März 2006

060307

ENERGIE-CHRONIK


Baltische Staaten planen neues Kernkraftwerk in Ignalina

Litauen, Lettland und Estland wollen bis 2015 am Standort Ignalina gemeinsam ein Kernkraftwerk errichten, um die Energielücke zu schließen, die durch die Abschaltung der beiden alten Blöcke in Ignalina entsteht. Dies vereinbarten die Regierungschefs Algirdas Brazauskas, Aigars Kalvitis und Andrus Ansip am 27. Februar bei einem energiepolitischen Treffen in der litauischen Stadt Trakai. Wie es in einer Mitteilung der litauischen Regierung weiter hieß, sollen die Landesversorger Lietuvos Energija, Latvenergo und Eesti Energia zur Beteiligung an dem Projekt aufgefordert werden.

Die Baukosten des neuen Druckwasserreaktors werden auf zwei bis drei Milliarden Euro veranschlagt. Offenbar rechnen die baltischen Staaten mit finanzieller Unterstützung durch ausländische Investoren und die EU. Bereits im Januar ließ der litauische Regierungschef Brazauskas bei einer internationalen Energiekonferenz verlauten, daß sich sein Land um internationale Hilfe zur Errichtung und Finanzierung des Reaktors "Ignalina-3" mit einer Leistung von 600 MW bemühe. Der neue Reaktor werde mit Beteiligung großer europäischer Unternehmen gebaut und anschließend auf rein kommerzieller Basis betrieben.

Litauen will den alten RBMK-Reaktor noch bis 2015 betreiben

Derzeit betreibt Litauen in Ignalina noch einen Reaktorblock vom Tschernobyl-Typ RBMK mit einer Leistung von 1300 Megawatt. Der Standort befindet sich am Ufer eines Sees, zu dessen Anrainern auch Lettland und Weißrußland gehören. Ein zweiter, identischer Reaktorblock war Anfang 2005 auf auf Drängen der EU abgeschaltet worden. Die beiden Blöcke bestritten bis dahin achtzig Prozent der litauischen Stromerzeugung und ermöglichten es dem Land sogar, mehr als die Hälfte der Jahresproduktion von 15,5 Terawattstunden in die Nachbarländer zu exportieren. Bis 2009 soll auch der zweite Block abgeschaltet werden. Die litauische Regierung drängt allerdings gegenüber der EU auf eine Verlängerung der Frist. Die jetzt vorgelegte Zeitplanung für den Neubau eines Kernkraftwerks läßt vermuten, daß sie den RBMK-Reaktor mindestens bis 2015 am Netz belassen will.

EU soll gegenüber Energie-Lieferanten mit "einer einzigen starken Stimme" sprechen können

Die drei baltischen Regierungschefs verabschiedeten bei ihrem Treffen in Trakai eine gemeinsame Erklärung, in der sie vor dem Hintergrund des jüngsten Gas-Lieferstopps für die Ukraine (060101) die EU-Staaten zu einer gemeinsamen Energiepolitik in Verbindung mit der Außen- und Sicherheitspolitik auffordern. Die EU müsse gegenüber den Energielieferanten mit "einer einzigen starken Stimme" sprechen können. Insbesondere müsse die Gemeinschaft ihr Augenmerk der Abhängigkeit und Verletzlichkeit der Mitgliedsstaaten von Energieimporten widmen und Vorkehrungen für ein gemeinsames Vorgehen treffen, falls einzelnen Ländern die Energiezufuhr abgeschnitten werden sollte. In ihrer Erklärung warnten die drei Regierungschefs ferner davor, daß die Schließung des Kernkraftwerks Ignalina "schwerwiegende Auswirkungen auf die Energiesicherheit der baltischen Staaten" haben werde.

Links (intern)