Juli 2008 |
080715 |
ENERGIE-CHRONIK |
Rudolf Schulten (53), bisher Vorstandsvorsitzender der Mannheimer MVV Energie, wird neuer Finanzvorstand der Energie Baden-Württemberg (EnBW). Wie die EnBW am 30. Juli mitteilte, übernimmt er zum 1. Januar 2009 die Nachfolge des ausgeschiedenen Christian Holzherr (080416). Schultens Vertrag als Chef der MVV war erst im Dezember verlängert worden (071217). Vor vier Jahren hatte er vergeblich versucht, eine 15-prozentige Beteiligung der EnBW an der MVV zu verhindern (041205). Immerhin erreichte er, daß das Bundeskartellamt der EnBW eine reine Finanzbeteiligung ohne Sitz im Aufsichtsrat auferlegte. In seiner neuen Funktion wird er sich nun eher Gedanken darüber machen müssen, wie die EnBW ihren Einfluß bei der MVV ausweiten kann. Der MVV-Betriebsrat befürchtet sogar, daß er das schon jetzt tut. In einem Rundschreiben an alle MVV-Mitarbeiter forderte der Betriebsrat deshalb Schulten auf, das Unternehmen sofort zu verlassen.
Schulten war als Favorit der SPD-Fraktion im Mannheimer Gemeinderat 2003 zum Nachfolger des bisherigen MVV-Vorstandsvorsitzenden Roland Hartung ernannt worden (030216). Davor war er Finanzvorstand der Berliner Bewag, die inzwischen im Vattenfall-Konzern aufging. Er stieß etliche der von Hartung erworbenen Geschäftsfelder wieder ab und verordnete dem Unternehmen einen Sparkurs, der dem Betriebsklima nicht eben förderlich war (051009). Auf der Führungsebene kam es zu einem Machtkampf mit dem Vertriebsvorstand Karl-Heinz Trautmann, der im Oktober 2006 mit dem Abgang Trautmanns endete (061013).
Werner Marnette (62) wurde vom schleswig-holsteinischen Ministerpräsidenten Carstensen (CDU) zum neuen Wirtschaftsminister des Landes berufen. Der frühere Chef der Norddeutschen Affinerie (NA) ist schon seit zwanzig Jahren Mitglied der CDU. Er stand für neue Aufgaben zur Verfügung, nachdem er Ende 2007 einen Machtkampf mit dem österreichischen Investor Mirko Kovats verloren hatte und deshalb vom NA-Aufsichtsrat zum Rücktritt gedrängt worden war.
Als NA-Chef hat Marnette das anschauliche Bild vom "Strommarkt mit vier Besatzungszonen" in Umlauf gebracht (050603), was die Energiekonzerne ihm so verübelten, daß er den Vorsitz im Energieausschuß des Bundesverbands der Deutschen Industrie niederlegen mußte (050801). Zeitweilig wollte er die Stromeinkaufskosten seines Unternehmens durch Errichtung eines eigenen Kraftwerks senken, einigte sich dann aber mit Vattenfall auf eine Beteiligung am neuen Steinkohlekraftwerk in Hamburg-Moorburg (070508).
Margareta Wolf (51), ehemals Parlamentarische Staatssekretärin und führendes Mitglied der Grünen, wirbt inzwischen für Kernenergie und erklärte am 14. Juli ihren Austritt aus der Partei, weil die Parteifreunde dafür kein Verständnis haben. Wolf war seit 1980 Mitglied der Partei und saß seit 1994 im Bundestag. In der ersten Regierung Schröder wurde sie dem parteilosen Bundeswirtschaftsminister Werner Müller als Parlamentarische Staatssekretärin der Grünen beigeordnet. Im folgenden Kabinett amtierte sie in derselben Eigenschaft im Umweltministerium und galt als rechte Hand von Jürgen Trittin. Ihr Bundestagsmandat gab sie bereits Anfang 2008 zurück, als sie den umstrittenen Posten als "Principal" der Kommunikationsberatung Deekeling Arndt Advisors antrat. Die PR-Firma betreibt auch Lobby für die Kernenergie.
Wolfgang Clement (68), ehemals Bundeswirtschaftsminister und führender SPD-Politiker, ist am 31. Juli von der Landesschiedskommission der SPD Nordrhein-Westfalen aus der Partei ausgeschlossen worden (080217). Die Landesschiedskommission verschärfte damit die vorangegangene Entscheidung des SPD-Unterbezirks Bochum, der lediglich eine Rüge ausgesprochen hatte. Sie sah wohl keine andere Wahl, nachdem Clement das Angebot abgelehnt hatte, ihn mit einer Rüge davonkommen zu lassen, wenn er sich künftig parteischädigender Äußerungen enthalten würde. Unterdessen hatte Clement die Parteifreunde erneut brüskiert, indem er gegenüber der "Süddeutschen Zeitung" (7.7.) wieder mal eine Verlängerung der Laufzeiten für Atomkraftwerke verlangte (080217).
Der Ausschluß des früheren SPD-Spitzenpolitikers war von insgesamt sieben Ortsvereinen beantragt worden. Seit seiner Wahlkampfhilfe für die hessische CDU gilt Clement auch innerhalb der SPD als Lobbyist von RWE (080115). Die Genossen an der Basis verübeln ihm aber vor allem die kaltschnäuzig-arrogante Art, mit der er in der rot-grünen Koalition den neoliberalen Kurs des Kanzlers Gerhard Schröder vertrat und damit die Partei in die gegenwärtige Krise stürzen half. Im Grunde ist der Ausschluß Clements eine stellvertretende Abrechnung mit der unsozialen Politik Schröders. Der "Genosse der Bosse" hat sich zwar inzwischen als Angestellter der russischen Gazprom noch mehr diskreditiert (051202), bietet aber in punkto Parteidisziplin keine solchen Angriffsflächen wie Clement. Die SPD-Spitze will eine grundsätzliche Auseinandersetzung um die Schuld Schröders am Niedergang der Partei vermeiden, da sie selber größtenteils zu dessen Entourage gehörte und die Abwanderung weiterer Mitglieder und Wähler zur "Linken" befürchtet. Sie wird deshalb nun alle Hebel in Bewegung setzen, damit Clement vor der Bundesschiedskommission wieder mit einer Rüge davonkommt.
Burckhard Bergmann (65), ehemaliger Chef von E.ON Ruhrgas, bleibt auch nach seiner Pensionierung (071217) dem Rußland-Geschäft des Unternehmens verbunden. Am 2. Oktober soll er in den Aufsichtsrat des russischen Gasförderers Novatek gewählt werden, um dort die Gazprom zu vertreten, deren Aufsichtsrat er schon seit acht Jahren für die Ruhrgas angehört (020709). Im November 2006 hatten ihm seine Moskauer Geschäftsfreunde zur Würde eines russischen Generalkonsuls für Nordrhein-Westfalen verholfen (061120).