Januar 2008 |
080107 |
ENERGIE-CHRONIK |
Die ostdeutsche Verbundnetz Gas AG (VNG) hat den in Schwerin ansässigen Stromhändler Energieunion AG übernommen, um künftig Stadtwerken, regionalen Weiterverteilern und Industriebetrieben auch die Strombeschaffung anbieten zu können. Zugleich wird die neue VNG-Tochter ihre Dienstleistungen auf das Geschäftsfeld Gas ausweiten. Im Rahmen des künftigen "Portfoliomanagements für Gas und Strom" ist auch die Entwicklung von Finanzprodukten zum Absichern von Marktpreisrisiken und verschiedener Gashandelsprodukte für den Kurzfristhandel vorgesehen.
Wie die VNG am 10. Januar mitteilte, erwarb sie über ihre Tochter VNG-Erdgascommerz
GmbH den 75,1 Prozent betragenden Anteil des bisherigen Mehrheitsaktionärs N.
V. Nuon Energy Trading & Wholesale sowie die 6,05 Prozent des bisherigen kommunalen
Anteilseigners Stadtwerke Cottbus GmbH. Über den Kaufpreis hätten alle Beteiligten
Stillschweigen vereinbart. Der VNG-Anteil an der Energieunion erhöht sich dadurch
von 11,07 auf 92,2 Prozent. Die restlichen Anteile liegen bei den Stadtwerken Halle,
Schwerin und Rostock.
Mit dem Einstieg ins Stromgeschäft setzt sich der ostdeutsche Gasversorger weiter
von seinem Hauptaktionär EWE ab, der die VNG inzwischen nur noch als Beteiligung
ausweist, obwohl er 47,9 Prozent der Anteile besitzt und aufgrund eines Konsortialvertrags
mit den kommunalen Aktionären eigentlich das unternehmerische Sagen hätte
(070808). Treibende Kraft hinter dem rebellischen Kurs des
VNG-Managements dürften die beiden Aktionäre Wintershall (15,79 Prozent)
und Gazprom (5,26 Prozent) sein, die geschäftlich eng verflochten sind und vermutlich
eine gemeinsame Strategie verfolgen, um dem russischen Staatsmonopolisten zu noch
mehr Einfluß in der deutschen Energiewirtschaft zu verhelfen. Der Rest der VNG-Aktien
gehört zu 25,79 Prozent einer Beteiligungsgesellschaft von zwölf ostdeutschen
Kommunen und zu 5,25 Prozent der EEG-Erdgas Transport GmbH, einer hunderprozentigen
Tochter der Gaz de France.
Die Energieunion wurde 1996 von den Stadtwerken Schwerin und Neubrandenburg zusammen mit dem Dienstleister Vasa Energy gegründet, um durch Bündelung des Stromeinkaufs Preisvorteile bei der bevorstehenden Liberalisierung des Energiemarkts zu erzielen. Hinter Vasa Energy stand der schwedische Vattenfall-Konzern, der sich damals anschickte, auf den deutschen Markt zu expandieren (980904). Bis Anfang 1999 kamen noch die Stadtwerke Rostock und Cottbus hinzu (990218). Die Vasa Energy schied dann aus dem Kreis der Gesellschafter aus und wurde über die HEW in den Vattenfall-Konzern integriert (000406). An ihrer Stelle erwarb der norwegische Stromhändler Hafslund 49 Prozent des Unternehmens (990315). Zwei Jahre später stieg erstmals die VNG mit ein, mußte sich aber auf Verlangen des Bundeskartellamts mit einer Beteiligung unter zwanzig Prozent begnügen (030719). Seit Ende 2002 gehörte die Energieunion dem niederländischen Nuon-Konzern, der die Hafslund-Beteiligung übernahm und per Kapitalerhöhung auf die 75,1 Prozent aufstockte, die er jetzt der VNG verkaufte.