November 2005

051104

ENERGIE-CHRONIK


Brüssel will auch nationale Großfusionen prüfen können

Als eine der Konsequenzen aus den schweren Wettbewerbsmängeln auf dem europäischen Energiemarkt (051103) will die EU-Kommission künftig auch die Genehmigung von nationalen Großfusionen an sich ziehen. Nach der bisher geltenden Fusionskontrollverordnung ist ein Zusammenschluss nicht von gemeinschaftsweiter Bedeutung, wenn die beiden Unternehmen jeweils mehr als zwei Drittel ihres gemeinschaftsweiten Umsatzes in ein und demselben Mitgliedstaat erzielt haben. In einer Pressemitteilung vom 15. November begründete die Kommission ihren Vorstoß zur Änderung der Fusionskontrollverordnung insbesondere mit den vorläufigen Ergebnissen einer im Juni begonnenen Befragung von 3000 Unternehmen und Verbänden der Energiebranche, deren Ergebnisse die Energiekommissarin Neelie Kroes am 1. Dezember dem Rat der Energieminister vorstellen wird.

Aktueller Anlaß war ferner, daß die sich Kommission am selben Tag im Fall der geplanten feindlichen Übernahme des spanischen Stromversorgers Endesa durch den heimischen Gasversorger Gas Natural (050909) für unzuständig erklären mußte, weil sowohl Gas Natural als auch Endesa im vergangenen Jahr mindestens 75 Prozent ihrer gemeinschaftsweiten Umsätze in Spanien erwirtschafteten. Gas Natural hatte sein Angebot zur Übernahme von Endesa am 5. September 2005 bekanntgegeben und am 12. September 2005 bei den spanischen Behörden angemeldet. Endesa war dagegen der Meinung, dass die spanische Wettbewerbsbehörde nicht zuständig sei, und hatte sich deshalb bei der EU-Kommission beschwert.

Außerdem hatten die portugiesischen und italienischen Wettbewerbsbehörden die Kommission aufgefordert, die Auswirkungen der geplanten Fusion von Endesa und Gaz Natural auf ihre heimischen Märkte zu untersuchen. Diese Anträge waren bereits am 27. Oktober abgelehnt worden.

"Dies ist eine wichtige Übernahme im Energiesektor", erklärte die für Wettbewerbspolitik zuständige Kommissarin Neelie Kroes mit sichtlichem Bedauern. "Wir haben die Beschwerde von Endesa daher überaus sorgfältig geprüft." Unter Berücksichtigung aller Argumente sei ihre Behörde aber zu dem Schluss gekommen, dass die Übernahme nach geltenden Fusionskontrollbestimmungen der EU nicht von gemeinschaftsweiter Bedeutung sei.

Die Übernahme von Ruhrgas durch E.ON hätte in Brüssel keine Chance gehabt

Mangels Zuständigkeit der Kommission war es im Jahre 2000 auch dem deutschen E.ON-Konzern gelungen, die Großfusion mit der Ruhrgas AG zu durchzusetzen (030101). In diesem Falle hatte zwar die nationale Kartellbehörde die Fusion untersagt, doch war ihr Veto durch eine heftig umstrittene Sondererlaubnis des Bundeswirtschaftsministeriums mit anschließender außergerichtlichen Einigung der Beteiligten außer Kraft gesetzt worden.

Umso kritischer prüft die EU-Kommission nunmehr die geplante Übernahme des ungarischen Energiekonzerns Mol durch E.ON (050705). Sie darf sich dabei durch den Europäischen Gerichtshof bestätigt fühlen, der die Untersagung einer ähnlichen Großfusion in Portugal bestätigte (050907).