August 2006

060801

ENERGIE-CHRONIK


Riesige Netzkosten-Unterschiede trotz vergleichbarer Strukturen

Die von den deutschen Netzbetreibern veranschlagten Netzkosten - nach denen sich die Netznutzungsentgelte richten - weisen auch innerhalb vergleichbarer Strukturklassen riesige Unterschiede auf. Die teuersten Stromnetzbetreiber machen bis zu fünfzigmal so hohe Kosten geltend wie die billigsten, und auch von den Mittelwerten entfernen sie sich um bis zu mehr als das Siebenfache. Dies ergibt sich aus den Ergebnissen der Vergleichsverfahren Strom und Gas, die die Bundesnetzagentur am 24. August im Internet veröffentlichte (siehe Tabelle 1).

Etwas geringer sind die Schwankungsbreiten der Netzkosten bei den Gasnetzbetreibern. Hier liegt das teuerste Unternehmen um mehr als das 15-fache über dem billigsten Netzbetreiber derselben Strukturklasse. Der Mittelwert einer Strukturklasse wird bis zum fünffachen übertroffen (siehe Tabelle 2).

"Bandbreite läßt auf vorhandene Ineffizienzen schließen"

"Die hohen Unterschiede in den Kosten können nicht allein durch strukturelle Besonderheiten der einzelnen Unternehmen erklärt werden", resümierte der Präsident der Bundesnetzagentur, Matthias Kurth. "Vielmehr lässt diese Bandbreite auf vorhandene Ineffizienzen schließen. Damit bestehen noch Effizienzreserven beim Betrieb der Energieversorgungsnetze, die es zu heben gilt. Schließlich dürfen mögliche Ineffizienzen beim Netzbetrieb nicht auf Kosten der Netznutzer gehen."

Die Vergleichsverfahren wurden von der Bundesnetzagentur gemäß § 22 StromNEV und § 21 GasNEV durchgeführt. Die Datenerhebung begann im Oktober 2005 auf der Basis des Geschäftsjahrs 2004. Es ähnelt dem "Vergleichsmarktkonzept", der früher geltenden Verbändevereinbarungen, das der Verband der Netzbetreiber (VDN) erstmals Ende 2002 umsetzte (020902). Die nach § 24 StromNEV zu bildenden Strukturklassen berücksichtigen aber lediglich die Absatzdichte und die "Belegenheit des Netzes" in den alten oder neuen Bundesländern. Die Erhebung soll für Unternehmen und interessierte Öffentlichkeit die Transparenz erhöhen und der Bundesnetzagentur selber zu Beginn der Energieregulierung einen Überblick über die Ausgangssituation ermöglichen.

Netzbetreiber verhinderten Nennung von Unternehmensnamen

Die Bundesnetzagentur wollte die Ergebnisse ursprünglich Anfang April 2006 unter Nennung der Unternehmensnamen veröffentlichen. Aufgrund von Unterlassungsbeschwerden zahlreicher Unternehmen vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf hat sich die Veröffentlichung verzögert. "Mittlerweile befinden wir uns bundesweit mitten im Entgeltgenehmigungsverfahren, in dem überhöhte Kosten unmittelbar erkannt und gekürzt werden können. Aus diesem Grund hat sich die Bundesnetzagentur jetzt für eine andere Form der Veröffentlichung entschieden, die sich auf die Darstellung der Bandbreiten konzentriert." sagte Kurth. "Die Berücksichtigung im Rahmen der individuellen Entgeltgenehmigung wird durch die Form der Veröffentlichung nicht beeinflußt."

Die Regulierungsbehörde geht davon aus, dass das aktuelle Verfahren der Entgeltregulierung zum 1. Januar 2008 durch die Anreizregulierung abgelöst wird. Die Bundesregierung arbeitet derzeit auf Basis ihrer Vorschläge an einer Verordnung zur Einführung der Anreizregulierung (060502). Für die Anreizregulierung werden im Rahmen dieser neuen Verordnung Vergleichsverfahren eigener Art erforderlich sein. Aus Sicht der Bundesnetzagentur sollten die Erfahrungen des monatelangen Tauziehens um die Form der Veröffentlichung der Ergebnisse des Vergleichsverfahrens in der Verordnungsgebung ihren Niederschlag finden, damit klare Grundlagen für die Schaffung von Transparenz der Kosten und Preise im Markt geschaffen werden können.