(Seiten 161 bis 172 der Bundestags-Drucksache 15/1226 vom 27. 06. 2003)
Energieversorgung (40)
A. Allgemein
Die in den Jahren 1997/1998 durch die Europäischen
Binnenmarkt-Richtlinien "Elektrizität" und "Gas" eingeleitete Liberalisierung
der leitungsgebundenen Energiewirtschaft mit dem Ziel, auch in diesem Bereich
dem Wettbewerbsprozess volle Geltung zu verschaffen, ist nach wie vor nicht
abgeschlossen. In Deutschland verläuft dieser Prozess zudem in den
Bereichen Elektrizität und Gas mit unterschiedlicher Geschwindigkeit.
So ist man dem angestrebten Ziel in der Elektrizitätswirtschaft mit
der Energierechtsnovelle von 1998, die einen allgemeinen Anspruch auf Zugang
zu Elektrizitätsversorgungsnetzen begründet, sowie mit der zur
"VV Strom II plus" (in Kraft seit Anfang 2002) fortgeschriebenen Verbändevereinbarung
über die Kriterien zur Bestimmung von Netznutzungsentgelten ein Stück
näher gekommen. Verbleibendes Haupthindernis für einen vollwertigen
Wettbewerb in diesem Bereich ist das in Deutschland generell zu hohe Entgeltniveau
für die Nutzung der Stromnetze der etablierten Versorger, das es alternativen
Stromanbietern kaum erlaubt, den Endkunden attraktive Angebote zu machen
(im Einzelnen S. 166 ff.). In der Gaswirtschaft
hat die Liberalisierung die Wettbewerbssituation bisher kaum verbessert.
Die am 3. Mai 2002 verabschiedete Verbändevereinbarung "VV Erdgas
II" ist nicht geeignet, das bestehende Wettbewerbsdefizit zu beseitigen.
Es mangelt auch hier an hinreichend konkreten Netzzugangsregelungen. Außerdem
steht einer funktionierenden Durchleitung das aktuelle Durchleitungsmodell
eines entfernungsabhängigen Netznutzungsentgelts (so genanntes Punkte-System)
im Gegensatz zu einem entfernungsunabhängigen Entgelt (so genannte
Durchleitungsbriefmarke) entgegen.
Im Elektrizitätsbereich hatte das Bundeskartellamt
seit den Fusionsverfahren Veba/Viag (Europäische Kommission) und RWE/VEW
(Bundeskartellamt) im Jahre 2000 zunächst für alle sachlich relevanten
Strommärkte in räumlicher Hinsicht bundesweite Märkte prognostiziert
(Tätigkeitsbericht 1999/2000, S. 133 f.). Zweieinhalb Jahre nach diesen
Entscheidungen scheint die Entwicklung des Durchleitungswettbewerbs diese
Prognose für die sachlichen Märkte der Belieferung von Stromwiederverkäufern
und von industriellen Stromendkunden zu bestätigen. Zwar ist auch
hier der Prozess der gegenseitigen Marktdurchdringung noch nicht abgeschlossen.
Die Netzbetreiber verfügen in ihrem Netzgebiet noch über extrem
hohe Anteile an der Versorgung. Dennoch nimmt der versorgungsgebietsübergreifende
Durchleitungswettbewerb auf diesen beiden Märkten beständig zu.
Durchleitungsverweigerungen aus netztechnischen Gründen werden so
gut wie nicht mehr geltend gemacht. Auf diesen Märkten haben auch
die zu zahlenden Netznutzungsentgelte keine prohibitive Wirkung mehr. Sie
befinden sich allerdings noch - wie auch die Industriestrompreise insgesamt,
nicht zuletzt wegen gestiegener staatlicher Abgaben - auf hohem Niveau.
Es kann daher erwartet werden, dass auf diesen Märkten der Prozess
hin zu bundesweiten Märkten in nächster Zeit abgeschlossen sein
wird.
Auf dem Kleinkundenmarkt ist die Entwicklung bislang
allerdings nicht wesentlich vorangekommen. Eine Tendenz hin zu einem Durchleitungsautomatismus
ist nicht zu erkennen. Die Wechselrate ist durchweg niedrig. Deutlich weniger
als 5 % der Haushaltskunden haben seit Beginn der Liberalisierung den Stromanbieter
gewechselt. Das Bundeskartellamt verkennt keineswegs, dass es auch im Kleinkundenbereich
zu Preissenkungen im Rahmen der allgemeinen Tarife oder mittels Angeboten
von "Sondertarifen" für bestimmte Abnehmergruppen gekommen ist und
dies mit ein Grund für die schwache Wechselbereitschaft der Kleinkunden
sein kann. Allerdings sind die seit der Liberalisierung zunächst zu
verzeichnenden Preissenkungen im Vergleich zu den Preissenkungen bei Stromgroßkunden
deutlich geringer ausgefallen, was bereits als Indiz gegen eine vergleichbare
Öffnung der Niederspannungsnetze gewertet werden kann. Außerdem
steigen die Preise für Stromkleinkunden bereits wieder. Letztlich
reicht nach Auffassung des Bundeskartellamtes eine solche Form von "Abwehrwettbewerb"
der etablierten örtlichen Stromversorger nicht aus, um die geringe
Wechselquote zu erklären und daraus - gestützt auf potenziellen
Wettbewerb - einen bundesweiten Kleinkundenmarkt abzuleiten. Die Annäherung
an die Strompreise der überregional (d. h. auf vielen lokalen Märkten)
tätigen Unternehmen mittels "Sondertarifen" die zu einem nicht unerheblichen
Prozentsatz von den bisherigen Kunden wahrgenommen werden, dient in erster
Linie dazu, den öffentlichen Druck, der als Folge von veröffentlichten
Preisgegenüberstellungen auf den etablierten Versorgern/ Netzbetreibern
lastet, abzufangen. Er kommt den Kunden zwar zugute, ist aber nicht als
Ausdruck wesentlichen Wettbewerbs gegenüber neuen Stromanbietern zu
verstehen. Der tatsächliche Netzzugang für neue Anbieter wird
weiter behindert. Die entscheidende, die Wechselquote so niedrig haltende
Behinderung geht von dem im Niederspannungsnetz generell besonders hohen
Niveau der Netznutzungsentgelte aus. Sie gestatten neuen Stromanbietern
bei der Versorgung von Stromkleinkunden kaum Profite bzw. machen diese
Angebote für Kleinkunden wegen zu geringer Einsparungsbeträge
nicht attraktiv genug. Zwar weichen neue Stromanbieter dieser Situation
zum Teil dadurch aus, dass sie Strommengen, die an gewonnene Wechselkunden
geliefert werden, mittels so genannter Strombeistellung durch den örtlichen
Versorger liefern lassen. So werden nur ca. 50 % der Strommengen, die an
Wechselkunden geliefert werden, mittels wettbewerbsbegründender Durchleitung
geliefert. Die "vor Ort" beim angestammten Gebietsversorger zugekauften
Strommengen sind aber i. d. R. teurer als der Strom, der aus eigener Erzeugung
oder sonstigen Bezugsverträgen stammt, sodass auch der wirtschaftliche
Anreiz für diese Art der Kundenbelieferung gering ist. Es hat sich
gezeigt, dass auch die VV Strom II plus in diesem Bereich die Wechselaktivität
nicht angeregt hat, da auch sie das generell hohe Niveau der Netznutzungsentgelte
im Niederspannungsbereich bislang nicht entscheidend preissenkend beeinflusst.
Eine bedeutende Behinderung für den Markteintritt neuer Stromanbieter
bleibt damit bestehen. Die geringe Wechselquote liegt nach Ansicht des
Bundeskartellamtes letztlich auch darin begründet, dass ein großer
Teil der Stromkleinkunden angesichts der im Rahmen eines Haushaltsjahresbudgets
nicht besonders ins Gewicht fallenden realisierbaren Einsparbeträge
an seinem örtlichen Versorger festhält. Das Bundeskartellamt
sieht sich angesichts der offensichtlich eingetretenen Stagnation in der
Entwicklung des Stromkleinkundenmarktes nicht mehr in der Lage, die frühere
Prognose, dass es auch im Kleinkundenbereich zur Entwicklung eines bundesweiten
Marktes kommen wird, aufrecht zu erhalten. Es liegen der Beurteilung des
Wettbewerbsgeschehens in diesem Bereich wieder regionale/ lokale Märkte,
bezogen auf das Niederspannungsnetz eines Stromversorgungsunternehmens,
zugrunde.
Die sich auf den Strommärkten herausbildenden
Strukturen bewertet das Bundeskartellamt zunehmend wettbewerblich problematisch.
Im Fusionskontrollverfahren RWE/VEW ist das Bundeskartellamt noch aufgrund
der verfügten Auflagen bei bundesweiter Abgrenzung aller drei sachlich
relevanten Strommärkte von der Erwartung ausgegangen, dass marktbeherrschende
Stellungen nicht entstehen. Im Hinblick auf die Belieferung von Stromkleinkunden
ergibt sich die Neubewertung aus der wieder regional/lokal vorgenommenen
räumlichen Marktabgrenzung. Auf diesen räumlich relevanten Märkten
haben die integrierten Stromanbieter regelmäßig marktbeherrschende
Stellungen inne. Auf den bundesweit abzugrenzenden Märkten für
die Belieferung von Weiterverteilern und letztverbrauchenden Großkunden
geht das Bundeskartellamt aufgrund der Marktentwicklung und zahlreicher
Zusammenschlüsse der großen Stromversorgungsunternehmen mit
kleinen und mittleren Weiterverteilern von der Existenz eines marktbeherrschenden
Duopols i. S. v. § 19 Abs. 2 Satz 2 bestehend aus RWE und E.ON aus.
Ihr gemeinsamer Marktanteil auf diesen beiden Märkten von über
60 % bzw. über 40 %, ihre in etwa gleichgewichtigen gemeinsamen Anteile
an der installierten Kraftwerkskapazität von über 60 % sowie
ihre überragenden gemeinsamen Anteile am inländischen Höchstspannungsnetz
von über 60 %, am inländischen Hochspannungsnetz von über
70 % und am inländischen Mittelspannungsnetz und Niederspannungsnetz
von je ca. 50 % verschaffen ihnen einen überragenden Verhaltensspielraum
vor ihren nächsten Wettbewerbern EnBW und dem aus dem Zusammenschluss
von HEW, VEAG, Bewag und Laubag entstandenen neuen Unternehmensverbund
Vattenfall Europe. Diese folgen bei allen Strukturdaten in großem
Abstand. Die Bedeutung der beiden führenden Unternehmen auf den relevanten
Strommärkten wird auch dadurch unterstrichen, dass sie zusammen über
ca. 210 Minderheitsbeteiligungen (ab 10 %) an kommunal geprägten Regionalversorgern
und Stadtwerken verfügen. Der Beteiligungsbesitz von EnBW und Vattenfall
Europe bleibt weit dahinter zurück (EnBW) bzw. ist kaum vorhanden
(Vattenfall Europe). Auf diese Weise wird nicht nur der Stromabsatz der
beiden führenden Unternehmen an diese Kundengruppe abgesichert (Weiterverteilermarkt);
darüber hinaus werden diese Wettbewerber auch an der Entfaltung eigener
Wettbewerbsaktivitäten gehindert (Großkundenmarkt). Bei dieser
Marktstruktur und vor dem Hintergrund der Homogenität und des geringen
Innovationspotenzials des Produktes Strom ist oligopolistisches Parallelverhalten
von RWE und E.ON zu erwarten. Das Bundeskartellamt geht davon aus, dass
beide Marktführer ihre Erzeugungskapazitäten parallel entwickeln
werden, auf preisliche Wettbewerbsvorstöße verzichten und Kundenansprache
sowie künftige Beteiligungsstrategien insbesondere auf ihre jeweiligen
angestammten Versorgungsgebiete ausrichten werden. Die Verhaltensspielräume
des Duopols werden aufgrund des erheblichen Vorsprungs bei allen Strukturmerkmalen
nicht durch die anderen auf dem Markt für die Belieferung von Stromweiterverteilern
und letztverbrauchenden Stromgroßkunden tätigen Unternehmen
wirksam begrenzt. Vor diesem Hintergrund bewertet das Bundeskartellamt
nunmehr auch den neuen Unternehmensverbund Vattenfall Europe als keinen
den überragenden Verhaltensspielraum des Duopols ausschließenden
Wettbewerbsfaktor.
Der Konzentrationsprozess schreitet auch rasch
fort. Die großen Stromverbundunternehmen (bisher mit Ausnahme der
neu zusammengefügten Vattenfall Europe) steuern den wettbewerbsbelebenden
Auswirkungen des Liberalisierungsprozesses entgegen, indem sie sich in
noch stärkerem Maße als bisher um Beteiligungen an letztversorgenden
Stadtwerken bemühen. Seit dem 1. Januar 2000 bis zum 31. Dezember
2002 haben die drei Verbundunternehmen RWE, E.ON und EnBW zusammen 82 neue
Beteiligungen (ab 10 %) an lokalen Strom-Weiterverteilern erworben. Nach
Auffassung des Bundeskartellamtes droht diese fortschreitende vertikale
Integration mit den damit verbundenen Marktverschließungseffekten
dem mit der Liberalisierung erhofften Neueintritt neuer Marktteilnehmer
vollends den Boden zu entziehen. Es hat deshalb damit begonnen, diesen
einen effektiven Wettbewerb verhindernden Prozess in einem erweiterten
Rahmen zu kontrollieren. Im Hinblick darauf, dass Beteiligungen an Weiterverteiler-Kunden
auch bei relativ niedriger Beteiligungshöhe kaum als Finanzbeteiligungen,
sondern i. d. R. als strategische, "wettbewerblich erheblichen Einfluss"
vermittelnde Beteiligungen anzusehen sind, setzt das Bundeskartellamt seine
Praxis (Tätigkeitsbericht 1997/1998, S. 122), Beteiligungserwerbe
von nicht mehr als 20 % nur dann als Zusammenschluss zu prüfen, wenn
damit Sperrrechte oder Organbesetzungsrechte verbunden werden, nicht fort.
Vielmehr ist im Einzelfall aufgrund einer Gesamtschau zu prüfen, ob
ein konkreter Beteiligungserwerb den Zusammenschlusstatbestand des §
37 Abs. 1 Nr. 4 erfüllt.
Nachdem sich die erste Verbändevereinbarung zum Netzzugang bei Erdgas (VV Erdgas I, Tätigkeitsbericht 1999/2000, S. 38) auch mit ihren Nachträgen vom März und September 2001 als unzureichend erwiesen hat, praktikable Bedingungen für einen ungehinderten Netzzugang auf den Gasmärkten zu formulieren, haben die beteiligten Verbände am 3. Mai 2002 eine zweite Verbändevereinbarung zum Netzzugang bei Erdgas (VV Erdgas II) verabschiedet. Vereinfacht wird die Tarifierung durch Reduzierung von drei auf zwei Tarifierungsstufen. Aber auch mit dieser fortgeschriebenen Verbändevereinbarung sind bei weitem nicht alle offenen Fragen zum Durchleitungswettbewerb geregelt. So bestehen Probleme bei der Transparenz der Kalkulation der Netznutzungsentgelte, der Entgelthöhe, der Kompatibilität der Gasqualitäten, dem Speicherzugang, dem Bilanzausgleich und dem Kapazitätsengpassmanagement. Die Verbände waren sich einig, dass die VV Erdgas II zur weiteren Verbesserung des Gaswettbewerbs fortentwickelt werden müsse und eine verbesserte Verbändevereinbarung zum Gaswirtschaftsjahr 2003/2004 vorgelegt werden solle. Nach dem Scheitern der entsprechenden Verhandlungen zwischen den Verbänden im April 2003 ist der Fortgang offen.
Mit der Novelle des Energiewirtschaftsrechts im
April 2003 ist eine energierechtliche Regelung des Zugangs zu den Gasnetzen,
die die europäische Gasrichtlinie umsetzt, geschaffen worden.
Das Bundeskartellamt grenzt die Gasmärkte
weiterhin regional bzw. lokal nach der Reichweite der zur Versorgung bestimmter
Abnehmergruppen benötigten Versorgungsleitungen eines Gasversorgungsunternehmens
ab. Die Gasnetzbetreiber, die regelmäßig auch Gas vertreiben,
sind damit in ihrem Leitungsbereich wegen des unterentwickelten Durchleitungswettbewerbs
als marktbeherrschend anzusehen, was ihren kartellrechtlichen Handlungsspielraum
sowohl im Bereich der Verhaltenskontrolle (Missbrauchsaufsicht) als auch
im Rahmen der Fusionskontrolle erheblich einschränkt. Ähnlich
wie in der Stromwirtschaft ist auch im Gassektor zu konstatieren, dass
Durchleitung - generell gesprochen - schwieriger wird, je niedriger die
betreffende Netzebene. Die Probleme des Netzzugangs dürften auf der
obersten Marktstufe der Gaswirtschaft bei der Erstbelieferung von Gasweiterverteilern
(Regionalversorgungsunternehmen und Stadtwerke) durch Gasförderer
und Gasimporteure - nicht zuletzt angesichts des umfassenden Knowhows,
das auf dieser Stufe auf beiden Marktseiten vorhanden ist - leichter lösbar
sein als auf nachgelagerten Stufen. Nach Einschätzung des Bundeskartellamtes
ist am ehesten auf der obersten Marktstufe damit zu rechnen, dass der Durchleitungswettbewerb
einmal eine Intensität erreichen wird, die die Zugrundelegung eines
bundesweiten Marktes rechtfertigen wird.
B. Elektrizitätswirtschaft
1. Fusionskontrolle
Das Bundeskartellamt hat den Erwerb von 29,9 %
der Anteile an der Stadtwerke Düsseldorf AG (SWD) durch die Energie
Baden-Württemberg AG (EnBW) sowie die daran anschließende Gründung
des paritätischen Gemeinschaftsunternehmens Energie Nordrhein-Westfalen
GmbH (ENRW) durch SWD und EnBW nicht untersagt. ENRW soll über die
Region Düsseldorf hinaus, d. h. in Nordrhein-Westfalen und, soweit
dies durch eine entsprechende Kundennähe angezeigt ist, in den Benelux-Staaten,
vor allem Strom-Großkunden akquirieren und beliefern sowie Energieberatungsdienstleistungen
und Infrastrukturdienstleistungen anbieten. Mit dem Einstieg von EnBW bei
SWD war der Abschluss eines Konsortialvertrages zwischen EnBW und SW Düsseldorf
vorgesehen, der unter Ausschluss des SWD-Mitgesellschafters RWE (20 %)
die künftige energiewirtschaftliche Zusammenarbeit beider Unternehmen
festlegt. Auf die bundesweit abzugrenzenden Märkte für die Belieferung
von Weiterverteilern und letztverbrauchenden Stromgroßkunden hatte
das Zusammenschlussvorhaben keine kritischen Auswirkungen, da die jeweilige
Marktstellung von EnBW auch unter Einbeziehung der Ressourcen der SWD nicht
an diejenige der führenden Unternehmen RWE und E.ON heranreichte,
sodass insoweit das Entstehen marktbeherrschender Stellungen auszuschießen
war. Bei der Prüfung der Auswirkungen des Zusammenschlussvorhabens
auf dem Stromkleinkundenmarkt konnte es offen gelassen werden, ob dieser
Markt bereits wieder lokal, entsprechend dem Versorgungsnetz des örtlichen
Anbieters, abzugrenzen war (S. 37). Bei einer lokalen Marktabgrenzung wäre
zwar zu erwarten gewesen, dass SWD ihre bestehende marktbeherrschende Stellung
in ihrem Netzgebiet infolge der Dämpfung des Wettbewerbs mit der EnBW-Tochter
Yello-Strom verstärkt hätte. Doch wären diese negativen
wettbewerblichen Auswirkungen i. S. v. § 36 Abs. 1, 2. Halbsatz dadurch
überwogen worden, dass das künftige gemeinsame Vorgehen von EnBW
und SWD im nordrhein-westfälischen Raum in der ENRW zu einer Verbesserung
der Wettbewerbsbedingungen auf dem bundesweiten Großkundenmarkt,
und zwar im Kernversorgungsgebiet der RWE, einem der beiden führenden
Anbieter, geführt hätte.
Die Gründung der GEW Rheinenergie AG (RheinEnergie)
durch die GEW Köln AG (GEW) und Unternehmen des RWE-Konzerns ist vom
Bundeskartellamt nicht untersagt worden, nachdem die beabsichtigte RWE-Beteiligung
i. H. v. 25,1 % auf 20 % ohne weitere Gesellschafterrechte abgesenkt worden
ist und GEW 80 % der Anteile der RheinEnergie übernimmt. Die RheinEnergie
soll im Gebiet der Stadt Köln und im Kölner Umland die Strom-,
Gas-, Wasser- und Wärmeversorgung betreiben. Zu diesem Zweck soll
GEW seine gesamte eigene diesbezügliche Geschäftstätigkeit
sowie Beteiligungen an einer Reihe von Unternehmen, die in diesem Bereich
tätig sind, einbringen. Wettbewerblich relevant waren dabei die Beteiligungen
an der Bergische Licht-, Kraft- und Wasser-Werke (BELKAW) GmbH i. H. v.
72,81 %, an der Rechtsrheinische Gas- und Wasserversorgung AG (RGW) i.
H. v. 50 %, an der Gasversorgungsgesellschaft Rhein Erft mbH (GVG) i. H.
v. 32,3 %, an der Stadtwerke Troisdorf GmbH i. H. v. 24,5 %, an der Gasgesellschaft
Aggertal GmbH (Aggergas) i. H. v. 15,67 % sowie der Stromversorgung Aggertal
GmbH (Aggerstrom) i. H. v. 10 %. Von RWE-Seite sollen die Geschäftsaktivitäten
der konzerneigenen Niederlassung "Köln-Umland" sowie ebenfalls eine
Reihe von Beteiligungen in die RheinEnergie eingebracht werden. Bei den
Beteiligungen handelt es sich um Beteiligungen an der Energieversorgung
Leverkusen GmbH i. H. v. 50 %, der Aggerstrom i. H. v. 39,9 %, der evd
energieversorgung dormagen gmbh i. H. v. 49 %, der BELKAW i. H. v. 27,19
%, der Stadtwerke Troisdorf GmbH i. H. v. 24,5 %, der Energie- und Wasserversorgung
Bonn/Rhein Sieg GmbH i. H. v. 13,7 %, der RGW i. H. v. 50 %, der Aggergas
i. H. v. 47 % und der GVG i. H. v. 25,5 %. In der ursprünglichen Form
(RWE-Beteiligung über 25 %) ließ das Zusammenschlussvorhaben
nach Auffassung des Bundeskartellamtes im Gasbereich die Verstärkung
einer marktbeherrschenden Stellung der vom RWE-Konzern mitbeherrschten
Thyssengas GmbH bei der Belieferung von Gasweiterverteilern erwarten. Im
Strombereich ließ das Zusammenschlussvorhaben zum einen die Verstärkung
der marktbeherrschenden Stellung, die die GEW bei der Versorgung von Stromkleinkunden
innehat, durch Wegfall oder zumindest Dämpfung des von RWE ausgehenden
Wettbewerbsdrucks erwarten. Zum anderen ließ es die Verstärkung
marktbeherrschender Stellungen, die RWE zusammen mit E.ON auf bundesweiten
Märkten sowohl für die Belieferung von industriellen/gewerblichen
Großkunden als auch für die Belieferung von weiterverteilenden
Stromregionalversorgungsunternehmen und Stadtwerken innehaben, erwarten.
In der modifizierten Form (RWE-Beteiligung 20 %) begründet die Beteiligung
nach der seinerzeitigen Auffassung keinen "wettbewerblich erheblichen Einfluss"
von RWE auf die RheinEnergie. Bei dieser Wertung konnten die wettbewerblichen
Bedenken, die gegen das ursprüngliche Zusammenschlussvorhaben (RWE-Beteiligung
über 25 %) geltend zu machen waren, gegen das modifizierte Zusammenschlussvorhaben
nicht mehr vorgebracht werden. Die vorgenommene Wertung, dass RWE keinen
wettbewerblich erheblichen Einfluss auf die RheinEnergie erlangt, erfolgte
auch vor dem Hintergrund, dass das Zusammenschlussvorhaben eine nicht unerhebliche
Schwächung der RWE-Positionen im Hinblick auf die eingebrachten, bisher
vollständig kontrollierten Unternehmens- Assets bewirkte.
Die von der E.ON AG beabsichtigte Übernahme
der mittelbaren Mehrheit an der Ruhrgas AG durch Erwerb der unmittelbaren
Mehrheit an der Gelsenberg AG und der Bergemann GmbH (in erster Linie S.
170 f.) hat auch wettbewerblich kritische Auswirkungen auf die Stromwirtschaft
und war daher auch insoweit zu untersagen. Die marktbeherrschenden Stellungen,
die E.ON zusammen mit RWE auf den bundesweiten Strommärkten für
die Belieferung von Weiterverteilern und letztverbrauchenden Großkunden
innehat, werden dadurch verstärkt, dass E.ON mit der Gewinnung maßgeblichen
Einflusses auf Ruhrgas Einfluss auf den bedeutendsten inländischen
Anbieter der für die Stromerzeugung zukunftsträchtigsten Primärenergie
Erdgas gewinnt. Bereits jetzt verfügt das andere Duopolmitglied RWE
mit ihrer Tochter RWE-Gas und der Thyssengas über ein starkes Gewicht
auf dem inländischen Gasmarkt. Gaskraftwerke mit GuD-Technik gelten
nach verbreiteter Einschätzung aufgrund ihrer gegenüber Steinkohle-
und Braunkohle-Kraftwerken geringeren Investitionskosten, ihrer höheren
Umweltverträglichkeit (günstigere CO2-Immissionswerte im Vergleich
zu anderen fossilen Brennstoffen) und ihres besseren Wirkungsgrades als
aussichtsreichster Kraftwerkstyp der Zukunft bei anfallenden Ersatzinvestitionen
in einem bestehenden inländischen Kraftwerkspark oder beim Aufbau
zusätzlicher Kraftwerkskapazitäten im Mittellast- und oberen
Grundlastbereich. Bei einer adäquaten Preisstellung für Erdgas
würden deshalb zukünftige Neuinvestitionen in Kraftwerke vor
allem in GuD-Kraftwerke getätigt werden. Damit gewinnt das marktbeherrschende
Duopol - da als von Strominteressen unabhängiger überregionaler
Gasanbieter nur Wingas übrig bliebe - mit der Kontrolle auch über
Ruhrgas zusätzliche wettbewerbliche Verhaltensspielräume gegenüber
den übrigen inländischen etablierten Stromerzeugern und vor allem
gegenüber den unabhängigen Stromerzeugern (independent power
producers - IPP), die unter Nutzung der Primärenergie Erdgas insbesondere
letztverbrauchende Stromgroßkunden und Stromweiterverteiler als Kunden
aus derartigen Kraftwerken beliefern und umwerben können. So kann
einmal das Preisgefüge für Kraftwerksgas angehoben werden. Dies
ginge, da E.ON/Ruhrgas und RWE/ Thyssengas auf beiden Seiten des Weiterverteilergeschäfts
vertreten sind, in erster Linie zulasten der Stromwettbewerber. Zum anderen
können jedoch IPPs, die über kein eigenes Gasleitungsnetz verfügen,
durch ein höheres Niveau der Durchleitungsentgelte und durch komplizierte
sonstige Durchleitungskonditionen im Wettbewerb nachhaltig behindert werden.
Die marktbeherrschende Stellung des Duopols auf den betroffenen Strommärkten
wird durch das Zusammenschlussvorhaben auch dadurch verstärkt, dass
E.ON mit der Erlangung der mittelbaren Mehrheit an Ruhrgas auch die Beteiligungen
der Ruhrgas an stromversorgenden Stadtwerken (z. B. Stadtwerke Hannover
AG, Stadtwerke Duisburg AG, swb AG, Stadtwerke Chemnitz, Stadtwerke Remscheid)
zuzurechnen sind. Auf dem Markt für die Belieferung von Stromgroßkunden
ist damit zu erwarten, dass die betreffenden Stadtwerke dem marktbeherrschenden
Duopol nicht mehr als unabhängige Außenwettbewerber gegenüberstehen
werden. Im Hinblick auf den Markt für die Belieferung von Stromweiterverteilern
ist zu erwarten, dass hinsichtlich der Strommengen, die von den Stadtwerken
fremdbezogen werden, entweder eine Absicherung bestehender Stromlieferverhältnisse
eintritt oder eine strukturell abgesicherte Möglichkeit eröffnet
wird, diese Stadtwerke künftig zu beliefern. Der zweistufige Erwerbsvorgang
ist vom Bundeskartellamt mit Beschlüssen vom 17. Januar (E.ON/Gelsenberg)
und 26. Februar (E.ON/Bergemann) 2002 untersagt worden. Zum weiteren Verfahrensverlauf
siehe S. 170 f.
Das Bundeskartellamt hat das von der E.ON Energie
AG angemeldete Vorhaben, von dem finnischen Fortum-Konzern sämtliche
Anteile an deren deutscher Tochtergesellschaft, der Fortum Energie GmbH
zu übernehmen, freigegeben. Gegen den Erwerb durch E.ON bestanden
für sich betrachtet wettbewerbliche Bedenken wegen der mit der Übernahme
der Fortum Energie verbundenen mittelbaren Übernahme der Elektrizitätswerke
Wesertal GmbH (EWW), die in Ostwestfalen und Südniedersachsen die
Strom- und Gasversorgung betreibt und aufgrund einer mittelbaren Beteiligung
i. H. v. 16,7 % an dem Gemeinschaftskernkraftwerk Grohnde (KWG) gesicherten
Zugriff auf eine wettbewerbsfähige Stromerzeugungskapazität i.
H. v. 252 MW verfügt, aus der der eigene Strombedarf gedeckt werden
kann. Die Übernahme des Stromversorgungsgeschäfts von EWW ließ
erwarten, dass die nach Auffassung des Bundeskartellamtes bereits bestehende
marktbeherrschende Stellung, die E.ON zusammen mit RWE auf den bundesweit
abzugrenzenden Märkten der Belieferung von netzverbrauchenden Stromgroßkunden
bzw. Stromweiterverteilern innehat, infolge der Übernahme der auf
diesen Märkten von EWW eingenommenen Marktpositionen weiter verstärkt
wird. Auf dem Stromkleinkundenmarkt, abgegrenzt durch die Reichweite des
Niederspannungsnetzes der EWW, war zu erwarten, dass das Zusammenschlussvorhaben
die marktbeherrschende Stellung, die EWW in ihrem Versorgungsgebiet innehat,
verstärkt, denn mit E.ON entfällt künftig einer der beiden
größten inländischen potenziellen Wettbewerber um die Versorgung
von Wesertal-Kleinkunden. Im Gasbereich war zu erwarten, dass die mittelbare
Übernahme von EWW die marktbeherrschende Stellung, die das E.ON-Konzernunternehmen
Avacon auf dem durch ihr Gasleitungsnetz abgegrenzten regionalen Markt
der Belieferung von Gasweiterverteilern innehat, verstärkt wird. Avacon
ist einer der Gas-Vorlieferanten von EWW. Die konzernmäßige
Verbindung von Avacon mit EWW sichert den Gasabsatz von Avacon an EWW zulasten
anderer Gaslieferanten ab und schmälert die Absatzmöglichkeiten
konkurrierender Gasanbieter. E.ON hat aber neben der Übernahme der
Fortum Energie weitere, vor Vollzug der Übernahme der Fortum Energie
umzusetzende, strukturelle Maßnahmen ebenfalls zum Gegenstand der
Anmeldung gemacht. So hat E.ON eigene ausschließliche Nutzungsrechte
an zwei grenzüberschreitenden Stromhochspannungsleitungen aufgegeben.
Zusammen mit dem dänischen Netzbetreiber Eltra betreibt E.ON ein die
deutsch/dänische Grenze auf dem Landwege überschreitendes, für
Stromimporte nach Deutschland nutzbares 380/220 kV Höchst- und Hochspan-nungsleitungssystem
mit einer Transportkapazität in Richtung Deutschland von 1 200 MW.
Von dieser Leitungskapazität werden bereits derzeit aufgrund einer
Auflage der Europäischen Kommission 837 MW an interessierte Dritte
im Rahmen von Jahres-, Monats- und Tagesauktionen versteigert. 363 MW sind
zurzeit für E.ON zur ausschließlichen Nutzung reserviert. E.ON
wird sicherstellen, dass auch die für sie reservierte Kuppelstellen-Kapazität
in einem diskriminierungsfreien Auktionsverfahren versteigert wird. E.ON
und Unternehmen, die mit E.ON im aktienrechtlichen Sinn verbunden sind,
werden zudem für die Dauer von zehn Jahren nicht an den Auktionsverfahren
bezüglich dieser 363 MW teilnehmen. Weiterhin ist E.ON neben dem schwedischen
Stromerzeugungsunternehmen Sydkraft und dem norwegischen Stromerzeugungsunternehmen
Statkraft zu gleichen Teilen (je 33,3 %) Anteilseigner der Baltic Cable
AG, die ein Hochspannungsnetzkabel betreibt, das das deutsche und das schwedische
Hochspannungsnetz auf dem Seeweg miteinander verbindet. E.ON wird sein
Nutzungsrecht an Baltic Cable (in Richtung Deutschland ca. 120 MW) an die
Miteigentümerin Statkraft verkaufen. Im Gasbereich räumt EWW
Stadtwerken und industriellen Endkunden mit länger laufenden Bezugsverträgen
Sonderkündigungsrechte ein. Außerdem werden die Bedingungen
für Gasdurchleitungen im Netzgebiet der EWW verbessert. Nach Auffassung
des Bundeskartellamtes kompensieren diese vor Vollzug des Zusammenschlussvorhabens
umzusetzenden Maßnahmen die wettbewerbsschädlichen Wirkungen,
die mit der Übernahme der Fortum Energie und dem damit verbundenen
Zugriff auf die EWW verbunden sind. Im Strombereich wird die Öffnung
der bisher von E.ON exklusiv genutzten Kuppelstellen-Kapazität i.
H. v. 363 MW an der deutsch/dänischen (Jütland)-Grenze ausschließlich
für Wettbewerber es unabhängigen Stromhändlern und inländischen
Stromverbrauchern ermöglichen, in erheblichem Umfang zusätzliche
preisgünstige Strommengen nach Deutschland zu importieren. Das gegenüber
Deutschland günstigere Strompreisniveau in Dänemark (Jütland)
wird für eine ausreichende Nutzung dieser Importmöglichkeit sorgen.
Auch stehen in Dänemark (Jütland), gemessen an der dortigen Höchstlast,
ausreichende freie Kraftwerkskapazitäten und damit Strommengen zur
Verfügung, die für Importe nach Deutschland genutzt werden können.
Die zusätzlichen Strombezugsmöglichkeiten über das dänisch/deutsche
Kabel übersteigen mit 363 MW die Kapazität, die E.ON mit der
mittelbaren Übernahme der EWW und ihrem Kapazitätsanteil (252
MW) an dem wettbewerblich attraktiven KWG dem Außenwettbewerb, d.
h. der Möglichkeit zum Strombezug von außerhalb des Stromduopols
E.ON/RWE befindlichen Erzeugungskapazitäten, entzieht. Nach Auffassung
des Bundeskartellamtes kompensieren die Wettbewerbsimpulse, die sich aus
dieser zusätzlichen Möglichkeit des Bezugs preisattraktiven Stroms
aus Dänemark ergeben, weitgehend die oben dargestellten wettbewerbsschädlichen
Auswirkungen des Zusammenschlussvorhabens im Strombereich. Die zusätzlichen
Importstrommengen wirken sich sowohl auf den bundesweiten Strommärkten
für die Belieferung von Weiterverteilern und Industriekunden als auch
auf dem regionalen Kleinkundenmarkt im Versorgungsgebiet der EWW wettbewerbsbelebend
aus. Strukturell wettbewerbsfördernd wirkt sich auch die Übertragung
des der E.ON zustehenden Nutzungsanteils (120 MW) an dem das schwedische
und das deutsche Hochspannungsnetz verbindenden Seekabel "Baltic Cable"
auf den Mitgesellschafter Statkraft aus. Zwar steht diese Kapazität
künftig nicht - wie die frei werdende Kapazität auf dem deutsch/dänischen
Kabel - dem "freien" Stromimport durch interessierte Wettbewerber zur Verfügung.
Dennoch ist zu erwarten, dass der norwegische Stromerzeuger Statkraft die
ihm zuwachsende Leitungskapazität unter Nutzung des skandinavischen
Leitungssystems "Nordel" für Stromimporte nach Deutschland nutzen
wird. Zwar ist wegen der witterungsbedingten Abhängigkeit der zu einem
großen Teil auf Wasserkraft beruhenden Stromerzeugungskapazitäten
in Norwegen und Schweden nicht in der gleichen Weise wie in Dänemark
gesichert, dass preiswerte Überschussstrommengen für den Export
nach Deutschland ganzjährig im gleichen Umfang zur Verfügung
stehen. Von daher misst das Bundeskartellamt der Abgabe der Nutzungsrechte
am Baltic Cable durch E.ON nur eine eingeschränkte wettbewerbliche
Bedeutung zu. Im gewissen Umfang wird aber auch diese Maßnahme dazu
führen, dass der Außenwettbewerb gegenüber dem Duopol E.ON/
RWE gestärkt wird. Die im Gasbereich erwarteten wettbewerbsschädlichen
Auswirkungen des Zusammenschlussvorhabens werden vom Bundeskartellamt wegen
der für Avacon nur in relativ geringem Umfang gegebenen absatzsichernden
Wirkung nicht besonders hoch eingeschätzt. Das von EWW eingeräumte
Sonderkündigungsrecht für zurzeit von ihr belieferte Weiterverteiler
und Großkunden sowie die von EWW zur Förderung des Durchleitungswettbwerbs
in ihrem Versorgungsgebiet eingeführten und veröffentlichten
Durchleitungsregelungen genügen daher nach Auffassung des Bundeskartellamtes,
um die wettbewerbsschädlichen Wirkungen des Zusammenschlussvorhabens
im Gasbereich zu kompensieren. Insgesamt erfüllte das Zusammenschlussvorhaben
daher nicht die Untersagungsvoraussetzungen.
Der Erwerb der Mehrheit an der ZEAG Zementwerk
Lauffen - Elektrizitätswerk Heilbronn AG durch EnBW im Jahr 2002 drohte
nach Einschätzung des Bundeskartellamtes zu einer Verstärkung
der marktbeherrschenden Stellung der ZEAG auf dem Markt der Stromlieferung
an Kleinverbraucher zu führen, der regional mit dem ZEAG-Stromnetz
abzugrenzen war. Dabei spielte ein Rolle, dass unter den vorhandenen Wettbewerbern
auf diesem Markt die Beteiligungsunternehmen des EnBW-Konzerns einen bedeutenden
Anteil an den wenigen Kleinkunden erworben hatten, die einen neuen Stromlieferanten
als Alternative zu ZEAG gesucht hatten. Der Erwerber bot im Verfahren verschiedene
Maßnahmen wie die Veröffentlichung einer partiellen Absenkung
der Stromnetznutzungsentgelte und Sonderkündigungsrechte von Stadtwerken
in bestehenden Stromlieferverträgen an, die diese Bedenken reduzierten.
Gleichzeitig zeigten sich auf dem baden-württembergischen Zementmarkt
dekonzentrative Wirkungen, die i. S. d. Abwägungsklausel des §
36 Abs. 1 berücksichtigt wurden. Denn im Gefolge des Mehrheitserwerbs
an ZEAG musste EnBW auch den außenstehenden Aktionären der ZEAG
nach § 35 Abs. 2 Satz 2 WpÜG ein Übernahmeangebot machen,
das von Heidelberger Zement AG als Inhaber einer qualifizierten Minderheitsbeteiligung
an ZEAG, verbunden mit Sonderrechten, angenommen wurde. Heidelberger Zement
AG ist zusammen mit einem weiteren Zementhersteller im Raum Baden-Württemberg
marktbeherrschend. Das Bundeskartellamt hat das Vorhaben unter den Bedingungen
freigegeben, dass ZEAG gewisse Netznutzungsentgelte absenkt, das Netznutzungshandling
zugunsten externer Stromhändler anpasst und die EnBW-Vertriebsgesellschaft
einigen ihrer Weiterverteilerkunden ein Sonderkündigungsrecht einräumt.
2. Verhaltenskontrolle
a) Netznutzungsentgelte
Das Bundeskartellamt hat im Berichtszeitraum zunächst gegen 23 Netzbetreiber Vorverfahren wegen des Verdachts missbräuchlich überhöhter Netznutzungsentgelte eingeleitet, gegenwärtig sind zwölf Verfahren anhängig. Betroffen sind die zum E.ON-Konzern gehörenden Regionalversorger Avacon AG, e.dis Energie Nord AG und TEAG Thüringer Energie AG, die Energie Aktiengesellschaft Mitteldeutschland EAM, an der E.ON eine Beteiligung i. H. v. 46 % hält sowie die zum RWE-Konzern gehörenden Regionalversorger envia Energie Sachsen Brandenburg AG und die Mitteldeutsche Energieversorgung AG (MEAG), die mittlerweile fusioniert haben und nunmehr unter enviaM firmieren. Darüber hinaus sind der Regionalversorger HEAG Versorgungs AG, die Allgäuer Überlandwerke (AÜW), die Bewag sowie die Stadtwerke Mainz, Lindau und Lauenburg betroffen. Das Missbrauchsverfahren gegen die Elektrizitätswerk Wesertal GmbH wurde eingestellt, nachdem das Unternehmen seine Netznutzungsentgelte um bis zu 20 % abgesenkt hat. Mehrere Landeskartellbehörden haben gegen Netzbetreiber in den jeweiligen Bundesländern Missbrauchsverfahren bzw. Voruntersuchungen eingeleitet. Im Rahmen der Verfahren stellten sich eine Reihe von materiellen und verfahrensrechtlichen Problemen, die gerichtlich zu klären waren. Einige Unternehmen hatten Beschwerden gegen Auskunftsbeschlüsse des Bundeskartellamtes beim Oberlandesgericht Düsseldorf eingelegt. Sie vertraten die Auffassung, dass sie auf der Grundlage von § 19 Abs. 1, Abs. 4 Nr. 1, 2 und 4 i. V. m. § 20 Abs. 1 nicht zur Vorlage der Kalkulation ihrer Netznutzungsentgelte verpflichtet seien und dass eine Kostenkontrolle nachrangig gegenüber dem Vergleichsmarktkonzept sei. Das Oberlandesgericht Düsseldorf entschied in den von envia und e.dis angestrengten einstweiligen Verfahren, dass das Bundeskartellamt berechtigt ist, diese Unterlagen von den Unternehmen zu fordern. Aufgrund dieses Gerichtsbeschlusses haben mittlerweile alle dazu aufgeforderten Netzbetreiber die entsprechenden Unterlagen vorgelegt. (Beschluss vom 22. April 2002, WuW/E DE-R 914, Kart 2/02 [V] und vom 8. Mai 2002, Kart 5/02 [V]).
In einer weiteren Entscheidung wurde festgestellt,
dass mehrere Daten eines Verteilnetzbetreibers, u. a. Umsätze aus
Netznutzung in den jeweiligen Spannungsebenen, keine Geschäftsgeheimnisse
gegenüber Beigeladenen darstellen (Oberlandesgericht Düsseldorf,
Beschluss vom 22. Januar 2003, Kart 21/02 [V], EAM). Das Gericht bestätigte
außerdem die grundsätzliche Vertretbarkeit des Kriteriums "Netznutzungserlöse
pro km Leitungslänge" im Rahmen des Vergleichsmarktkonzepts, wenn
es um den Ansatz für eine Missbrauchsprüfung geht. Allerdings
wurde das Bundeskartellamt verpflichtet, zur Begründung eines Anfangsverdachts
zusätzlich etwaige Korrekturzuschläge, z. B. wegen Oberflächenstruktur,
abzuschätzen und darzulegen (Oberlandesgericht Düsseldorf, Beschluss
vom 22. Januar 2003, Kart 39/02 [V], HEAG).
Im August 2002 hat das Bundeskartellamt den Stadtwerken
Mainz eine Untersagungsverfügung wegen des Verdachts überhöhter
Netznutzungsentgelte angedroht. Die Ermittlungen hatten zuvor ergeben,
dass nach Anwendung des Vergleichsmarktkonzepts gem. § 19 Abs. 4 Nr.
2 die von den Stadtwerken Mainz erhobenen Netznutzungsentgelte deutlich
über jenen des Vergleichsunternehmens RWE Net AG liegen. Grundlage
für dieses Ermittlungsergebnis war der Vergleich der jeweils aus Netznutzungsentgelten
erzielten Erlöse in Beziehung zu der jeweiligen Länge des Verteilnetzes
(Erlös pro Kilometer Leitungslänge). Ein solcher erlösbasierter
Vergleich stellt gegenüber Vergleichen anhand einzelner Abnahmefälle
eine wesentliche Präzisierung dar, weil dadurch eine vollständige
Mengengewichtung der Netznutzungsentgelte vorgenommen wird. Die Mengengewichtung,
die eine Berücksichtigung der Kundenstruktur eines Netzbetreibers
darstellt, war zuvor nicht möglich, da die hierfür benötigten
Zahlen nicht öffentlich verfügbar waren. Die Kenngröße
"Erlöse pro Kilometer Leitungslänge" dient als relatives Maß
für die Effizienz eines Netzbetreibers: Da die erzielten Erlöse
der Deckung der Netzkosten dienen, weisen höhere Erlöse pro Kilometer
Leitung grundsätzlich auf höhere Kosten hin. Das Bundeskartellamt
geht ferner davon aus, dass die Netzkosten der Verteilnetzebene (Nieder-
und Mittelspannung) ganz wesentlich durch die Länge des Verteilnetzes
bestimmt werden. Im vorliegenden Verfahren hat das Bundeskartellamt ermittelt,
dass das Mainzer Unternehmen als Stadtwerk - gemessen an der zum Vergleich
herangezogenen RWE Net AG - deutlich höhere Umsätze aus der Netznutzung
erzielt. Die festgestellten Unterschiede bei den erzielten Umsätzen
pro Kilometer Leitung sind in ihrer Höhe teilweise gerechtfertigt,
da zugunsten der Stadtwerke Mainz die höheren Verlege- und Instandhaltungskosten
der Stromleitungen infolge der städtischen Oberflächenstruktur
im Vergleich zur größtenteils ländlichen Struktur des RWE-Versorgungsgebietes
zu berücksichtigen sind. Auch die im Vergleich zu RWE Net höheren
Entgelte des vorgelagerten Hochspannungsnetzbetreibers wurden zugunsten
der Stadtwerke Mainz angerechnet. Gleichwohl liegen - selbst bei Berücksichtigung
dieser Kostennachteile zugunsten der Stadtwerke Mainz - die Erlöse
der Stadtwerke Mainz pro Kilometer Leitungslänge noch über denjenigen
von RWE Net. Auch unter Berücksichtigung zwischenzeitlicher Absenkungen
der Entgelte besteht der Verdacht missbräuchlich überhöhter
Netznutzungsentgelte deshalb fort. Im Februar 2003 erging deshalb eine
Abmahnung an die Stadtwerke Mainz. Das Verfahren ist noch nicht abgeschlossen.
Die Angemessenheit der Netznutzungsentgelte der
Unternehmen e.dis, TEAG und EAM wird derzeit nach betriebswirtschaftlichen
Gesichtspunkten auf der Grundlage einer Kostenbetrachtung beurteilt. Maßstab
für die Kostenkontrolle sind zunächst die im Bericht der Arbeitsgruppe
Netznutzung niedergelegten Kriterien (Bericht der Arbeitsgruppe Netznutzung
Strom, S. 27 ff. - in Anlehnung an die "Arbeitsanleitung zur Darstellung
der Kosten- und Erlösentwicklung in der Stromversorgung" vom 10./11.
Juni 1997, erarbeitet durch die Strompreisreferenten der Bundesländer,
veröffentlicht in Obernolte/Danner, Elektrizitätswirtschaft).
Von diesen Kriterien weicht in mehreren Punkten die Anlage 3 der Verbändevereinbarung
(VV) II plus ("Preisfindungsprinzipien") ab. Unstimmigkeiten ergeben sich
bereits bei der Bewertung des Netzes und den Kosten für die Betriebsführung.
Die Preisfindungsprinzipien lassen eine eventuelle Überdimensionierung
des Netzes und eine eventuelle Doppelverrechnung von Kosten bzw. Ineffizienzen
außer Acht, was zu einer Überhöhung der in die Kalkulation
einfließenden Kosten führen kann. Weiter sehen die Preisfindungsprinzipien
bei der Berücksichtigung kalkulatorischer Kosten den Ansatz von Steuern
auf den Scheingewinn und Gewerbeertragsteuern vor, was schon im Rahmen
der Arbeitsanleitung 1997 abgelehnt wird. Diese Kostenpositionen sind in
der Regel in der Kalkulation der Netznutzungsentgelte enthalten. Die Preisfindungsprinzipien
stellen zur Ermittlung des betriebsnotwendigen Eigenkapitals als Grundlage
für die Ermittlung der kalkulatorischen Eigenkapitalverzinsung auf
Tagesneuwerte ab. Unterstellt, dass die Tagesneuwerte über den Anschaffungs-
bzw. Herstellungskosten liegen, führt dies zu einer Erhöhung
der kalkulatorischen Kosten und damit zu einer Erhöhung der Netznutzungsentgelte.
Dabei wird kalkulatorisch etwas verzinst, das im Unternehmen noch gar nicht
investiert worden ist. Schließlich beinhaltet der in den Preisfindungsprinzipien
vorgesehene Eigenkapitalzinssatz i. H. v. 6,5 % einen Wagniszuschlag (VV
II plus vom 20. Dezember 2001; bei Zugrundelegung eines 10-Jahres-Zinssatzes
von 4,8 % ergibt sich ein Wagniszuschlag von 1,7 %). Grundlage für
den angesetzten Wagniszuschlag ist das Gutachten einer Unternehmensberatung
(VDEW-Materialien M-19/2000 "Allgemeines Unternehmerwagnis bei der Kalkulation
von Durchleitungsentgelten - Kurzgutachten der PwC Deutsche Revision",
dessen Begründung aus Sicht des Bundeskartellamtes nicht plausibel
ist. So wird als relevantes Risiko beispielsweise die künftig beabsichtigte
Transparenz bei den Netznutzungsentgelten, die zu Preissenkungen zwingen
könnte, gezählt. Ob und ggf. in welcher Höhe ein Wagniszuschlag,
dessen Berechtigung in jedem Einzelfall nachzuweisen ist, anerkannt werden
kann, wird in den derzeit durchgeführten Missbrauchsverfahren geprüft. Im
Missbrauchsverfahren gegen die TEAG Energie AG erging insoweit im Dezember
2002 eine Abmahnung, die Gegenstand einer öffentlichen mündlichen
Verhandlung am 15. Januar 2003 war. Mit Entscheidung vom 14. Februar 2003
wurde der TEAG die Forderung missbräuchlich überhöhter Netznutzungsentgelte
untersagt. Im Verfahren hatte sich gezeigt, dass die TEAG dem Netz sachfremde
Kosten zugeordnet hat, die nach Auffassung des Bundeskartellamtes nicht
von den Netznutzern zu tragen sind. So wurden beispielsweise bei der Gemeinkostenzuordnung
Kosten für das Sportsponsoring der TEAG überproportional dem
Netz zugeordnet, obwohl das Sportsponsoring überwiegend dem Stromvertrieb,
in dem die TEAG im Wettbewerb steht, zugute kommt. Weiter wurden mehrere
kalkulatorische Kostenpositionen nicht anerkannt, auch soweit die TEAG
diese in Übereinstimmung mit den Preisfindungsprinzipien der VV Strom
II plus ihrer Kalkulation zugrunde gelegt hat. So gab es Korrekturbedarf
bei der Ermittlung der Eigenkapitalverzinsung. Weiter wurden ein kalkulatorischer
Wagniszuschlag sowie der Ansatz kalkulatorischer Gewerbeertragssteuern
nicht anerkannt. Damit wurde in diesem Verfahren inzident die Missbräuchlichkeit
bestimmter Punkte der Preisfindungsprinzipien der VV Strom II plus festgestellt.
Mit Abzug dieser Kostenpositionen vermindern sich die anerkennungsfähigen
Netzkosten der TEAG, die die Grundlage für die Berechnung der Netznutzungsentgelte
bilden, um ca. 10 %. Das Bundeskartellamt hat sich die Prüfung weiterer
Elemente der Kostenkalkulation der TEAG vorbehalten. Die Entscheidung wurde
für sofort vollziehbar erklärt.
Im Zuge des gegen sie eingeleiteten Missbrauchsverfahrens
hat die e.dis Energie Nord AG Preissenkungen vorgenommen. Gleichzeitig
hat e.dis auf erhebliche gebietstrukturelle Nachteile im Verhältnis
zum Vergleichsunternehmen EWE verwiesen. Im Ergebnis wurde die Überprüfung
auf Netznutzungsentgelte bei nicht leistungsgemessenen Kunden beschränkt.
Eine abschließende Entscheidung über den gesamten Fall konnte
noch nicht getroffen werden, weil sich insoweit eine weitergehende Prüfung
im Rahmen einer Kostenkontrolle als notwendig erwies, deren Zulässigkeit
das Oberlandesgericht Düsseldorf in einem über diese Frage von
e.dis angestrengten Rechtsstreit eindeutig bejaht hat. Die Prüfung
der Kosten und ihrer Zuordnung ist noch nicht abgeschlossen.
b) Lieferantenwechsel
Im Dialog zwischen der beim BMWA eingerichteten
Arbeitsgruppe Task Force Netzzugang und Netzbetreibern, Abnehmern sowie
Stromhändlern wurden Schnittstellenbeschreibungen für den Lieferantenwechsel
ausgearbeitet (so genannte Best-Practice-Kataloge: Best-Practice-Empfehlung
"Datenformate und Vorlage von Originaldokumenten" [April 2000], Best-Practice-Empfehlung
"Fristen für den Lieferantenwechsel und Kriterien zur Lieferstellenidentifizierung"
[August 2002], beide unter www.bmwi.de/Politikfelder/Energiepolitik/ Liberalisierung/Netzzugang.jsp).
Damit soll der Lieferantenwechsel standardisiert werden. Nach Auffassung
der Task Force und des Bundeskartellamtes sind diese Empfehlungen geeignet,
eine vorübergehende Lösung der Transferprobleme beim Massengeschäft
zu bewirken. Voraussetzung ist allerdings eine zügige Umsetzung der
Empfehlungen durch die Netzbetreiber.
c) Mess-und Verrechnungspreise
Das Bundeskartellamt hat das im Juli 2002 eingeleitete Verwaltungsverfahren gegen die Netzgesellschaft RWE Net AG wegen des Verdachts missbräuchlich überhöhter Mess-und Verrechnungspreise im Februar 2003 mit einer Untersagungsverfügung abgeschlossen. RWE Net wurde nach §§ 19 Abs. 1,4 Nr. 1,2 und 4 sowie 20 Abs. 1 untersagt, von Wettbewerbern der RWE-Vertriebsgesellschaften (z. B. RWE Plus AG) im Rahmen der Belieferung von nichtleistungsgemessenen Stromkunden (insbesondere Haushalts-und Gewerbekunden) überhöhte Entgelte für Mess- und Verrechungsleistungen bei Ein- und Zweitarifzählern zu fordern. Auf Basis des Vergleichsmarktkonzepts des § 19 Abs. 4 Nr. 2 sind die Preise für Eintarifzähler von 36,00 Euro pro Jahr (Euro/Jahr) auf 22,90 Euro/Jahr (Absenkung um 36,4 %) und für Zweitarifzähler von 72,00 Euro/Jahr auf 37,41 Euro/Jahr (- 48 %) zu senken.
Die Verfügung betrifft den Preishöhenmissbrauch auf den Märkten für netzbezogene Mess- und Verrechnungsleistungen (Anschaffung, Installation und Wartung der Zähler, kaufmännische Leistungen wie Ablesung des Zählers, Inkasso). Diese Märkte sind von denen für die bloße Nutzung der Stromnetze zu trennen. So können auch stromfremde Dienstleistungsunternehmen diese Leistungen erbringen. RWE Net trug vor, ihre Preise seien sachlich gerechtfertigt, da sie nicht die (kalkulatorischen) Kosten deckten. Jedoch greift dieser Einwand auf Basis der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs im Fall "Flugpreisspaltung" (BGH WuW/E DE-R 375 ff.) nicht durch. Schon beim günstigeren Vergleichsunternehmen Thüringer Energie AG (TEAG) bestehen u. a. wegen der auf die VV Strom II plus gestützen Kalkulation keine Anhaltspunkte für eine Verlustpreisstrategie. Vielmehr ergeben sich erhebliche Zweifel, ob RWE Net die Kosten zwischen Netzbetrieb und Stromvertrieb ordnungsgemäß zuordnet. So erbringt über 50 % des Leistungsbündels die Vertriebsgesellschaft RWE Plus als Dienstleistung für die Netzgesellschaft. Auch ist fraglich, ob RWE die Rationalisierungsreserven, die sich z. B. aus der Fusion RWE/VEW ergeben, hinreichend an die Netznutzer in Form niedrigerer Preise weitergegeben hat.
Das Bundeskartellamt hat gem. § 65 Abs. 1 den
Sofortvollzug seiner Verfügung angeordnet. Er liegt im öffentlichen
Interesse, da es um die erstmalige Schaffung von wettbewerblichen Strukturen
in einem bis zur Liberalisierung vollständig abgeschotteten Strommarkt
geht. Denn weit überhöhte Mess- und Verrechnungspreise behindern
Wettbewerber i. S. d. §§ 19 Abs. 4 Nr. 1 und 20 Abs. 1 auf dem
Markt für die Strombelieferung von Haushalts- und Gewerbekunden erheblich.
Die Endkundenpreise der Wettbewerber werden bis zu 75 % von den RWE Net-Preisen
für Messung und Verrechnung und Netznutzung bestimmt. Davon entfällt
mit bis zu 19 % ein gewichtiger Teil des Kostenblocks auf die Fixkosten
Messung und Verrechnung. Die erhebliche Behinderungswirkung verdeutlicht
der weit unter 5 % liegende Marktanteil der Necomer im RWE Net-Gebiet.
RWE Net hat gegen die Verfügung Beschwerde eingelegt.
d) Regelenergie
Im Herbst 2001 hat das Bundeskartellamt auf Basis der §
19 Abs. 1 i. V. m. Abs. 4 und § 20 Abs. 1 gegen die Bewag AG, die EnBW Transportnetze
AG, die Hamburgische Electricitäts- Werke AG (HEW), und die VEAG Vereinigte Energiewerke
AG Verfahren eingeleitet wegen des Verdachts, dass diese Unternehmen ihren Wettbewerbern
unangemessene und zum Teil fiktive Kosten für Regelenergie in Rechnung stellen.
Da Strom nicht speicherbar ist, müssen die auftretenden Differenzen zwischen
der Einspeisung von Elektrizität auf Basis einer Prognose und der tatsächlichen
Stromentnahme durch die Kunden kurzfristig ausgeglichen werden (so genannte Ausgleichs-
bzw. Regelenergie). Dies nimmt als Übertragungsnetzbetreiber jedes der deutschen
Verbundunternehmen in seiner Regelzone durch kurzfristige Erhöhung bzw. Senkung
von Kraftwerksleistung vor. Hierbei verfügt der jeweilige Netzbetreiber über
eine Alleinstellung bei der Beschaffung und Bereitstellung dieser Regelenergie. Anders
als die großen Verbundunternehmen können Newcomer wie die Beschwerdeführerin
LichtBlick aufgrund ihres kleinen Kundenportfolios ungeplante Strommehr- und Stromminderentnahmen
der Kunden wegen geringer Durchmischungseffekte weniger gut ausgleichen und haben
folglich einen höheren Regelenergiebedarf. Sie würden durch unangemessene
Preise für die unverzichtbare Regelenergie erheblich belastet. Nach Auffassung
des Bundeskartellamts beinhaltete die Ausgestaltung von zentralen Elementen des Preissystems,
dass EnBW sowie die drei zum schwedischen Vattenfall-Konzern gehörenden Unternehmen
Bewag, HEW und Veag ihre marktbeherrschende Stellung als jeweils alleiniger Anbieter
von Regelenergie in ihrem Übertragungsnetzgebiet missbräuchlich i. S. d.
§ 19 Abs. 1 i. V. m. Abs. 4 ausnutzen und LichtBlick i. S. d. § 20 Abs.
1 bei der Belieferung von Strom-Endkunden in den jeweiligen Netzgebieten unbillig
behindern. Konkret richteten sich die kartellrechtlichen Bedenken gegen das Verweigern
der Saldierung aller Bilanzkreise der jeweiligen Regelzone, gegen das Fordern eines
Leistungspreises für die durch einen Bilanzkreis bezogene Ausgleichsenergie und
gegen differierende Arbeitspreise (so genanntes spread) bei der Abrechnung von Strommehr-
und Strommindermengen. So lag bei allen vier Unternehmen die Vergütung für
ungeplante Übereinspeisungen der Händler weit unter dem Marktpreis für
Regelenergie. Aus der Differenz zwischen den hohen Preisen für die Inanspruchnahme
von Regelenergie und der geringen Vergütung für Mehreinspeisungen resultierten
erhebliche Mehrerlöspotenziale für die Übertragungsnetzbetreiber. Zur
Rechtfertigung verwiesen die Unternehmen insbesondere darauf, dass ihr Abrechnungssystem
den Regelungen der VV Strom II bzw. VV Strom II plus entspreche. Das Bundeskartellamt
hat die Verfahren im Februar 2002 bzw. August 2002 eingestellt, nachdem zunächst
EnBW und später die zukünftige gemeinsame Übertragungsnetzgesellschaft
von Bewag, HEW und Veag, die Vattenfall Europe Transmission GmbH (VET), erklärt
hatten, künftig ein Ausschreibungssystem zur Beschaffung von Regelenergie zu
praktizieren und die Netznutzung so abzurechnen, wie dies
seit längerer Zeit von den beiden größten Übertragungsnetzbetreibern
RWE Net und E.ON Netz praktiziert wird. Gleichzeitig sicherten die vier Übertragungsnetzbetreiber
zu, rückwirkend ein Abrechnungssystem anzuwenden, das die negativen Auswirkungen
der bisherigen Abrechnung von Regelenergie weitgehend beseitigt.
e) Sonstige Beschwerden
Seit der Liberalisierung des Strommarktes im Jahr 1998 gab es eine Reihe von Fällen, in denen Netzbetreiber Zugangsbegehrenden die Nutzung ihres Stromnetzes verweigert haben. Eine solche Netzzugangsverweigerung stellt einen Missbrauch i. S. d. § 19 Abs. 1, Abs. 4 Nr. 4 dar, soweit nicht im Rahmen der Interessenabwägung Rechtfertigungsgründe, insbesondere nach § 6 Abs. 1 S. 2 EnWG, eingreifen. Das Bundeskartellamt hatte 1999 in dem Verfahren Bewag./.RWE (Beschluss vom 30. August 1999 - B 8 - 40 100 - T - 99/99 - RdE Nr. 1/2000, S. 31 ff.) sowie in drei Parallelverfahren gegen Bewag entschieden, dass ein Missbrauch auch dann vorliegt, wenn der Netzbetreiber sich unter Hinweis auf den Eigenbedarf der verfügbaren Netzkapazitäten weigert, einem Interessenten Netzzugang zu gewähren. Dem Netzbetreiber wurde aufgegeben, die Mitbenutzung seines Netzes zu ermöglichen. Auch die Kartellrechtsprechung sieht in der Verweigerung der Netznutzung durch den Netzbetreiber eine missbräuchliche Ausnutzung einer marktbeherrschenden Stellung, die zudem gegen § 6 Abs. 1 Satz 1 EnWG verstößt (Kammergerich, Kart U 65160/00, Urteil vom 24. Oktober 2002; Oberlandesgericht Dresden, U 1693/01, Urteil vom 13. September 2001; Landgericht Kiel, 14 O Kart 68/01, Urteil vom 9. Mai 2001; Landgericht Leipzig, 05 O 4691/00, Urteil vom 15. Mai 2001). Mittlerweile hat die Verweigerung der Netznutzung durch den Stromnetzbetreiber erheblich an Bedeutung verloren. Sie tritt nur noch in wenigen Einzelfällen, insbesondere bei kleineren Stadtwerken, auf. Entsprechende Probleme können inzwischen in der Regel außerhalb förmlicher Verfahren durch Schreiben der Kartellbehörden mit Hinweis auf die Rechtslage beigelegt werden.
Die Erhebung von Wechselgebühren sowie das Fordern von Netznutzungsvereinbarungen zwischen Netzbetreiber und Endkunde im Rahmen eines so genanntes "Doppelvertragsmodells" stellt nach Auffassung des Bundeskartellamtes ebenfalls eine missbräuchliche Ausnutzung einer marktbeherrschenden Stellung dar. Nach der neuen VV Strom II plus spielen diese Hemmnisse jedoch nur noch in seltenen Fällen eine Rolle.
Schließlich gingen beim Bundeskartellamt eine
Vielzahl von Beschwerden und Anfragen, insbesondere von Endverbrauchern,
ein. In den meisten Fällen können diese mit einem Hinweis auf
die Sach- und Rechtslage, insbesondere auf die Möglichkeit und Verfahrensweise
eines Lieferantenwechsels, erledigt werden. In anderen Fällen versucht
das Bundeskartellamt, zwischen den Beteiligten zu vermitteln und so zu
einer Lösung zu gelangen. Es steht dabei in engem Kontakt mit der
bei dem Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit eingerichteten
Task Force Netzzugang. Die Task Force moderiert im Hinblick auf die Optimierung
des Netzzugangs zwischen den beteiligten Verbänden und überwacht
die effiziente Handhabung des bei der Vereinigung der Deutschen Elektrizitätswerke
(VDEW) angesiedelten Beschwerdemanagements.
3. Kartellverbot und Kooperation
Das Bundeskartellamt hat die Zusammenarbeit der
entega GmbH, einem Gemeinschaftsunternehmen der HEAG Versorgungs- AG und
der Stadtwerke Mainz, in das diese ihre Energievertriebsaktivitäten
eingebracht haben, und der Stadtwerke München in der citiworks AG
auch als Rationalisierungskartell nach § 5 freigegeben, nachdem das
Vorhaben bereits zuvor unter fusionsrechtlichen Gesichtspunkten freigegeben
worden war (Tätigkeitsbericht 1999/2000, S. 135). In der citiworks
AG haben die Gesellschafter entega und Stadtwerke München die Geschäftsbereiche
der Strom- und Gasbelieferung an Großkunden mit bundesweiter Abnahmestruktur,
den Energiehandel, die Steuerung der Stromeigenerzeugung und die Energiebeschaffung
gebündelt. Die Gesellschafter haben sich verpflichtet, ihre Energie
für die nächsten fünf Jahre ausschließlich bei der
citiworks AG zu beziehen. Nach Ansicht des Bundeskartellamtes führte
das Vorhaben auf den sachlich relevanten Märkten der Belieferung von
Großkunden mit Strom und Gas sowie den Nachfragemärkten des
Bezuges von Strom und Gas durch Wiederverkäufer zu einer spürbaren
Wettbewerbsbeschränkung. Die Kooperation in der citiworks AG verstieß
daher gegen das Kartellverbot des § 1. Eine Freistellung kraft Gesetzes
nach § 4 Abs. 2 hinsichtlich der Einkaufsseite (Beschränkung
des Nachfragewettbewerbs) kam nicht in Betracht, weil die beteiligten Unternehmen
entega und Stadtwerke München keine kleinen und mittleren Unternehmen
sind und außerdem ein Bezugszwang bestand. Das Bundeskartellamt sah
jedoch die Voraussetzungen für eine Freigabe als Rationalisierungskartell
nach § 5 als gegeben an. Die bloße Zusammenfassung der Einkaufsvolumina
hat das Bundeskartellamt zwar nicht als Rationalisierungsgrund anerkannt.
Durch die Aufgabenverlagerung auf die citiworks AG fand aber auch eine
Rationalisierung wirtschaftlicher Vorgänge in den miteinander verbundenen
Bereichen Energievertrieb an Großkunden, Energiehandel, Stromeigenerzeugung
und Energiebeschaffung statt. Da die Rationalisierung auch zu einer wesentlichen
Hebung der Leistungsfähigkeit führte und der Rationalisierungserfolg
angesichts der Dominanz der beiden Verbundunternehmen RWE und E.ON auf
den betroffenen Märkten auch in angemessenem Verhältnis zur Wettbewerbsbeschränkung
stand, konnte das Bundeskartellamt die Kooperation von entega und Stadtwerke
München in der citiworks AG für fünf Jahre vom Kartellverbot
des § 1 nach § 5 freistellen.
C. Gaswirtschaft
Die angemeldeten Vorhaben der E.ON AG, jeweils Mehrheiten an der Gelsenberg AG und der Bergemann GmbH zu erwerben und damit in den Besitz der mittelbaren Mehrheit an der Ruhrgas AG zu gelangen, sind vom Bundeskartellamt durch Beschlüsse vom 17. Januar 2002 (E.ON/Gelsenberg) und 26. Februar 2002 (E.ON/Bergemann) untersagt worden. Sie ließen im Gasbereich auf einer Reihe von sachlich und räumlich relevanten Märkten die Verstärkung marktbeherrschender Stellungen erwarten. So wäre die marktbeherrschende Stellung der Ruhrgas in ihrem Ferngasleitungsnetz bei der Erstbelieferung von Gasweiterverteilern verstärkt worden. Ruhrgas beliefert innerhalb ihres Leitungsnetzes nahezu alle relevanten Wiederverkäufer. Durchleitungen oder Gasabsatz über Gasleitungen anderer überregional tätiger Ferngasgesellschaften finden nur in geringem Umfang statt. Neben dem die Schwelle der Marktbeherrschungsvermutung erheblich übersteigenden Marktanteil ist Ruhrgas aber auch bei den anderen die Marktmacht eines Ferngasunternehmens bestimmenden Faktoren den Wettbewerbern weit überlegen. Unter anderem besitzt sie allein einen überragenden Zugang zu allen für die Belieferung Deutschlands infrage kommenden Gasförderquellen und hält auch als einziges deutsches Ferngasunternehmen eine strategische Beteiligung an einem bedeutenden Gasförderer (Gasprom). Eine Verstärkung dieser marktbeherrschenden Stellung durch die Zusammenschlussvorhaben wäre eingetreten, da die mittelbare Kapitalverbindung zwischen E.ON und Ruhrgas den Absatz der bereits bisher von Ruhrgas an Konzern- und Beteiligungsunternehmen (ab 10 %) der E.ON gelieferten Gasmengen absichert und ihr darüber hinaus die Chance eröffnet, künftig einen höheren Anteil als bisher an den von E.ON-Konzern- und Beteiligungsunternehmen für ihre Vertriebstätigkeit benötigten Gasmengen zu erlangen. Es war davon auszugehen, dass E.ON bei künftigen Entscheidungen über den Abschluss von Gasbezugsverträgen die Belange seines Beteiligungsunternehmens Ruhrgas berücksichtigen würde. Schon die Absicherung der bereits jetzt an E.ON-Konzern- und Beteiligungsunternehmen gelieferten Gasmengen ist bedeutend. Sie macht etwa ein Drittel des gesamten aktuellen Gasabsatzes der Ruhrgas an Weiterverteiler aus. Das durch die Unternehmensverbindung darüber hinaus erschließbare Absatzpotenzial gegenüber E.ON-Konzern- und Beteiligungsunternehmen ist noch deutlich größer. Damit führt die Verbindung von E.ON mit Ruhrgas zu einem für den Wettbewerb gefährlichen Ausmaß an vertikaler Integration mit einer erheblichen Marktverschlusswirkung für aktuelle und potenzielle Wettbewerber. In einer Phase beginnender Liberalisierung auf den Gasmärkten werden damit die Chancen für wirksamen Wettbewerb durch andere Ferngasunternehmen von vornherein deutlich verschlechtert. Die bereits marktbeherrschende Stellung der Ruhrgas wird dadurch zementiert. Das Zusammenschlussvorhaben verstärkt auch marktbeherrschende Stellungen von E.ON-Konzern- und Beteiligungsunternehmen, die im Netzbereich der Ruhrgas liegen (z. B. die Konzernunternehmen Avacon, Schleswag, Heingas Hamburger Gaswerke, Niederrheinische Gas- und Wasserwerke), bei der Belieferung von letztverbrauchenden Gasgroßkunden einerseits und von lokalen Gasweiterverteilern andererseits durch Wegfall des von Ruhrgas ausgehenden potenziellen Wettbewerbs. Bei der Belieferung von letztverbrauchenden Großkunden werden die bestehenden marktbeherrschenden Stellungen der E.ON-Unternehmen, die neben der Gasversorgung auch die Stromversorgung betreiben (z. B. Avacon, Schleswag), künftig auch dadurch verstärkt, dass diese aufgrund verbesserter Möglichkeiten zum Angebot von Kombinationsleistungen aus Gas- und Stromlieferungen gegenüber anderen Gasanbietern einen weiteren Wettbewerbsvorsprung gewinnen. Als Folge des Zusammenschlusses fiele auch die Beteiligung der Ruhrgas am Ferngasunternehmen VNG Verbundnetzgas AG (VNG) i. H. v. knapp 37 % unter die Kontrolle von E.ON. Die heutige E.ON-Beteiligung an VNG von ca. 5 % würde sich auf insgesamt ca. 42 % erhöhen. Daher wäre auch eine Verstärkung der marktbeherrschenden Stellung, die VNG bei der Belieferung von Gasweiterverteilern innerhalb ihres Leitungssystems innehat, durch Sicherung des Absatzes an E.ON-Konzern- und Beteiligungsunternehmen, zu erwarten.
Schließlich würden die marktbeherrschenden Stellungen von E.ON-Konzern- und Beteiligungsunternehmen, die im Ferngasleitungsnetz der VNG liegen (z. B. HGW Hansegas GmbH, Ostmecklenburgische Gasversorgung AG), bei der Belieferung von industriellen/gewerblichen Großkunden und lokalen Weiterverteilern durch den Wegfall potenziellen Wettbewerbs der VNG verstärkt. Die Zusammenschlussvorhaben konnten auch nicht unter Auflagen freigegeben werden. Die von E.ON angebotenen Auflagen zur Vermeidung der Untersagungsverfügungen waren weit davon entfernt, die durch die Zusammenschlüsse bewirkten Verstärkungen marktbeherrschender Stellungen zu beseitigen oder aufzuwiegen. Nach Erlass der Untersagungsbeschlüsse durch das Bundeskartellamt ist im Hinblick auf beide Erwerbsvorgänge von beteiligten Unternehmen beim Bundesminister für Wirtschaft und Technologie ein Antrag auf Erteilung einer Erlaubnis nach § 42 gestellt worden. Mit Verfügung vom 5. Juli 2002, modifiziert durch Verfügung vom 18. September 2002, hat der Minister die beantragte Erlaubnis aufgrund festgestellter gesamtwirtschaftlicher Vorteile unter Auflagen erteilt. Nachdem gegen beide Verfügungen zunächst Beschwerden beim Oberlandesgericht Düsseldorf eingelegt worden waren, haben die Beschwerdeführer nach dem Abschluss außergerichtlicher Vergleichsverhandlungen mit E.ON ihre Beschwerden zurückgenommen. E.ON hat daraufhin den Erwerb sämtlicher Anteile an der Gelsenberg AG und der Bergemann GmbH vollzogen. Nachdem E.ON anschließend auch die von der Deutsche Shell AG und der Schubert Beteiligungs GmbH gehaltenen Anteile an Ruhrgas erworben hat, ist E.ON nunmehr (zum Teil mittelbar, zum Teil unmittelbar) zu 100 % an Ruhrgas beteiligt.
Die Gaz de France (Frankreich) meldete die Aufstockung der von einem Tochterunternehmen gehaltenen Beteiligung von rund 44 % an dem Gas-Regionalversorger EMB Erdgas Mark Brandenburg GmbH auf knapp unter 80 % an. Veräußerin war die RWE Gas AG, die aufgrund eines öffentlich-rechtlichen Vertrages mit dem Bundeskartellamt aus einem früheren Fusionsvorhaben verpflichtet war, ihre Beteiligung an EMB in voller Höhe abzugeben. In einem weiteren Schritt sollte die von der Gaz de France mittelbar mitbeherrschte GASAG Berliner Gaswerke AG diese EMB-Anteile übernehmen. Es war nicht auszuschließen, dass das Zusammenschlussvorhaben in einzelnen Teilmärkten zu einer Verstärkung marktbeherrschender Stellungen der Zusammenschlussbeteiligten EMB und GASAG führen könnte. So waren angesichts der Tätigkeit beider Unternehmen in der Endkundenversorgung Berührungspunkte vor allem in den jeweiligen Grenzgebieten denkbar, sodass sie als zumindest potenzielle Wettbewerber angesehen werden konnten. Insofern wäre jedenfalls eine mögliche Verstärkung der marktbeherrschenden Stellung der EMB im brandenburgischen Endkundenmarkt durch Wegfall vorstoßenden Wettbewerbs seitens der GASAG nicht von der Hand zu weisen. Andererseits war der Erwerb der Mehrheit an EMB durch Gaz de France angesichts der sonstigen denkbaren Beteiligungskonstellationen (VNG, E.ON/EWE oder RWE als Mehrheitsgesellschafter) noch als bestmögliche Lösung anzusehen, da auf diese Weise ein finanzstarker Außenwettbewerber gestärkt im nordostdeutschen Gasmarkt auftreten würde und Vorstöße in die angrenzenden Versorgungsgebiete von E.ON/EWE und RWE unternehmen könnte. Da der angemeldete Zusammenschluss insoweit gleichzeitig zu einer Verbesserung der Wettbewerbsbedingungen im nordostdeutschen Gasmarkt führen dürfte, konnte die Freigabe innerhalb der Monatsfrist erfolgen.
VNG Verbundnetz Gas AG meldete den Erwerb einer Beteiligung i. H. v. zunächst 21,35 % an der vor allem im Energiehandel tätigen Energieunion AG, mit der Option einer späteren Absenkung der Beteiligung auf 20 %, an. Das Bundeskartellamt sah hier den Zusammenschlusstatbestand des § 37 Abs. 1 Nr. 4 und die Untersagungsvoraussetzungen des § 36 Abs. 1 als gegeben an. Zum einen wäre davon auszugehen gewesen, dass VNG in ihrer Rolle sowohl als Gasvorlieferantin der Energieunion als auch (potenziell) konkurrierende Anbieterin von Gas über ihre Minderheitsbeteiligung einen wettbewerblich erheblichen Einfluss auf Energieunion hätte ausüben können. Zum anderen hätte der Zusammenschluss durch Sicherung ihres Absatzkanals und Wegfall eines potenziellen Wettbewerbers die ohnehin bestehenden marktbeherrschenden Stellungen der VNG auf den Weiterverteiler- und Industriekundenmärkten in Ostdeutschland verstärkt. Zur Vermeidung einer Untersagung modifizierte VNG das angemeldete Vorhaben dergestalt, dass die Höhe der Beteiligung von Anfang an auf 20 % beschränkt wurde und durch Verzicht auf Sperrrechte und Entsendungsrechte für Aufsichtsratsmitglieder in der Satzung sämtliche Plusfaktoren eliminiert wurden, die VNG über die 20 %-Beteiligung hinaus einen wettbewerblich erheblichen Einfluss i. S. d. § 37 Abs. 1 Nr. 4 verschafft hätten.
Ebenfalls im Berichtszeitraum hat die VNG Verbundnetz Gas AG den beabsichtigten Erwerb weiterer 4,9 % der Anteile an dem regionalen Gasversorgungsunternehmen EMB Erdgas Mark Brandenburg GmbH und damit die Erhöhung ihrer Beteiligung auf 24,9 % angemeldet. Nach Auffassung des Bundeskartellamtes erfüllte das Vorhaben den Zusammenschlusstatbestand des § 37 Abs. 1 Nr. 4 GWB. Der wettbewerblich erhebliche Einfluss ergab sich bereits aus der Höhe der von der Vorlieferantin VNG dann gehaltenen Beteiligung von knapp 25 % an ihrer Abnehmerin EMB und der aufgrund dieses Vertikalverhältnisses zu erwartenden gegenseitigen Rücksichtnahme auf die beiderseitigen wettbewerblichen Interessen. Dabei war weniger die rechtliche Stellung der VNG als Anteilseignerin der EMB ausschlaggebend, sondern vielmehr die tatsächliche Möglichkeit, über ihre Gesellschafterstellung in ihrem Sinne auf die EMB einzuwirken und so durch Beeinflussung der internen Willensbildung die eigenen Wettbewerbsinteressen zur Geltung zu bringen.
Durch das Zusammenschlussvorhaben wäre nach Auffassung des Bundeskartellamtes die bestehende marktbeherrschende Stellung der VNG bei der Belieferung von Weiterverteilern (Regionalversorgern und Stadtwerken) in ihrem Netzgebiet verstärkt worden. Mit der erhöhten Beteiligung an EMB hätte VNG über die tatsächliche Möglichkeit verfügt, Entscheidungen über Fortsetzung oder Neuabschluss von Lieferverträgen in ihrem Sinne zu beeinflussen und damit ihre Lieferbeziehung abzusichern. Konkurrierenden Anbietern wäre damit der Marktzugang erschwert worden.
Weiterhin sah das Bundeskartellamt die Auswirkungen des Zusammenschlusses auf den Wettbewerb zwischen den Beteiligten bei der Belieferung von Sondervertragskunden als problematisch an. Bei Umsetzung des Zusammenschlusses wäre mit dem möglichen Wettbewerber VNG für EMB in ihrem Versorgungsgebiet auch eine hinreichende Kontrolle ihres wettbewerblichen Verhaltensspielraumes entfallen. Das Zusammenschlussvorhaben ließ daher zusätzlich die Entstehung einer marktbeherrschenden Stellung der EMB bei der Gasbelieferung industrieller Sondervertragskunden erwarten. Damit wären die Untersagungsvoraussetzungen des § 36 Abs. 1 erfüllt gewesen. Zur Kompensation der genannten negativen wettbewerblichen Auswirkungen erfolgte die Freigabe unter Auflagen: Die durch das Zusammenschlussvorhaben zu erwartenden negativen Auswirkungen auf den Wettbewerb im Netzgebiet der VNG werden durch angekündigte Verbesserungen beim Netzzugang für konkurrierende Anbieter von Erdgas v. a. in den Bereichen Dispatching und Bilanzmengenausgleich in natura kompensiert. Die - rechtlich vorgesehene - Mitbenutzung der vorhandenen Netze bleibt damit keine abstrakte Rechtsposition, die nach den bisherigen Erfahrungen mit der Liberalisierung der Gaswirtschaft in der Praxis kaum umgesetzt wird. Vielmehr wird die Mitbenutzung des Gasnetzes der VNG dadurch zu einem real angebotenen Marktvorgang, der geeignet ist, die marktverschließenden Effekte des angemeldeten Zusammenschlusses durch vereinfachte und standardisierte Netzzugangsmöglichkeiten für Dritte zu heilen. Damit waren die Untersagungsvoraussetzungen des § 36 Abs. 1 nicht mehr gegeben.
Im Fall der Übernahme der Mehrheit an den Stadtwerken Düren GmbH durch RWE Plus AG wurde eine Verstärkung der marktbeherrschenden Stellung der von RWE mitbeherrschten Thyssengas GmbH, die das Stadtwerk überwiegend mit Gas beliefert, insbesondere auf dem regional abzugrenzenden Markt der Belieferung von Weiterverteilern mit Erdgas festgestellt. Die Verstärkungswirkung wurde durch Auflagen gegenüber der Stadtwerke Düren GmbH kompensiert, die die von der Europäischen Kommission festgelegten, die Netzöffnung verbessernden Auflagen gegenüber der Thyssengas GmbH auf die nachfolgende Stufe in der Gaslieferkette übertragen und so die Durchleitung erleichtern sollen. Damit wurde das Vorhaben freigegeben.
Die Saar Ferngas AG (SFG) hat das Vorhaben angemeldet, die Gasversorgungsaktivitäten ihrer Tochtergesellschaft Pfalzgas GmbH (PG) sowie die der Pfalzwerke AG (PW) in ein paritätisches Gemeinschaftsunternehmen (PG neu) mit der PW einzubringen. Dieser Zusammenschluss ließ erwarten, dass die marktbeherrschende Stellung der SFG auf dem regionalen Markt für die Belieferung von Weiterverteilern (Regionalversorger und Stadtwerken) mit Erdgas im Saarland und Teilen von Rheinland-Pfalz weiter abgesichert wird. Zur Abwendung einer Untersagungsverfügung hat die SFG gleichzeitig der Electrabel Deutschland AG ein Sonderkündigungsrecht eingeräumt, einen zwischen der Stadtwerke Saarbrücken AG (SWS) und der SFG geschlossenen Gasliefervertrag mit einer Laufzeit bis zum Jahr 2007 zu kündigen. Die Electrabel Deutschland AG, ein Tochterunternehmen des Suez-Konzerns, ist Mehrheitsgesellschafterin der Energie SaarLorLux GmbH, auf die der Geschäftsbereich "Vertrieb" der SWS zwischenzeitlich übertragen wurde. Da zu erwarten war, dass die Electrabel Deutschland AG von dem Kündigungsrecht Gebrauch machen würde, konnte das Vorhaben freigegeben werden.
Die Ruhrgas AG hat ihr Vorhaben angemeldet, zusammen mit der BEB Erdgas und Erdöl GmbH und der Statoil Deutschland GmbH das Gemeinschaftsunternehmen HubCo North West European Hub Service Company GmbH zu gründen, an dem die Gesellschafter zu je einem Drittel beteiligt sein sollen. Mit dieser Gründung wird für das Inland ein neues Geschäftsfeld für den Erdgasvertrieb eröffnet. Die HubCo soll ein IT-System entwickeln und betreiben, auf dessen Grundlage ein virtueller Handelsplatz (so genannter Hub) für den Raum Bunde/Emden geschaffen werden soll, der es den Handelspartnern ermöglichen soll, Gasgeschäfte in diesem Raum abzuschließen und abzuwickeln, ohne dass die Handelspartner das geographische/physische Auseinanderfallen von Übernahme- und Übergabepunkten durch den Abschluss separater Transportverträge überwinden müssten. Das Angebot richtet sich nicht nur an die etablierten Gasversorgungsunternehmen, sondern auch an Gashandelsgesellschaften aus dem Inland und dem Ausland. Welche wirtschaftliche Bedeutung diesem virtuellen Handelsplatz letztlich zukommen wird, wird sich aber erst in der Praxis erweisen. Das Bundeskartellamt hat das Vorhaben nicht untersagt.
Das Bundeskartellamt hat das Vorhaben der Gründung der erdgas mobil GmbH & Co. KG sowie ihrer Komplementär-GmbH durch die Ruhrgas AG und eine Reihe weiterer Gasversorgungsunternehmen nicht untersagt. Aufgabe dieser Projektgesellschaft soll es sein, Dienstleistungen für Gasendversorgungsunternehmen im Zusammenhang mit der Errichtung eines bundesweiten Netzes von Erdgastankstellen für erdgasbetriebene Fahrzeuge zu erbringen. Dabei soll sie insbesondere eine Mittlerrolle zwischen den jeweils investierenden Gasversorgern, den Mineralölgesellschaften und den Tankstellenpächtern übernehmen. Über das Projekt soll ein neues Marktsegment für die Gaswirtschaft erschlossen werden. Zwar sind bereits im Jahre 1995 die ersten Erdgasfahrzeuge auf den Markt gekommen; Erdgas kommt aber erst dann als allgemein marktfähiges Substitut für konventionelle Kraftstoffe infrage, wenn für den Betrieb monovalenter Fahrzeuge ein flächendeckendes Erdgastankstellennetz zur Verfügung steht. Das Bundeskartellamt wird das Projekt unter kartellrechtlichen Aspekten weiter beobachten.
Solange die begonnene Liberalisierung der Erdgasmärkte nicht zu einem wirksamen brancheninternen Gaswettbewerb in den jeweiligen Versorgungsgebieten führt, unterliegt die Preisgestaltung der Gasversorgungsunternehmen weiterhin der kartellrechtlichen Missbrauchsaufsicht nach § 19 Abs. 4 Nr. 2. Das Bundeskartellamt hat daher im Berichtszeitraum die Erdgaspreise einer Reihe lokaler bzw. regionaler Endversorger für HuK-Kunden und Heizgas-Sonderkunden überprüft. Zwei der eingeleiteten Verfahren konnten erst abgeschlossen werden, nachdem sich die betroffenen Unternehmen zu einer Anpassung ihrer Preise auf ein angemessenes Niveau bereit erklärt haben. Bei der kartellrechtlichen Preishöhenkontrolle wendet das Bundeskartellamt weiterhin das ursprünglich für Verfahren nach § 103 Abs. 5 Satz 2 Nr. 2 GWB a. F. entwickelte und insoweit vom Kammergericht bestätigte Konzept des "Gas-zu-Gas" Preisvergleichs auf der Basis von Musterabnahmefällen an (Tätigkeitsbereicht 1997/98, S. 129).