikow und Ministerpräsident Boijko Borissow mit RWE-Vertretern zusammentreffen, um die Lage zu besprechen. Am 7. August widersprach Traikow allerdings einem Bericht der "Financial Times Deutschland" vom selben Tag, in dem es hieß, das Ende von Belene sei "so gut wie besiegelt". Die Regierung habe nicht erklärt, auf den Bau verzichten zu wollen. Am 20. August kündigte Traikow eine Entscheidung bis Ende September an. Bei RWE gab man sich vorerst gelassen: "Daß Großprojekte wie Belene durch eine neue Regierung überprüft werden, ist völlig nachvollziehbar", erklärte ein Konzernsprecher gegenüber Dow Jones Newswires (7.8.).
Anfang Juli hatten die bislang regierenden "Sozialisten" bei der Parlamentswahl eine schwere Niederlage erlitten. Die Regierung von Ministerpräsident Sergej Stanischew wurde vor allem Korruption und wirtschaftspolitisches Versagen angelastet. Gewinner der Wahlen war die konservative Partei des bisherigen Sofioter Bürgermeisters Borissow. Bei der Regierungsarbeit bleibt sie aber auf die Unterstützung kleinerer Parteien angewiesen. Schon vor dem Machtwechsel in Sofia zeichnete sich ab, daß die Regierung kaum in der Lage sein würde, den vereinbarten Eigenanteil von 51 Prozent an Belene (081205) zu finanzieren. Vermutlich wird deshalb die nun angekündigte Überprüfung des Projekts darauf hinauslaufen, daß RWE, das russische Staatsunternehmen Atomstroyexport oder andere Beteiligte einen noch größeren Beitrag leisten. Zugleich will die neue Regierung nach außen deutlich machen, daß sie mehr Kredit verdient als ihre Vorgängerin. Am 22. Juli hatte die EU-Kommission Hilfsgelder von fast 500 Millionen Euro für Bulgarien gestoppt und zwei von vier nationalen Behörden, die bisher zum Empfang dieser Gelder berechtigt waren, die Zulassung entzogen. Ferner stellte sie auch in Rumänien, wo RWE den Ausbau des Kernkraftwerks Cernavoda betreibt (081103), gravierende Mängel im Justizwesen und bei der Korruptionsbekämpfung fest.
Innerhalb des RWE-Konzerns war die Beteiligung an Belene, die der Konzernchef Jürgen Großmann durchsetzte, von Anfang an umstritten. Laut "Süddeutsche Zeitung" (21.4.) haben innerhalb des Aufsichtsrats die Vertreter der Gewerkschaft Verdi und SPD-nahe Kontrolleure Bedenken angemeldet. Außer grundsätzlichen Vorbehalten gegenüber der nuklearen Expansionspolitik des Konzerns spielt dabei eine Rolle, daß RWE sich mit den russischen Technologielieferanten und wegen der Erdbeben-Gefährdung des Standorts auf unsicheres Terrain begibt. Die Gewerkschaft IGBCE und die Betriebsräte gelten dagegen als Befürworter des Projekts.