Januar 2006

060104

ENERGIE-CHRONIK


Koalitions-Geplänkel um Kernkraftwerke

Obwohl Union und SPD in ihrer Koalitionsvereinbarung beschlossen haben, das Atomgesetz in dieser Legislaturperiode nicht zu ändern (051102), stellten auch im Januar verschiedene Politiker der Unionsparteien die sich daraus ergebende Abschaltung von Kernkraftwerken nach Erfüllung der im Atomgesetz festgelegten Restlaufzeiten wieder in Frage. Beispielsweise sprach sich der bayerische Ministerpräsident Edmund Stoiber (CSU) gegenüber dem "Münchner Merkur" (10.1.) für eine breite gesellschaftliche Debatte über "das vorzeitige Abschalten von Atomkraftwerken" aus, bei der es keine "ideologischen Festlegungen" geben dürfe. Der saarländische Regierungschef Peter Müller (CDU) forderte am 9. Januar einen generellen Verzicht auf Abschaltungen bis zum Ende der Legislaturperiode. Der hessische Ministerpräsident Roland Koch (CDU) plädierte sogar dafür, die Möglichkeit des Baues neuer Atomkraftwerke grundsätzlich offenzuhalten. Ähnlich äußerten sich die CDU-Ministerpräsidenten Christian Wulff (Niedersachsen) und Günther Oettinger (Baden-Württemberg).

Bundeskanzlerin kündigt nationalen Energiegipfel an

Die SPD bestand dagegen auf der Erfüllung des Koalitionsvertrags. Die Fraktionsvorsitzende der oppositionellen Grünen, Renate Künast, kündigte gegenüber der "Berliner Zeitung" (10.1.) an, "den Protest auf die Straße zu tragen", falls die Koalition in der Frage des Atomausstiegs "wackeln" sollte. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) versicherte nach einer Kabinettsitzung am 10. Januar, daß der Koalitionsvertrag weiterhin die Grundlage für die Zusammenarbeit in der Regierung bilde - ungeachtet ihrer persönlichen Haltung zur Kernenergie, die bekannt sei. Zugleich kündigte Merkel für Anfang April einen nationalen Energiegipfel an, der den Grundstein für ein neues Energiekonzept der Regierung legen soll. Die SPD will noch vor diesem Termin ihrerseits eine energiepolitische Konferenz durchführen.

Umweltminister setzt auf erneuerbare Energien

Bundesumweltminister Sigmar Gabriel (SPD) präsentierte am 19. Januar eine von seinem Ministerium in Auftrag gegebene Studie, wonach die erneuerbaren Energien schon im Jahr 2020 ein Viertel des deutschen Stromverbrauchs decken und entsprechend zur Verringerung der Kohlendioxid-Emissionen beitragen können. Die Kosten dafür blieben vertretbar. Auf die Nutzung der Kernenergie könne und müsse verzichtet werden. Verfasser der Studie sind das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR), das Wuppertal-Institut für Klima, Umwelt und Energie und das Zentrum für Sonnenenergie und Wasserstoff-Forschung Baden-Württemberg (ZSW).

EnBW will Verlängerung der Laufzeit für Neckarwestheim 1 beantragen

In der laufenden Legislaturperiode müssen voraussichtlich die Kernkraftwerke Biblis A, Neckarwestheim 1, Biblis B und Brunsbüttel wegen Abarbeitung der vereinbarten Reststrommengen stillgelegt werden. Die Energie Baden-Württemberg (EnBW) bestätigte am 24. Januar, daß sie die für Frühjahr 2009 anstehende Stillegung des Kernkraftwerks Neckarwestheim 1 verhindern will, indem sie beantragt, die Reststrommenge eines jüngeren Kernkraftwerks zu kürzen und die Laufzeit von Neckarwestheim 1 entsprechend zu verlängern. Nach dem Atomgesetz bedarf die Übertragung von Reststrommengen von jüngeren auf ältere Anlagen allerdings der Zustimmung des Kanzlers sowie des Umwelt- und Wirtschaftsministers. Umweltminister Gabriel (SPD) hat sich bisher gegen eine solche Verfahrensweise ausgesprochen. Der Parteivorsitzende Matthias Platzeck bekräftigte am 16. Januar nach einer Klausur des SPD-Bundesvorstands in Mainz, "daß es weder neue Atomkraftwerke noch längere Laufzeiten geben wird".

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