Juni 2009

090604

ENERGIE-CHRONIK


Wirtschaft wirbt für solarthermische Stromerzeugung in Nordafrika

In den Räumen der "Münchener Rück" soll am 13. Juli ein Konsortium zur solarthermischen Stromerzeugung in der Sahara gegründet werden, dem neben einschlägig interessierten Industrieunternehmen wie Siemens und Schott Solar der RWE-Konzern als Energieversorger und die Deutsche Bank als Finanzier angehören. Bereits im Juni begann eine lebhafte Öffentlichkeitsarbeit für das Projekt namens "Desertec", das nach Angaben der Münchener Rück auf einer Initiative des Club of Rome Deutschland und Studien des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) beruht. Der Versicherungskonzern begründet sein eigenes Engagement damit, daß der Klimawandel das Risiko schwerwiegender Naturkatastrophen erhöhe, was ihn als Rückversicherer belaste. Er dürfte aber auch ein lebhaftes Interesse an der unmittelbaren Versicherung der geplanten Projekte durch die Tochter "Ergo" haben, unter deren Dach die Marken D.A.S., DKV, ERV, Hamburg-Mannheimer, KarstadtQuelle Versicherungen und Victoria angesiedelt sind.

Kosten mit rund 400 Milliarden Euro beziffert


Solarthermische Stromerzeugung ist eine erprobte Technik, die in sonnenreichen Gegenden die fossilen Brennstoffe für den Betrieb von Dampfkraftwerken ersetzen kann. Sehr fraglich bleibt allerdings, ob sich ein Stromtransport aus der Sahara nach Europa lohnt. Das Bild zeigt sogenannte Rinnenkollektoren, die mit Hohlspiegeln das Sonnenlicht auf Röhren konzentrieren und so ein darin zirkulierendes Wärmeträger-Medium bis auf etwa 400 Grad erhitzen.
Pressefoto DLR

Als erstes Nahziel soll der Strom aus der Wüste zu einem erweiterten Energiemix beitragen und bis zum Jahr 2050 etwa 15 Prozent des europäischen Bedarfs decken. Die Realisierung dieses Projekts könne sich auf die bereits vorhandenen Technologien zur solarthermischen Stromerzeugung stützen, heißt es. Die Kosten für die Errichtung der Anlagen und deren Anbindung an das europäische Stromnetz würden sich auf rund 400 Milliarden Euro belaufen.

Gabriel und Merkel äußern sich positiv

Bundesumweltminister Sigmar Gabriel (SPD) begrüßte die Unternehmensinitiative. Die Errichtung solcher Kraftwerke in Verbindung mit einem Stromverbund im Mittelmeerraum liege im europäischen Interesse. Die Realisierung des Vorhabens sei aber "sehr ambitioniert" und bedürfe "erheblicher finanzieller Anstrengungen". Ähnlich äußerte sich die Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU). Einschränkend fügte sie hinzu, die Initiative dürfe nicht als Begründung dafür dienen, in Deutschland ein Braunkohlekraftwerk nicht zu bauen.

Vattenfall-Chef bezeichnet Projekt als unrealistisch und wird dafür von Greenpeace gescholten

Vattenfall-Chef Lars Josefsson, der die Bundeskanzlerin und neuerdings auch die Vereinten Nationen in Klimafragen berät, kritisierte das Projekt dagegen als unrealistisch. Die benötigten 400 Milliarden Euro seien "verdammt viel Geld", sagte er der "Financial Times Deutschland" (22.6.). Zudem wären die Transportkosten sehr hoch und bestünde das Risiko terroristischer Anschläge. "Europa muss seinen Strom in Europa erzeugen", meinte Josefsson. Greenpeace Deutschland warf ihm deshalb vor, die Zeichen der Zeit nicht zu erkennen: "Der neue UN-Klimaberater hat sich als das gezeigt, was er tatsächlich ist: Cheflobbyist für Atom- und Kohlekraft".

Eurosolar hält weiteren Ausbau der Erneuerbaren in Deutschland für viel sinnvoller

Skeptisch äußerte sich allerdings auch die Erneuerbare-Energien-Vereinigung Eurosolar. Nach Ansicht ihres Präsidenten Hermann Scheer wird der weitere Ausbau der Stromerzeugung aus Erneuerbaren Energien in Deutschland zu niedrigeren Kosten und Preisen möglich sein als der Solarstromimport aus Nordafrika. Außerdem habe er starke Zweifel, ob die angegebenen Investitionskosten und Zeiträume tatsächlich eingehalten werden könnten. Kostenfaktoren wie der Schutz der Solarspiegel vor Sandstürmen und Sandwehen würden grob unterschätzt, ebenso die Kosten und die Umsetzungsschwierigkeiten des Baues der Übertragungsleitungen. "Das Desertec-Projekt kann zu einer großen Subventionsruine werden und sich als Fata Morgana erweisen", warnte Scheer, "es sei denn, es wird dazu benutzt, um den dynamischen Ausbau Erneuerbarer Energien hierzulande künstlich zu stoppen".

Dena-Chef rät ebenfalls ab

Der Chef der Deutschen Energie-Agentur, Stephan Kohler, zeigte sich ebenfalls nicht begeistert. "Wir brauchen keinen Strom aus der Sahara", sagte er gegenüber der "Frankfurter Allgemeinen" (20.6.). Sinnvoll sei die Errichtung solcher Solarkraftwerke nur zur verbrauchsnahen Stromerzeugung, etwa im Mittelmeerraum. Deutsche Unternehmen könnten auf diese Weise Zertifikate für vermiedene CO2-Emissionen erwerben und hierzulande einsetzen, um Kohle- oder Erdgaskraftwerke zu betreiben.

Die Idee an sich ist schon sehr alt

Die Idee zur Nutzung der Sahara für die solarthermische Stromerzeugung und Versorgung Europas ist übrigens keineswegs neu, sondern wird schon seit vielen Jahren diskutiert. Beispielsweise hat sie der Ingenieur Jörg Schlaich in seinen Büchern Erneuerbare Energien nutzen (1991) und Das Aufwindkraftwerk (1994) propagiert.

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