November 2007

071105

ENERGIE-CHRONIK


Hinweise auf Preisabsprachen und gezielte Beeinflussung der Börsenstrompreise verdichten sich

Die EU-Kommission hat bei den Razzien, die sie im Mai 2006 (060503) und im Dezember 2006 (061205) in den Chefetagen der vier deutschen Energiekonzerne durchführte, offenbar hinreichende Belege für Preisabsprachen gefunden. Das Bundeskartellamt, das damals die Durchsuchungen begleitete, hat auf Grundlage des beschlagnahmten Materials ein 30 Seiten umfassendes Papier zusammengestellt, um es in gerichtlichen Auseinandersetzungen zu verwenden. Es soll belegen, daß die vier Konzerne ihre Strategien, Preise und Versorgungsgebiete untereinander abgestimmt haben, statt sich gegenseitig Konkurrenz zu machen. Die Absprachen scheinen vor allem über die zweite Führungsebene gelaufen zu sein. Die Konzernvorstände wußten indessen davon und trafen sich selber über Jahre hinweg zu vertraulichen Gesprächen. Außerdem gab es Gesprächsrunden auf internationaler Ebene, an denen sich Energiemanager aus Deutschland, Frankreich, Belgien, Italien und Schweden beteiligten.
Vom "Spiegel" veröffentlichter Ausriß aus dem Papier des Bundeskartellamts. Die obere Passage belegt, daß E.ON die Preisentwicklung an der Strombörse gezielt beeinflußt hat. Aus der unteren Passage geht hervor, wie die Verringerung von Kraftwerkskapazitäten zur Erzielung von Preissteigerungen eingesetzt wird.

Über das Papier des Bundeskartellamts und Einzelheiten daraus berichtete erstmals das Magazin "Der Spiegel" (5.11.). Unter anderem geht daraus hervor, daß zumindest E.ON gezielt versucht hat, die Großhandelspreise für Strom an der Leipziger EEX nach oben zu treiben. Beispielsweise ergibt sich aus einer beschlagnahmten Vorstandsvorlage, daß die E.ON-Tochter Sales & Trading (EST) von März bis Juni 2003 eine intensive Aktivität zur "Intensivierung von Marktpreissprüngen" entfaltet hat. Tatsächlich stiegen von Mai bis Juli 2003 die Durchschnittspreise für Strom an der EEX von 21,1 auf 35,9 Euro (base) und von 30,19 auf 57,93 Euro (peak). Diese Enthüllung ist auch deshalb pikant, weil E.ON-Chef Bernotat immer wieder behauptet, die Strompreisbildung an der EEX vollziehe sich nach marktwirtschaftlichen Regeln, auf welche die Stromkonzerne keinen Einfluß hätten (071001).

Das Papier des Bundeskartellamts war aus Anlaß eines Prozesses vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf angefertigt worden. Die E.ON-Tochter EAM Energie AG hatte dort Klage erhoben, weil ihr die Behörde die geplante Drittel-Beteiligung an den Stadtwerken Eschwege untersagte (030911). Das Gericht hat diese Entscheidung am 6. Juni 2007 bestätigt (2. Kartellsenat, Beschluss vom 06.06.2007 – VI-2 Kart 7/04 (V)). Es stützte sich dabei auf bundesweite Erhebungen des Bundeskartellamtes, wonach das Duopol aus E.ON und RWE in den Jahren 2003 und 2004 rund 52 % der Stromerzeugungskapazitäten besaß und zwischen 57 % (2003) und 59 % (2004) der Nettostromerzeugung lieferte. Das Papier über Preisabsprachen verwertete das Gericht damals nicht. Anscheinend reichte ihm die Darlegung der Marktverhältnisse schon aus, um die geplante Beteiligung zu untersagen.

E.ON spricht von Fehlinterpretationen und hält sich juristisch für unangreifbar

Der E.ON-Konzern bezeichnete das Papier des Bundeskartellamts als "völlig selektive Ansammlung und Verwertung von Informationen, die der EU-Kommission schon seit Mai 2006 vorliegen". Neben einseitigen Interpretationen fänden sich darin "viele unbewiesene Behauptungen und keinesfalls juristisch verbindliche Feststellungen und Tatsachen". Man habe dazu bereits "umfangreich Stellung genommen und detailliert belegt, dass die Vorwürfe unzutreffend sind". E.ON habe zu keiner Zeit in irgendeiner Art und Weise Strompreise an der EEX manipuliert oder mit Wettbewerbern Absprachen getroffen, die den Wettbewerb im Strom- oder Gasmarkt beschränken könnten. Wie schwach die Substanz der Vorwürfe sei, gehe schon daraus hervor, daß die Behörden bisher keine diesbezüglichen Maßnahmen gegen den Konzern ergriffen hätten.

"Energiekonzerne brauchen keine Preisabsprachen"

Der Vorsitzende der Monopolkommission, Jürgen Basedow, verwies darauf, daß es keiner förmlichen Absprachen zwischen den Energiekonzernen bedarf, um die Preise im Interesse aller Beteiligten nach oben zu treiben. "Mir sind keine Tatsachen bekannt, die Absprachen zwischen den Konzernen belegen würden", sagte in in einem Interview mit der "Zeit" (8.11.). "Elektrizität ist wie Benzin ein homogenes Gut. Es gibt praktisch keinen Qualitätswettbewerb, sondern allenfalls Preiswettbewerb zwischen den marktmächtigen Unternehmen. Tatsächliches Wetteifern um Marktanteile würde nämlich zu einer Selbstschädigung der Beteiligten führen. Stromkonzerne brauchen deshalb keine Absprache, um sicherzustellen, dass der Preis hoch bleibt." Die hohen Strompreise seien vor allem eine Folge der relativ einheitlichen Großhandelspreise, die als Grundlage für die Endkundenpreise dienen. "Und die bilden sich an der Leipziger Strombörse unter maßgeblichem Einfluss der vier großen Stromkonzerne."

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