Juli 2009

090702

ENERGIE-CHRONIK




Europa mit Strom aus der Wüste versorgen wollen zwölf Unternehmen und die "Desertec Foundation". Bis Ende Oktober soll eine gemeinsame Planungsgesellschaft gegründet werden. Anläßlich der Unterzeichnung einer entsprechenden Absichtserklärung am 13. Juli in München posierten Vertreter aller Beteiligten vor den Logos ihrer Gesellschaften.
Pressefoto Desertec

Vorläufig 12 Unternehmen an "Desertec" beteiligt

In München wurde am 13. Juli das Konsortium "Desertec" auf den Weg gebracht, das die solare Stromversorgung Europas aus den sonnenreichen Gebieten Nordafrikas und des Mittelmeerraums verwirklichen will (090604). Beteiligt sind vorläufig zwölf Unternehmen und die "Desertec Foundation". Die dreizehn Partner unterzeichneten eine Absichtserklärung zur Gründung einer Planungsgesellschaft, die bis zum 31. Oktober 2009 in Form einer GmbH entstehen soll. Nach der Gründung wird diese Desertec Industrial Initiative Planungsgesellschaft (DII) für den Beitritt weiterer Mitglieder offen sein. Der Gesellschafterkreis, der bisher wesentlich von deutschen Unternehmen geprägt wird, soll dabei eine möglichst internationale Ausrichtung bekommen.

Unterstützung vom Auswärtigen Amt


Für das Auswärtige Amt gab Staatsminister Günter Gloser (Mitte) dem Projekt seinen Segen. Links von ihm Max Schön als Vertreter des Club of Rome, der "Desertec" initiiert hat. Rechts Gerhard Knies, Aufsichtsratsvorsitzender der Desertec Foundation.
Pressefoto Desertec

Die Münchener Vereinbarung wurde im Beisein von Repräsentanten der deutschen und internationalen Politik unterzeichnet. "Bei dem Solarplan profitieren alle beteiligten Akteure", erklärte Staatsminister Günter Gloser (SPD) als Vertreter des Auswärtigen Amtes. Die stromproduzierenden Länder bekämen durch den Verkauf sauberer Energie nach Europa zusätzliche Einnahmequellen und durch den Technologietransfer wirtschaftliche Impulse. Zugleich ermögliche das Projekt den EU-Staaten, ihre Energieversorgung auf mehrere Schultern verteilen und die Abhängigkeit von fossilen Rohstoffen zu verringern.

Finanzwirtschaft, Elektrokonzerne, Stromversorger und Anlagenbauer in einem Boot

Die Kreis der zwölf Beteiligten setzt sich zusammen aus Unternehmen der Finanzwirtschaft (Deutsche Bank, HSH Nordbank, Münchener Rück), der elektrotechnischen Industrie (ABB, Siemens), der Energieversorgung (E.ON, RWE), des solaren Anlagenbaues (Abengo Solar, MAN Solar Millennium, M+W Zander) und der Herstellung von Solarspiegeln (Cevital Glass, Schott Solar Glas). Bei Abengo Solar handelt es sich um ein spanisches und bei Cevital Glass um ein algerisches Unternehmen.

"Supernetz" soll unterschiedliche Standorte und Techniken verbinden

"Desertec" will mit solarthermischen Kraftwerken und anderen erneuerbaren Energiequellen den Strombedarf Europas zu rund 15 Prozent decken. Die Anlagen sollen vor allem in Nordafrika, im Mittelmeerraum und im Nahen Osten errichtet werden (siehe Grafik). Darüber hinaus soll das Projekt auch die südlichen Erzeugerländer wirtschaftlich und politisch einbinden, indem es deren Bedarf zu einem erheblichen Anteil deckt und durch Nutzung überschüssiger Energie in Meerwasser-Entsalzungsanlagen die Trinkwasserversorgung sichert. Durch Anwendung der Hochspannungs-Gleichstromübertragung (HGÜ) anstelle der üblichen Wechselstromtechnik will man die beim Stromtransport auftretenden Verluste mindern und eine Verkabelung der Leitungen erleichtern. Die HGÜ-Leitungen sollen ein eigenständiges "Supernetz" bilden, das die unterschiedlichen Standorte und Techniken der regenerativen Stromerzeugung miteinander verbindet und so den Ausfall einzelner Leitungen oder Kraftwerke auszugleichen vermag.

Hermann Scheer steht mit seiner Kritik ziemlich allein

Der Vorsitzende der Erneuerbare-Energien-Vereinigung "Eurosolar", Hermann Scheer, wiederholte anläßlich der Münchener Zusammenkunft seine Kritik, daß der Stromtransport aus der Sahara nach Europa eine "Fata Morgana" bleibe und die Förderung der erneuerbaren Energien hierzulande viel sinnvoller und ergiebiger sei. Die "Desertec Foundation" entgegnete darauf, daß in jedem Falle beide Potentiale genutzt werden sollten. Der Sahara-Strom würde sogar die regenerative Stromerzeugung hierzulande gut ergänzen. Scheers Einwand, daß die Spiegel der solarthermischen Kraftwerke durch den Wüstensand verschmutzt oder zerstört würden, könne aufgrund der langjährigen Betriebserfahrungen mit solarthermischen Kraftwerken in der Mojave-Wüste nicht bestätigt werden.

Die Umweltorganisation Greenpeace lobte die Initiative erneut als "Meilenstein für die Nutzung von Solarkraftwerken" und weltweites Vorbild. Auch die Verbraucherzentrale Bundesverband (VZBV) hegt offenbar Sympathien für das Projekt: "Bei Desertec werden auf Anhieb die Größenordnungen deutlich, welche die Solarenergie bereitstellen kann", schrieb ihr Energieexperte Holger Krawinkel in einem Beitrag für die "Süddeutsche Zeitung" (15.7.). Das Wüstenprojekt ersetze Mangel durch Überfluß. Es ermögliche endlich den Abschied von der fossil-nuklearen Stromerzeugung ohne die "Kultur des Verzichts", die mit den Bemühungen um Energieeinsparung verbunden sei.


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Das auf Hochspannungs-Gleichstromübertragung basierende "Supernetz" des Desertec-Projekts könnte von Nordeuropa bis an den südlichen Rand der Sahara und vom Atlantik bis zum Persischen Golf reichen. Neben Strom aus solarthermischen Anlagen soll es an geeigneten Standorten auch Strom aus Wind, Wasserkraft, Photovoltaik, Biomasse und Geothermie aufnehmen. Die roten Quadrate im Gebiet der Sahara markieren den Platzbedarf, der nach Angaben von Desertec theoretisch ausreichen würde, um mittels solarthermischer Kraftwerke den Strombedarf der Welt, der EU oder der MENA-Region (Naher Osten/Nordafrika) zu decken. Das vierte Quadrat (TRANS-CSP Mix EUMENA 2050) soll die Fläche veranschaulichen, die erforderlich wäre, um bis zum Jahr 2050 zwei Drittel des Strombedarfs der MENA-Region zuzüglich ihres Bedarfs an Meerwasserentsalzung sowie ein Fünftel des europäischen Strombedarfs zu decken.
Grafik: Desertec

 

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