August 2008 |
080807 |
ENERGIE-CHRONIK |
Die Bundesnetzagentur (BNA) fühlt sich herausgefordert, weil sowohl RWE und E.ON als auch die drei norddeutschen Gasversorger EWE, Erdgas Münster und Gasunie die zum 1. Oktober 2008 angekündigte Zusammenlegung ihrer Marktgebiete für L-Gas nicht verwirklichen wollen. Es gäbe damit weiterhin fünf anstelle von nur noch zwei Marktgebieten für das L-Gas. Die Behörde hat deshalb am 25. August ein Mißbrauchsverfahren gegen die fünf Gasnetzbetreiber eingeleitet. "Die Unternehmen haben ohne stichhaltige Begründung ihre Zusage zur Zusammenlegung von Marktgebieten widerrufen", erklärte BNA-Präsident Matthias Kurth. "Jetzt muß das Ziel sein, ein einziges L-Gas-Marktgebiet zu schaffen. Damit würde die Kleinteiligkeit und Zersplitterung der L-Gas-Marktgebiete endgültig beseitigt."
L-Gas stammt vor allem aus der Nordsee. Die Bezeichnung rührt vom geringeren Brennwert (L wie "low") gegenüber H-Gas (H wie "high"). Es wird deshalb über besondere Netze verteilt. Im Juli vorigen Jahres hatten zunächst die RWE Transportnetz Gas GmbH und die E.ON Gastransport AG & Co. KG die Zusammenlegung ihrer Marktgebiete für L-Gas zum 1. Oktober 2008 angekündigt (070707). Im September hatten dann die EWE Netz GmbH, die Erdgas Münster Transport GmbH & Co. KG sowie die damalige BEB ebenfalls die Vereinigung ihrer bisher drei L-Gas-Gebiete zu diesem Termin bekanntgegeben. Inzwischen ist an die Stelle der BEB die niederländische Gasunie Deutschland Transport Services GmbH getreten, die von der BEB deren Transportnetz übernommen hat (071120).
Am 15. August hatten die RWE Transportnetz Gas und die E.ON Gastransport in einer gemeinsamen Erklärung mitgeteilt, sie könnten die geplante Kooperation zu diesem Termin nicht verwirklichen. Zur Begründung hieß es lediglich: "Ungeachtet der Grundsatzverständigung von RWE mit der EU-Kommission zum Desinvestment der RWE Transportnetz Gas und dem anstehenden Veräußerungsprozeß lassen auch die in den letzten Monaten immer wieder geänderten Rahmenbedingungen und die sich dadurch ergebenden immer neuen konzeptionellen Ansätze für die endgültige Ausgestaltung der Kooperation in Verbindung mit den zu implementierenden Prozessen die operative Umsetzung einer umfassenden Kooperation zum 1. Oktober 2008 nicht zu."
Mit der gewundenen Formulierung sollte die Schuld offenbar der Bundesnetzagentur zugeschoben werden, die Ende Mai neue Regeln zur Bilanzierung im Gasbereich erließ. Diese ersetzen die bisherige Stundenbilanzierung durch eine Tagesbilanzierung. Dies bedeutet, daß sämtliche Schwankungen zwischen Einspeisung des Lieferanten und tatsächlichem Verbrauch der Kunden, die nur binnen eines Tages auftreten, keinen Einfluß mehr auf die Bilanz bzw. die vom Lieferanten aufzubringenden Kosten für Ausgleichsenergie haben. Für externe Lieferanten wird dadurch der Netzzugang erheblich vereinfacht und verbilligt.
Der Chef der Bundesnetzagentur, Matthias Kurth, sah eher andere Motive und in der RWE Transportnetz Gas die bremsende Kraft. Bereits eine Woche vor der offiziellen Bekanntgabe der Nicht-Kooperation drohte er RWE mit Zwangsmaßnahmen: "Es gibt eindeutige Zusagen des Unternehmens uns gegenüber, sein Gasnetz mit anderen zu einem Marktgebiet zusammenzuschließen", sagte er gegenüber der "Frankfurter Allgemeinen" (8.8.). Falls RWE diesen Verpflichtungen nicht nachkomme, erwäge seine Behörde die Einleitung rechtlicher Schritte. Dies könnte ein Mißbrauchsverfahren mit dem Ziel einer Marktgebietszusammenlegung sein.
Kurth äußerte zugleich den Verdacht, daß es "wohl nicht nur" einen zeitlichen Zusammenhang zwischen der Absage der Kooperation und dem geplanten Verkauf des RWE-Gastransportnetzes gebe. Kartellrechtliche Vorgaben der Kommission änderten aber nichts an den Verpflichtungen, die RWE gegenüber der Bundesnetzagentur eingegangen sei.
Um dem verschärften Druck der EU-Kommission zu entgehen (080503), hatte der RWE-Konzern am 31. Mai mitgeteilt, daß er sein deutsches Gas-Übertragungsnetz binnen zwei Jahren an einen unabhängigen Dritten veräußern wolle. Als Gegenleistung für eine entsprechende Verpflichtung würde die Kommission das seit April 2007 laufende kartellrechtliche Mißbrauchsverfahren im Bereich Erdgas einstellen. RWE beugt sich damit im Gasbereich in ähnlicher Weise dem Druck aus Brüssel wie zuvor schon E.ON mit der Verpflichtungszusage zum Verkauf des Stromtransportnetzes. Der Konzern möchte die angestrebte Einigung aber nicht als Schuldeingeständnis gewertet sehen. Man habe sich nur zur Vermeidung eines langjährigen Rechtsstreits für eine einvernehmliche Regelung entschieden.
Für das rund 4.100 Kilometer lange RWE-Gastransportnetz interessiert sich
inzwischen bereits der niederländische Netzbetreiber Gasunie. "Wir wollen
die Drehscheibe für Gastransporte in Nordwesteuropa sein", sagte Gasunie-Chef
Marcel Kramer im Gespräch mit dem "Handelsblatt" (10.8.). Mit dem Erwerb
des RWE-Netzes könne sein Unternehmen im Gastransport nach und durch Deutschland
eine führende Rolle übernehmen.