1 DEUTSCHER BUNDESTAG
Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit
15. Wahlperiode

Ausschussdrucksache 15(9)1539
29. November 2004

Schriftliche Stellungnahme
zur öffentlichen Anhörung am 29. November 2004 in Berlin

a) Gesetzentwurf der Bundesregierung
Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Neuregelung des Energiewirtschaftsrechts (BT-Drucksache 15/3917)

b) Antrag der Abgeordneten Dagmar Wöhrl, Karl-Josef Laumann, Dr. Joachim Pfeiffer, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU
Klaren und funktionsfähigen Ordnungsrahmen für die Strom- und Gasmärkte schaffen (BT-Drucksache 15/3998)

c) Antrag der Abgeordneten Gudrun Kopp, Rainer Brüderle, Birgit Homburger, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP
Für mehr Wettbewerb und Transparenz in der Energiewirtschaft durch klare ordnungspolitische Vorgaben (BT-Drucksache 15/4037)

Prof. Dr. h.c. Martin Hellwig, Monopolkommission

0. Vorbemerkung

Die folgende Stellungnahme stützt sich auf die Stellungnahmen der Monopolkommission im XIV. und XV. Hauptgutachten, "Netzwettbewerb durch Regulierung" und "Wettbewerbspolitik im Schatten 'Nationaler Championsí", in institutionellen Fragen auch auf die Stellungnahme der Monopolkommission im Sondergutachten 40, "Zur Reform des Telekommunikationsgesetzes". Soweit ich darüber hinaus gehe, geschieht dies in eigener Verantwortung.

1. Grundsätzliche Bemerkungen zum Erfordernis der sektorspezifischen Regulierung

Das Vorhaben, die Energiewirtschaft einer sektorspezifischen Regulierung der Durchleitung zu unterwerfen, ist grundsätzlich zu begrüßen. Die Monopolkommission hat eine solche Regulierung bereits 2002 in ihrem XIV. Hauptgutachten gefordert. Die Gründe für diese Forderung seien hier kurz in Erinnerung gerufen:

1.1 Die Netze in der Energiewirtschaft sind nach wie vor natürliche Monopole

Der Marktöffnungsbewegung der neunziger Jahre lag die Beobachtung zugrunde, dass die Bedeutung natürlicher Monopolbereiche in Netzsektoren deutlich kleiner ist als in der Vergangenheit angenommen worden war. In Bereichen wie der Telekommunikation hat technischer Fortschritt dafür gesorgt, dass bestimmte Netze selbst den Charakter eines natürlichen Monopols verloren haben. In anderen Sektoren hat sich erwiesen, dass zwar die Netze weiterhin als natürliche Monopole zu betrachten sind, dass aber den Netzen vorgelagerte oder nachgelagerte Aktivitäten nicht die technischen Eigenschaften eines natürlichen Monopols aufweisen und bei Marktöffnung und wettbewerblicher Organisation durch eine höhere Innovationsdynamik gekennzeichnet sind.

In der Energiewirtschaft trifft Letzteres zu. Übertragungs- und Verteilungsnetze der Stromwirtschaft sowie Fernleitungs- und Verteilungsnetze der Gaswirtschaft sind auf absehbare Zeit weiterhin als natürliche Monopole zu betrachten. Bei Übertragungs- und Fernleitungsnetzen beruht diese Aussage auf der Bedeutung der jeweiligen Systemausgleichsfunktion, bei den Verteilungsnetzen auf den hohen Kosten einer eventuellen Reduplizierung. Bei Produktion und Vertrieb jedoch spricht nichts gegen eine wettbewerbliche Marktorganisation. Im Gegenteil, die Marktöffnungserfahrungen der angelsächsischen Länder lassen vermuten, dass eine wettbewerbliche Organisation von Produktion und Vertrieb erhebliche Effizienzsteigerungs- und Innovationspotentiale freisetzen kann.

1.2 Missbrauchsbeschränkung als Aufgabe von Wettbewerbspolitik und Regulierung

In Anbetracht dessen, dass die Netze der Energiewirtschaft auf absehbare Zeit den Charakter von natürlichen Monopolen behalten werden, stellt sich die Frage, wie ein Missbrauch der Monopolmacht, die von diesen Netzen ausgeht, eingeschränkt oder sogar verhindert werden kann. Das im Bereich der Telekommunikation maßgebliche Ziel der Förderung des Wettbewerbs von Netzen tritt demgegenüber in den Hintergrund.

Im Kontext der Marktöffnung stellt sich das Missbrauchsproblem zunächst als Problem der Verwendung des Netzmonopols zur Verzerrung des Wettbewerbs in den liberalisierten vor- oder nachgelagerten Märkten. Relevante Tatbestände sind

- die Diskriminierung von Wettbewerbern beim Netzzugang,

- die Belastung von Wettbewerbern durch überhöhte Durchleitungsgebühren.

Diskriminierung von Wettbewerbern beim Netzzugang hat insbesondere in der Frühphase der Liberalisierung eine Rolle gespielt. Diskriminatorisch wirkende Mechanismen der Preisbildung für die Durchleitung im Strombereich sind erst in der Verbändevereinbarung II plus aufgehoben worden. Im Gasbereich gibt es solche Mechanismen aufgrund der Distanzabhängigkeit der Tarife ohne Rücksicht auf mögliche Ersparnisse aus einem Netting gegenläufiger Durchleitungsvorhaben nach wie vor; der in der Diskussion stehende Übergang zu einer distanzunabhängigen Tarifberechnung ist überfällig.

In Einzelfällen klagen durchleitungsbegehrende Unternehmen allerdings auch im Strombereich noch über diskriminatorisch wirkende Behinderungen durch die Netzbetreiber. Abgesehen von Friktionen bei Vertragsgestaltung und Vertragsabwicklung soll es regelmäßig vorkommen, dass die Information über das Durchleitungsbegehren benutzt wird, um den Kunden mit einem neuen Angebot von einem Wechsel des Vertragspartners abzuhalten. Eine derartige Konkurrenz der Angebote ist unproblematisch, wenn die Kunden selbst dafür sorgen, ist aber dann problematisch, wenn die Vertriebsabteilung des Netzunternehmens sich auf die durch das Durchleitungsbegehren geschaffene Information stützt.

Von größerer Bedeutung als explizite Diskriminierung war in den vergangenen Jahren im Strombereich jedoch die wettbewerbsbehindernde Wirkung hoher Durchleitungsgebühren. Nicht diskriminatorisch festgesetzte hohe Durchleitungsgebühren treffen zwar die Vertriebsgesellschaft als Konzernschwester des Netzunternehmens genauso wie den Wettbewerber. Im Rahmen der Gesamtstrategie des Konzerns jedoch sind die Zahlungen der konzerneigenen Vertriebsgesellschaft an das Netzunternehmen nur ein durchlaufender Posten; für den Wettbewerber dagegen sind sie ein echter Kostenfaktor. Hohe Durchleitungsgebühren behindern daher den Wettbewerb in den den Netzen vor- und nachgelagerten Märkten. Die Entwicklung der letzten Jahre in Deutschland spiegelt u.a. diesen Zusammenhang.

Jedoch sollte das Monopolproblem nicht nur unter dem Gesichtspunkt der Wettbewerbswirkungen in vor- und nachgelagerten Märkten gesehen werden. Unabhängig von den Wirkungen auf die Funktionsfähigkeit des Wettbewerbs in anderen Märkten stellt sich beim Monopol das Problem der Ausbeutung von Kunden durch überhöhte Preise. Dieses Problem ist insbesondere bei den Verteilungsnetzen von Bedeutung, deren Betreiber erhebliche Teile der von ihnen abgesetzten Strom- bzw. Gaslieferungen von dritter Seite beziehen. Ein Wechsel zu einer Organisationsform, bei der die Strom- und Gaslieferanten direkt mit den Kunden kontrahieren, wird die Marktanteile in den lokalen Strom- und Gasmärkten verändern, ohne wird das Netzmonopol davon nicht berührt. Für den Verteilungsnetzmonopolisten ist es in erster Näherung unerheblich, ob er seine Monopolrenten bei einem Liefermonopol aufgrund von überhöhten Preisen für Strom und Gas oder bei wettbewerblicher Organisation des Vertriebs aufgrund von überhöhten Preisen für die Durchleitung verdient.

Die Fokussierung der politischen Diskussion auf die Durchleitung als Instrument der Marktöffnung birgt das Risiko, dass das Problem des Ausbeutungsmissbrauchs in den Netzen bei funktionierendem Durchleitungswettbewerb übersehen wird. Dieses Problem besteht jedoch nach wie vor. Insofern ist die explizite Nennung von Verbraucherschutz als einem Zweck des vorgesehenen Gesetzes nachdrücklich zu begrüßen.

1.3 Ungeeignetheit der Wettbewerbspolitik als Grundlage der Zugangsregulierung

Der deutsche Gesetzgeber hat sich in der Vergangenheit - abgesehen von den Bereichen Telekommunikation und Post - auf den Standpunkt gestellt, die Missbrauchskontrolle für Netzindustrien sei auf angemessene Weise im Rahmen der Wettbewerbspolitik des Bundeskartellamts nach dem GWB durchzuführen. Dem sollte die Einführung der Netzzugangsverweigerung als neuem Missbrauchstatbestand nach § 19 Abs. 4 Nr. 4 GWB in der 6. GWB-Novelle dienen.

Die Monopolkommission hatte diese Auffassung in der Vergangenheit geteilt, war dann aber aufgrund einer systematischen Untersuchung im XIV. Hauptgutachten zu einem anderen Ergebnis gekommen und hatte sich für die Einführung der sektorspezifischen Regulierung, insbesondere in der Energiewirtschaft ausgesprochen. Maßgeblich für diese Empfehlung waren folgende Erwägungen:

- Die Maßstäbe der wettbewerbsrechtlichen Missbrauchsaufsicht über Preise sind bei Netzen nicht praktikabel. Die Anwendung des Vergleichsmarktkonzepts entsprechend § 19 Abs. 4 Nr. 2 GWB krankt daran, dass die Netze den Charakter eines natürlichen Monopols haben und es so gut wie keine "vergleichbaren Märkte mit wirksamem Wettbewerb" gibt. Eine kostenorientierte Preismissbrauchsaufsicht krankt daran, dass Netze hohe Fixkosten und Gemeinkosten und nur geringe variable Kosten der Durchleitung aufweisen. Bei dieser Kostenstruktur hängt jeglicher Preis-Kosten-Vergleich davon ab, wie Fixkosten und Gemeinkosten den Einzelleistungen zugerechnet werden. Die für die wettbewerbsrechtliche Missbrauchsaufsicht typische und nach Auffassung des OLG Düsseldorf (im Fall Stadtwerke Mainz) zwingend erforderliche Beurteilung von Preisen und Kosten einzelner Leistungen unabhängig vom Gesamtzusammenhang ist daher sachlich nicht angemessen. Die Preise verschiedener Netzleistungen sind in einem Systemzusammenhang zu sehen, bei dem es darauf ankommt, ob das Gesamtsystem der Zurechnung von Fixkosten und Gemeinkosten auf die verschiedenen Netzleistungen angemessen ist.

- Für die Beurteilung der Angemessenheit der Zurechnung von Fixkosten und Gemeinkosten gibt es keinen a priori als gültig anzusehenden Maßstab. Diese Aussage gilt sowohl aus betriebswirtschaftlicher Sicht als auch aus volkswirtschaftlicher Sicht. Es gibt lediglich verschiedene Systeme der Zurechnung mit jeweils unterschiedlichen Vor- und Nachteilen, deren Relevanz im Einzelfall zu prüfen ist. In Anbetracht dieser Beliebigkeit der Zurechnung kommt es für die Preismissbrauchsaufsicht darauf an, wer die Hoheit über die Wahl des Zurechnungsmodus hat. Im Rahmen der Missbrauchsaufsicht nach dem GWB liegt die Pflicht zur Darlegung eines Missbrauchs beim Bundeskartellamt; die Hoheit über die Wahl eines Zurechnungsmodus liegt daher de facto bei den Netzbetreibern. Gibt es nämlich keinen a priori als gültig anzusehenden Maßstab, so kann das Bundeskartellamt nicht nachweisen, dass der vom Unternehmen verwandte Zurechnungsmaßstab unangemessen ist. Die Missbrauchsaufsicht beschränkt sich dann auf Fälle, in denen das Verhalten des Netzbetreibers über die Frage der Zurechnung von Fixkosten und Gemeinkosten hinaus noch krassere Fragen aufwirft, etwa wenn auch noch bestimmte Kosten des Vertriebs dem Netz zugerechnet werden.

- In Anbetracht der Beweislastverteilung muss sich die wettbewerbsrechtliche Missbrauchsaufsicht weitgehend an den tatsächlichen Kosten des Unternehmens orientieren. Fragen der Effizienz bzw. der Missbräuchlichkeit eines Kostenmachens zu Lasten der Durchleitungskunden werden damit ausgeklammert. Solche Fragen können nur berücksichtigt werden, wenn der Preis-Kosten-Vergleich nicht auf die Faktizität der tatsächlichen Kosten des Unternehmens abstellt, sondern auf die Kosten der effizienten Leistungsbereitstellung als einen außerhalb der Kontrolle des Unternehmens liegenden Standard.

- Die wettbewerbsrechtliche Missbrauchsaufsicht ist auf einzelfallbezogene Ex-post-Eingriffe ausgerichtet. Daher werden bestimmte Informationsanforderungen der Behörde gewöhnlich erst bei Auftreten eines begründeten Anfangsverdachts im Nachhinein gestellt. Das Problem der Ausgestaltung der Zugangsbedingungen in Netzindustrien ist aber von Dauer und betrifft immer wieder neu die Funktionsfähigkeit des Wettbewerbs in vor- und nachgelagerten Märkten. Insofern bedarf es der Stetigkeit und Dauerhaftigkeit der behördlichen Eingriffe, bedarf die Behörde auch regelmäßig der Information über Preise, Erlöse und Kosten, um die Aufsicht sachgerecht durchführen zu können.

- Eine Missbrauchsaufsicht durch einzelfallbezogene Ex-post-Eingriffe aufgrund von Informationen, die erst aufgrund eines begründeten Anfangsverdachts erhoben werden, ist anfällig gegenüber Verzögerungs- und Obstruktionstaktiken der Netzbetreiber. In Anbetracht dessen, dass das beanstandete Verhalten so lange aufrecht erhalten werden kann und so lange seine wettbewerbsbehindernde Wirkung entfaltet, bis eine Untersagung der Behörde Rechtskraft erlangt, haben die Unternehmen keinen Anreiz, zur zügigen Abwicklung der Verfahren beizutragen und z.B. Informationen freiwillig herauszugeben.

Die vorstehend skizzierten Erwägungen betreffen nicht die Frage, ob die Kontrolle über Netzindustrien beim Bundeskartellamt oder bei einer Regulierungsbehörde angesiedelt sein sollte. Grundsätzlich wäre denkbar, dass man den angesprochenen Problemen durch neue Regelungen im Rahmen des Wettbewerbsrechts Rechnung trägt. Die erforderlichen Regelungen würden allerdings aus dem Rahmen des bisherigen Wettbewerbsrechts deutlich herausfallen. Ihre Anwendung liefe auf eine sektorspezifische Regulierung hinaus, unabhängig davon, wie man die betreffende Behörde nennt. Während die Anwendung von Wettbewerbsrecht traditionell auf die einzelfallbezogene Durchsetzung von Verboten hinausläuft, erfordert die Regulierung des Netzzugangs systematische und dauerhafte Eingriffe mit einer aktiven Politik der Zugangsgestaltung nach Preisen und Qualität durch die zuständige Behörde.

1.4 Notwendigkeit einer Marktaufsicht

Weitgehend unabhängig von der Problematik der Netzdurchleitung lassen gewisse Besonderheiten der Stromwirtschaft es als geraten erscheinen, das Marktgeschehen in der Stromwirtschaft in ähnlicher Weise einer permanenten Aufsicht zu unterstellen wie in den Finanzmärkten. Strommärkte zeichnen sich durch eine erhebliche Preisvolatilität aus und sind wie Finanzmärkte in hohem Maße manipulationsanfällig. So kommt die empirische Forschung zur kalifornischen Stromkrise von 2000/01 übereinstimmend zum Ergebnis, dass diese Krise ganz überwiegend auf das manipulative Verhalten marktmächtiger Energieunternehmen zurückzuführen war. Die von interessierter Seite vorgetragene Einschätzung, die kalifornische Stromkrise belege die Gefahren einer wettbewerbsorientierten Marktöffnung, steht im Widerspruch zu den dazu vorliegenden empirischen Untersuchungen.

Preisvolatilität und Manipulationsanfälligkeit der Märkte ergeben sich vor allem daraus, dass sowohl die Endkundennachfrage als auch die Angebote der einzelnen Stromerzeuger kurzfristig sehr unelastisch sind. Bei unvorhergesehenen Schwankungen im Bedarf oder in der Verfügbarkeit von Kraftwerksleistungen sind daher große Preisausschläge erforderlich, um Stromerzeugung und Verbrauch wieder in Einklang zu bringen. Auch kann der einzelne Stromproduzent, der Kapazität vom Markt nimmt, mit erheblichen Preisreaktionen rechnen, selbst wenn sein Marktanteil relativ klein ist. Nach übereinstimmendem Befund der empirischen Untersuchungen war dieser Effekt maßgeblich dafür verantwortlich, dass in Kalifornien im Herbst 2000 etwa doppelt so viele Kraftwerke "zu Wartungszwecken" vom Netz genommen wurden wie in Anbetracht der Struktur des Kraftwerksbestands normal gewesen wäre.

Die Gefahren der Preisvolatilität und Manipulationsanfälligkeit der Strommärkte sind in Deutschland nicht geringer zu veranschlagen als in anderen Ländern. Dies gilt insbesondere für die Strombörse und die Märkte für Regelenergie. Dafür sprechen folgende Erwägungen:

- Bei der Stromerzeugung weist Deutschland eine hohe Konzentration auf, insbesondere im Vergleich zu den angelsächsischen Ländern. Die Fähigkeit der großen Verbundunternehmen zur Beeinflussung der Preise ist entsprechend groß.

- Ein großer Teil der Stromerzeugung wird nicht über die offenen Märkte, sondern konzernintern oder im Rahmen von langfristigen Verträgen angewickelt. Die organisierten Märkte sind dementsprechend eng. Das vergrößert die Manipulationsanfälligkeit.

- Die Preisvolatilität der organisierten Märkte erschwert bzw. verteuert das Risikomanagement von Stromabnehmern, die sich nicht oder nur begrenzt an einen Stromerzeuger binden wollen und dementsprechend auf den offenen Markt angewiesen sind. Insofern ziehen Stromerzeuger, die Kunden langfristig an sich binden wollen, aus der Preisvolatilität der organisierten Märkte einen Vorteil.

- Durch die Ausgestaltung der Märkte für Regelenergie und die Bedeutung dieser Märkte für die Durchleitungsentgelte werden die angesprochenen Effekte noch verstärkt: In jedem einzelnen Übertragungsnetz ist das betreffende Verbundunternehmen gleichzeitig der wichtigste Anbieter von Strom überhaupt und der fast alleinige Anbieter von Regelenergie. Daraus ergeben sich erhebliche Spielräume zur Einflussnahme auf die Preise. Diese Spielräume sind um so problematischer, als die höheren Kosten der Regelenergie dem Netz zugeschrieben werden und in die Durchleitungsentgelte eingehen, mithin eine Überhöhung der Regelenergiepreise durch künstliche Verknappung zur Behinderung des Durchleitungswettbewerbs beiträgt.

- Für die Zukunft ist zu erwarten, dass die Märkte für Emissionszertifikate eine weitere Quelle der Preisvolatilität bilden und zusätzliche Manipulationsmöglichkeiten bieten. Für die Märkte für SO2-Zertifikate in Kalifornien 2000 liegen einschlägige Erfahrungen vor.

Die Erfahrungen der letzten Jahre bestätigen die hier gegebene Einschätzung: Die Preisentwicklung an den Strombörsen zeichnet sich durch erhebliche Volatilität aus, teilweise auch durch Preisausschläge, die an den Aktienbörsen die Finanzmarktaufsicht auf den Plan rufen würden. Die Differenz zwischen den Preisen für Regelenergie und den Großhandelspreisen ist außergewöhnlich hoch und ist vermutlich nur aufgrund der durch die Präqualifikationsanforderungen der Verbundunternehmen begründeten Marktzutrittshemmnisse aufrechtzuerhalten.

Die Erfahrungen anderer Länder wie auch die Erfahrungen der Finanzmärkte zeigen, dass Preisvolatilität und Manipulationsanfälligkeit der Märkte nur bekämpft werden können, wenn hinreichend Transparenz besteht. Die Aufsichtsbehörde muss in der Lage sein, bei Verdacht der Marktmanipulation das Marktverhalten der Beteiligten zu ermitteln und gewisse Muster von Transaktionen zu ahnden.

Dieses Postulat betrifft die Strommärkte insgesamt, nicht nur die Märkte für Regelenergie. Insofern ist problematisch, dass Gesetz- und Verordnungsentwürfe ein von der Regulierungsbehörde zu überwachendes Transparenzerfordernis nur für die Märkte für Regelenergie erheben. Auch dabei ist zu monieren, dass der Bedarf an Regelenergie als gegeben betrachtet wird und das Transparenzerfordernis sich im wesentlich auf Beschaffung und Erbringung von Regelenergie beschränkt.

Ein weitergehendes Transparenzerfordernis läge nicht zuletzt im Interesse der betroffenen Unternehmen selbst. Aussagen zu den Auswirkungen umweltpolitischer Vorschriften auf die Strompreise, etwa zu den Auswirkungen der Abschaltung von Atomkraftwerken bei Überschreiten der Grenzwerte für Flusstemperaturen, oder auch Aussagen zum erhöhten Regelenergiebedarf bei Stromerzeugung aus Windenergie würden nachhaltiger wirken, wenn eine transparente Berichterstattung über den tatsächlichen Kraftwerksbetrieb den Adressaten die Gewissheit gäbe, dass die beobachteten Preisausschläge - anders als in Kalifornien - nur auf die genannten Ausfälle zurückgehen und nicht noch auf zusätzliche Kraftwerksabschaltungen.

1.5 Fehlentwicklung in Deutschland seit der Marktöffnung

In den vergangenen Monaten haben Ankündigungen von Preiserhöhungen in der Energiewirtschaft für Empörung in Politik und Medien gesorgt. Es ist jedoch müßig, sich über Preiserhöhungen zu empören, wenn man es vorher versäumt hat, die richtigen Rahmenbedingungen für eine wettbewerbliche Entwicklung der Marktstrukturen zu setzen. Diesbezüglich hat die Monopolkommission bereits im XIV. Hauptgutachten im Sommer 2002 gewarnt, "dass hohe Energiepreise schon bald wieder als negativer Standortfaktor die deutsche Wirtschaftsentwicklung beeinträchtigen können." Aus Sicht der Monopolkommission ist die Preisentwicklung ein Symptom für die Fehlentwicklung der Rahmenbedingungen und der Marktstrukturen. Um so wichtiger ist es, dass die Novellierung des Energiewirtschaftsgesetzes benutzt wird, um verlässliche Rahmenbedingungen für eine Wettbewerbsentwicklung zu schaffen.

Die Fehlentwicklungen seit der Marktöffnung lassen sich wie folgt zusammenfassen:

- Das Regime des verhandelten Netzzugangs hat zwar dafür gesorgt, dass zumindest im Bereich der Stromwirtschaft explizit diskriminatorische Netzzugangsbedingungen verschwunden sind. Dieses Regime hat aber nicht verhindern können, dass Durchleitungsentgelte in Übertragungs- und Verteilungsnetzen überhöht sind und den Durchleitungswettbewerb behindern.

- Die Bemühungen des Bundeskartellamts, überhöhte Durchleitungsentgelte im Rahmen der Missbrauchsaufsicht zu ahnden, sind aufgrund von materiellen und verfahrensrechtlichen Schwierigkeiten gescheitert. Durch die Verrechtlichung der Verbändervereinbarungen in der Energiewirtschaftsnovelle von 2003 hat der Gesetzgeber zu diesen Schwierigkeiten beigetragen und der Überhöhung der Durchleitungsentgelte Vorschub geleistet.

- Die Zusammenschlüsse auf der Verbundebene haben die horizontale Konzentration im Bereich der Stromerzeugung dramatisch gesteigert. Implizite Verhaltenskoordination der Stromerzeuger ist dadurch erheblich vereinfacht worden; auch das Potential zur manipulativen Beeinflussung der Märkte  durch einseitige Maßnahmen eines einzelnen Unternehmens hat sich drastisch erhöht.

- Die Akquisition zahlreicher Beteiligungen an Stadtwerken durch die Verbundunternehmen hat einen Marktverschluss durch vertikale Vorwärtsintegration bewirkt; als Kunden für unabhängige Stromerzeuger oder Stromhändler fallen viele Stadtwerke seither aus.

- Die unabhängigen Stromhändler, die nach der Liberalisierung in den Markt eingetreten waren, sind fast durchweg wieder ausgeschieden.

- Die Tätigkeit der Verbundunternehmen selbst wird weitgehend durch ihre traditionellen Netzgebiete bestimmt. Durchleitungswettbewerb über die Gebietsgrenzen hinweg ist zwischen ihnen kaum zu beobachten; selbst größte industrielle Stromabnehmer klagen, dass es kaum möglich ist, ein konkurrierendes Angebot eines anderen als des "für sie zuständigen" Verbundunternehmens zu erhalten, und dass in einer Verhandlung nur die Drohung der Eigenerzeugung von Gewicht sei.

- Für die Gasmärkte ist das Bild insofern noch düsterer, als aufgrund der Defizite der Verbändevereinbarungen der Durchleitungswettbewerb durchweg nur eine marginale Rolle spielte und im übrigen Ruhrgas als mit Abstand führender Gasimporteur die Großhandelsmärkte beherrscht.

Im Zuge dieser Fehlentwicklungen hat die mangelnde Funktionsfähigkeit des Durchleitungsregimes als Grundlage für Wettbewerb eine zentrale Rolle gespielt: Die Verlagerung von Kostenkomponenten in die Übertragungsnetze hat den Verbundunternehmen die Möglichkeit gegeben, in einer Anfangsphase nach der Liberalisierung die Strompreise selbst zu senken, auch die Durchleitungsgebühren in Verteilungsnetzen von Konzerntöchtern relativ niedrig zu halten. Beides hat Druck auf die Stadtwerke ausgeübt und dazu beigetragen, dass viele von ihnen der Strategie der vertikalen Vorwärtsintegration der Verbundunternehmen kaum Widerstand entgegensetzten: Relativ niedrige Durchleitungsgebühren in Verteilungsnetzen von Verbundunternehmen lenkten die Aufmerksamkeit der Kartellbehörden auf die höheren Gebühren in den Verteilungsnetzen der Stadtwerke; der dadurch entstehende Druck auf die Durchleitungsgebühren der Stadtwerke bei niedrigen Preisen für die Stromlieferungen selbst wirkte als Bedrohung für das Großkundengeschäft der Stadtwerke und machte diesen deutlich, dass die Marktöffnung für sie nicht nur die Chance besserer Bezugsbedingungen von den Verbundunternehmen, sondern auch das Risiko des Wettbewerbs auf der eigenen Absatzseite mit sich brachte. Gleichzeitig machten hohe Durchleitungsgebühren in den Übertragungsnetzen und hohe Volatilität in den Großhandelspreisen den Stadtwerken deutlich, dass eine Strategie der Ausnutzung des Wettbewerbs unter den Stromerzeugern mit erheblichen Kosten und Risiken verbunden sein könnte. Insofern hat die Durchleitungsproblematik - abgesehen von den unmittelbaren Wettbewerbswirkungen - einen erheblichen Beitrag zur Zementierung der vertikalen Marktstrukturen geleistet.

1.6 Anforderungen an ein neues Energiewirtschaftsgesetz

Es ist nicht auszuschließen, dass die Zementierung von Strukturen durch horizontale und vertikale Konzentration inzwischen derartige Ausmaße angenommen hat, dass auch ein Durchleitungsregime, dass Missbräuche der mit den Netzen verbundenen Monopolmacht wirksam ausschließt, den Wettbewerb nicht mehr beleben kann. Gleichwohl ist es nach Auffassung der Monopolkommission unerlässlich, dass der Gesetzgeber aus den Fehlentwicklungen der letzten Jahre die Lehre zieht und nunmehr die Rahmenbedingungen für die Energiewirtschaft so gestaltet, dass eine Verwendung der Netzmonopole zur Wettbewerbsbehinderung wirksam ausgeschlossen wird. Dazu sind folgende Forderungen zu stellen:

- Der Maßstab für die Beurteilung von Netzentgelten darf nicht in der Hoheit der betroffenen Unternehmen liegen. Hinsichtlich der Höhe der zu berücksichtigenden Kosten muss ein Effizienzstandard verhindern, dass die Unternehmen durch willkürliches Kostenmachen die Netzentgelte in die Höhe treiben. Ferner muss eine Methodenhoheit der Aufsichtsbehörde dafür sorgen, dass die Verfahren der Zurechnung von Fixkosten und Gemeinkosten nicht weiter für Quersubventionierungen und Wettbewerbsbehinderung benutzt werden können.

- Die Regulierungsbehörde muss in der Lage sein, die für ihre Tätigkeit erforderliche Information jederzeit und verlässlich abzurufen. Dazu ist erforderlich, dass die verschiedenen Tätigkeiten der betroffenen Unternehmen organisatorisch und buchhalterisch angemessen getrennt werden und dass die Regulierungsbehörde unabhängig vom Bestehen eines Missbrauchsverdachts einen Anspruch auf die betreffenden Informationen hat.

- Informationsansprüche und Eingriffsrechte der Regulierungsbehörde sollten sich nicht auf die Netze beschränken, sondern zumindest eine Kompetenz zur Marktaufsicht einbeziehen, insbesondere eine Kompetenz zur Aufsicht über die Märkte für Regelenergie. Transparenz bezüglich der jeweiligen Laufzeiten der Kraftwerke ist als Mittel zur Bekämpfung von Missbräuchen der Marktmanipulation unerlässlich; eine angemessene Missbrauchsaufsicht über die Märkte für Regelenergie ist darauf angewiesen.

- Die Rechtsvorschriften in Gesetz und Verordnungen dürfen keinen Raum für Obstruktion durch Prozessiererei bieten. Die Erfahrungen der Vergangenheit lassen erwarten, dass jeder Versuch, die derzeitigen Praktiken der Energiewirtschaft zu verändern, von den betroffenen Unternehmen mit allen Mitteln bekämpft werden wird. Das Beschreiten des Rechtswegs ist das gute Recht der Betroffenen; auch zeigt die Erfahrung bei Telekommunikation und Post, dass es nach Einführung der sektorspezifischen Regulierung einer gewissen Gewöhnung bedarf, bis die Rechtspraxis sich eingespielt hat. Um so wichtiger ist es, dass der Gesetzgeber nicht durch unklare Formulierungen zur Rechtsunsicherheit beiträgt.

- Die Regulierungsbehörde muss unabhängig von politischen Einflüssen arbeiten können. Von einer Branche, die 2002/03 die Tätigkeit des Bundeskartellamts zum Anlass genommen hat, eine Gesetzesnovellierung zu erwirken, die eben dieser Missbrauchsaufsicht engste Grenzen zog, wird nicht den Versuch scheuen, mit denselben Mechanismen der politischen Einflussnahme auch die sektorspezifische Regulierung zu "zähmen". Für die Entwicklung funktionsfähigen Durchleitungswettbewerbs auf verlässlicher rechtlicher Grundlage wäre das fatal.

1.7 Ex-ante- versus Ex-Post - Regulierung

Die Monopolkommission hat sich in der Vergangenheit nachdrücklich für ein System der Ex-ante-Regulierung ausgesprochen. In der politischen Diskussion um Ex-ante- und Ex-post-Regulierung ist die Frage nach den relativen Vor- und Nachteilen beider Regimes mit der Frage nach den Kapazitäten der Regulierungsbehörde vermengt worden. Eine Ex-ante-Regulierung, so heißt es vielfach, sei nicht praktikabel, denn die Regulierungsbehörde sei nicht in der Lage, in kurzer Frist für 1500 Unternehmen die Netzentgelte festzulegen. Dazu ist folgendes anzumerken:

- Die Einschätzung, dass es kaum möglich ist, in kurzer Frist die Netzentgelte für 1500 regulatorisch zu bestimmen, ist sicher realistisch. Daraus folgt, dass Prioritäten gesetzt werden müssen. Das bedeutet aber nicht, dass ein System der Ex-post-Regulierung angemessen ist. Im System der Ex-post- Regulierung hängt die Auswahl der von der Behörde zu prüfenden Entgelte von ihrer jeweiligen Auffälligkeit ab, etwa im Rahmen eines Entgeltvergleichs. Dieses Kriterium ist insofern problematisch, als (1.) es hin und wieder sachliche Gründe für Abweichungen von Vergleichsentgelten gibt und die Arbeitskapazität der Regulierungsbehörde sich dann mit der Aufarbeitung dieser Gründe verbraucht und (2.) die Frage nach der strategischen Bedeutung des betreffenden Entgelts für die Funktionsfähigkeit des Durchleitungswettbewerbs vernachlässigt wird.

- Wenn man einen Vorrang der Ex-post-Regulierung mit Praktikabilitätserwägungen begründet, so darf man nicht vergessen, dass die Praktikabilität der Regulierung auch von den vorgesehenen Standards und Verfahren abhängt. Konkret: Wenn Ex-post-Regulierung bedeutet, dass die Regulierungsbehörde außerhalb des Bestehens eines Anfangsverdachts nur eingeschränkte Informationsansprüche hat, dass das Unternehmen durch Verfahrensverzögerungen den mutmaßlichen Missbrauch über längere Zeit aufrechterhalten kann und dass die Hoheit über die Bestimmung der angemessenen Kostenzurechnungsmethoden de jure oder de facto weitgehend beim Unternehmen liegt, so wird sich die Ex-post-Regulierung als unpraktikabel erweisen. Materielle Standards für Netzzugangsbedingungen und -entgelte und Informationsansprüche der Regulierungsbehörde sollten unabhängig davon sein, ob die Regulierung ex ante oder ex post erfolgt.

- Wettbewerbspolitisch erscheint es angebracht, die Ressourcen der Regulierungsbehörde prioritär auf die Regulierung der Durchleitung in den Übertragungsnetzen der Verbundunternehmen einzusetzen. Für diese Prioritätensetzung sprechen folgende Gründe:

Eine staatliche Regulierung der Netzzugangsbedingungen und -entgelte dient zwei Zielen: Zum einen dem Schutz der Kunden vor der Ausbeutung durch die Inhaber der natürlichen Monopole in den Netzen, zum anderen die Mobilisierung von Effizienz- und Innovationspotentialen durch eine wettbewerbliche Organisation der Stromerzeugung. Letzteres ist insbesondere auch im Hinblick auf die anstehende Erneuerung des Kraftwerksparks von Bedeutung. Um so wichtiger ist es, dass die Regulierung dafür sorgt, dass dieser Wettbewerb so bald wie möglich gestärkt wird.

Wettbewerb bei der Stromerzeugung kommt insbesondere den kommunalen Energieversorgern zugute, zumindest soweit sie sich nicht schon gänzlich als Konzerntöchter fühlen. Wenn prioritäre Regulierung der Durchleitungsentgelte in den Übertragungsnetzen dafür sorgt, dass auf der Ebene der Stromerzeugung wieder mehr Wettbewerb herrscht, bekommen die Stadtwerke günstigere Einkaufsbedingungen. Die dadurch möglichen Einsparungen auf der Beschaffungsseite bietet eine Kompensation für die zu erwartenden Erlösminderungen durch regulatorische Beschränkungen ihrer Monopolmacht in den Verteilungsnetzen. Die Auswirkungen wirksamer Regulierung der Verteilungsnetze auf die kommunalen Finanzen werden dadurch neutralisiert. Die Kommunen würden feststellen, dass sie durch die Einführung funktionsfähigen Wettbewerbs auch etwas zu gewinnen haben.

2. Zum vorliegende Gesetzentwurf

2.1 Zweck des Gesetzes

Die Nennung des Verbraucherinteresses unter den Zwecken des Gesetzes ist grundsätzlich zu begrüßen. Wie in Abschnitt 1.2 ausgeführt wurde, ist das Problem der Beschränkung oder Verhinderung von Missbräuchen der mit den Netzen verbundenen Monopolmacht nicht nur ein Problem der Gewährleistung von Wettbewerb in vor- oder nachgelagerten Märkten, sondern auch ein Problem der Beschränkung von Ausbeutungsmissbräuchen als solchen. Dieses Problem betrifft unmittelbar die Verbraucherinteressen.

2.2 Verteilung der Kompetenzen auf Bund und Länder

Die Zuständigkeit für Übertragungsnetze in der Stromwirtschaft und Fernleitungsnetze in der Gaswirtschaft sollte auf jeden Fall bei der Bundesbehörde liegen.

Hinsichtlich der Verteilungsnetze, insbesondere der kommunalen Unternehmen, besteht ein Konflikt zwischen dem Desideratum der Einheitlichkeit im Ergebnis und dem Desideratum der Kompetenzzuweisung nach Betroffenheit. Die Regulierung der Durchleitung in den Verteilungsnetzen eines Stadtwerks ist vor allem lokal von Bedeutung. Dieser Umstand spricht für eine Regulierungskompetenz auf Landesebene.

Gegen eine Kompetenzzuweisung an die Länder wird das Erfordernis der Einheitlichkeit der Regulierung ins Feld geführt, auch die Erfahrung, dass in der Vergangenheit einzelne Länder in der Handhabung der Preisregulierung durch die Wirtschaftsministerien relativ lax vorgegangen sind und den kommunalen Energieversorgungsunternehmen vielfach freie Hand gelassen haben. Von Seiten der Länder ist dazu zu hören, dass der Maßstab der wirtschaftlich-rationellen Betriebsführung ihnen gar nicht die Möglichkeit gegeben habe, härter einzugreifen.

Ob das Problem der "regulatory capture", der Vereinnahmung der Regulierung durch die Regulierten, auf Landesebene wirklich größer ist als auf Bundesebene, muss an dieser Stelle nicht erörtert werden. Meines Erachtens ist maßgeblich, dass die Auswirkungen der Regulierung lokaler Netze vor allem lokal zu spüren sind und eine Kompetenzzuweisung an die Länder dieser lokalen Betroffenheit entspricht. Wichtig wäre es, durch entsprechende Verfahrensvorgaben dafür zu sorgen, dass Transparenz herrscht und die Wähler wissen, welcher Behörde sie die Höhe der Durchleitungspreise zu verdanken haben.

Eine Dezentralisierung der Gesetzesanwendung böte die Möglichkeit für mehr Experimente. Wenn verschiedene Landesbehörden unterschiedlich vorgehen, kann man mehr Erfahrungen sammeln, wie die einzelnen Eingriffsformen sich in der Praxis bewähren, hat man auch mehr Spielraum, den faktisch gegebenen Unterschieden der verschiedenen Unternehmen auf Verteilungsebene Rechnung zu tragen.

2.3 Unabhängigkeit der Behörde

Im Zuge der Novellierung des TKG hat die Monopolkommission sich ausführlich zu diesem Thema geäußert. Insofern verweise ich auf die in Kap. 3 von Sondergutachten 40, "Zur Novellierung des Telekommunikationsgesetzes", formulierten Empfehlungen:

- Zur Rolle von Weisungen an die Behörde sollte das Gesetz nicht nur klarstellen, dass allgemeine Weisungen des Ministers im Bundesanzeiger zu veröffentlichen sind, sondern auch feststellen, dass Einzelweisungen nicht stattfinden.

- Weiterhin sollte die persönliche Unabhängigkeit des Präsidenten und der Vizepräsidenten durch eine Änderung ihres personalrechtlichen Status gestärkt werden. Vorzusehen wären zum einen ein beamtenrechtlicher Status statt einer vertraglichen Regelung, zum anderen eine Verlängerung der Amtsperiode auf acht bis zehn Jahre bei gleichzeitiger Abschaffung der Möglichkeit einer Wiederberufung.

Die von der Monopolkommission bei der Novellierung des TKG angegebenen Gründe für diese Empfehlung gelten nach wie vor, im Energiebereich mit seiner Geschichte der tatsächlichen oder versuchten "regulatory capture" vielleicht noch mehr als in anderen Sektoren. Daher ist nachdrücklich zu fordern, dass § 61 von Art. 1 des vorliegenden Gesetzentwurfs um ein Verbot von Einzelweisungen ergänzt wird, ferner, dass § 4 von Art. 2 des vorliegenden Entwurfs entsprechend dem Vorschlag der Monopolkommission geändert wird.

2.3 Ex-ante/Ex-post-Aufsicht

Zur inhaltlichen Bewertung der zu diesem Thema geführten Diskussion verweise ich auf die Ausführungen in Abschnitt 1.7 dieser Stellungnahme. Wichtigste Schlussfolgerungen sind:

- In der Praxis wird eine Prioritätensetzung durch die Regulierungsbehörde zweifellos erforderlich sein, doch bieten die im Rahmen einer Ex-post-Aufsicht maßgeblichen Eingriffskriterien dafür nicht den angemessenen Maßstab. Insbesondere hätten Erwägungen der wettbewerbspolitischen Wirkungen zu wenig Gewicht.

- Unabhängig von der Frage der Prioritätensetzung und der Frage Ex-ante/Ex-post muss sichergestellt werden, dass die Regulierungsbehörde auch dort, wo sie sich nicht aktiv engagiert, laufend die für eine angemessene Regulierung erforderlichen Informationen erhält. Ex-post-Regulierung darf nicht bedeuten, dass die Behörde im Einzelfall und nachträglich der Information hinterher laufen muss, während die Unternehmen Verzögerungen nutzen, um Missbräuche möglichst lang aufrechtzuerhalten.

- Unabhängig von der Frage der Prioritätensetzung muss auch sichergestellt werden, dass die Regulierungsbehörde die Möglichkeit hat, bei der Entgeltregulierung im einzelnen auf den Systemzusammenhang einzugehen, der besteht, weil die verschiedenen Einzelentgelte zusammen die Deckungsbeiträge für fixe Kosten und Gemeinkosten erwirtschaften müssen. Die Methodenhoheit zur Beurteilung von Zurechnungsverfahren muss im Zweifel bei der Regulierungsbehörde liegen.

Die neu ins Gespräch gebrachte Version einer Ex-ante-Regulierung für Preiserhöhungen ist insofern nicht sachgerecht, als jetzt schon bestehende Überhöhungen von Entgelten nicht erfasst werden. Wie in Teil 1 dieser Stellungnahme ausgeführt, haben wir es aber heute schon, und dies seit einigen Jahren, mit überhöhten Netznutzungsentgelten zu tun. Dieser aus allen Benchmarking-Berichten der Europäischen Kommission und auch aus dem Monitoring-Bericht des Bundesministeriums für Wirtschaft und Arbeit zu entnehmende Befund verlangt nach einer Kontrolle derzeit erhobener Entgelte genauso wie nach einer Kontrolle zukünftiger Entgelterhöhungen.

Dem Problem, dass die Regulierungsbehörde nicht die Netznutzungsentgelte von 1500 Unternehmen auf einmal neu genehmigen kann, ist durch Übergangsregelungen zu begegnen. Im Hinblick auf die Ausführungen in Abschnitt 1.6 wäre auch daran zu denken, dass man die Ex-ante- Regulierung unmittelbar auf die Verbundunternehmen und ihre Übertragungsnetze bzw. die Fernleitungsnetze der Gasindustrie anwendet und erst nach einer Übergangszeit auch auf die kommunalen Energieversorgungsunternehmen und ihre Verteilungsnetze.

2.4 Vergleichsmarktverfahren/Ausgestaltung einer Anreizregulierung

Zum Grundsätzlichen verweise ich auf Kap. VI des XIV. Hauptgutachtens der Monopolkommission. Aus den dortigen Ausführungen ergibt sich, dass es keine Patentantwort auf die Frage nach der angemessenen Regulierungsmethoden gibt. Insofern sollte der Gesetzgeber auch nicht versuchen, ein Regulierungsverfahren verbindlich vorzuschreiben. Statt dessen sollte er einerseits klar die Möglichkeit einer Anreizregulierung vorsehen, andererseits Ministerium und Behörde die Möglichkeit geben, Erfahrungen zu sammeln und ggfs. auch zum Anlass für Änderungen der Regulierungsmethode zu nehmen. Dabei wäre allerdings auf folgendes zu achten:

- Bezüglich des jeweils geltenden Verfahrens muss unbedingt Transparenz herrschen, ferner muss sichergestellt sein, dass das Verfahren eine gewisse Dauer hat.

- Änderungen sollten erst nach einem öffentlich geführten Diskussionsprozess zur Beurteilung der Erfahrungen erfolgen; ein solcher Prozess sollte etwa alle fünf Jahre stattfinden. Gegen den Versuch einer a-prioriíschen Festschreibung von Methoden sprechen folgende Gründe:

- Da es um natürliche Monopole geht, sind die relevanten Vergleichsmärkte nicht wettbewerblich organisiert. Auch ist das Ausmaß der Vergleichbarkeit im Einzelfall strittig. Anschauungsmaterial dazu liefert der Fall Stadtwerke Mainz.

- Kostenorientierte Verfahren sind anfällig gegenüber künstlichen Kostenüberhöhungen durch die Unternehmen, Anreizverfahren gegenüber Kosteneinsparungen, die zu Lasten von Qualität und Sicherheit gehen können. Wie man diese Vor- und Nachteile gewichtet, hängt von den jeweiligen Gegebenheiten ab. Wir sind nicht in der Lage, a priori zu sagen, welche Methode am besten ist.

- Die englischen Erfahrungen sprechen für die Verwendung von Price Cap und Benchmarking-Verfahren, insbesondere auch, weil die betroffenen Unternehmen selbst dabei sehen, dass Effizienz sich lohnt und sie von der Regulierung nicht nur Nachteile haben. Bei diesen anreizorientierten Verfahren kommt es sehr auf die Wahl der jeweiligen Körbe an. Welche Wahl angemessen ist, hängt wiederum von den Wettbewerbsentwicklungen in den Märkten ab.

2.5 Investitionsanreize und Versorgungsqualität

Bei diesem Thema sind vorab zwei Punkte richtig zu stellen:

- Hohe Energiepreise, hohe Durchleitungspreise und monopolistische Strukturen sind keine Garanten für Investitionen und Netzsicherheit. Die Erfahrungen in Italien zeigen dies sehr deutlich.

- Es kann auch ein Zuviel an Investitionen und Netzsicherheit geben. Die Ressourcen, die die Energiewirtschaft in die Netze steckt, stehen nicht für andere Investitionen zur Verfügung. Aus der empirischen Forschung weiß man: Sektoren und Unternehmen, die einer an den Ist-Kosten orientierten Preisregulierung unterliegen, tendieren dazu, zuviel zu investieren. Insofern ist zu fragen, was es bedeutet, wenn die deutsche Energiewirtschaft sich rühmt, man habe im vergangenen Jahr nur 15 Minuten Stromausfall pro Person gehabt, die Engländer dagegen 90 Minuten. Könnte man sich vorstellen, dass der Unterschied zwischen 90 Minuten und 15 Minuten durch ein Mehr an Flexibilität auf Kundenseite, etwa durch vermehrte Verwendung kurzfristig nutzbarer Anlagen zur Eigenerzeugung, auf eine Weise bewältigt werden könnte, dass die Mehrkosten hinter den Kosten der für die zusätzliche Sicherheit erforderlichen Investitionen zurückbleiben?

Im Normalfall verlassen wir uns auf das Marktsystem, weil diese Art von Abwägung nicht angemessen am grünen Tisch vorzunehmen ist. Der Gesetzgeber sollte sich davor hüten, dass er in diesem Bereich quantitative und qualitative Standards vorgibt, deren Kosten und Nutzen er nicht abschätzen kann. Statt dessen sollte er hier wie auch anderswo auf die Wirkung angemessener Preissignale vertrauen. In diesem Zusammenhang ist völlig unstrittig, dass Regulierung den Unternehmen die Möglichkeit geben muss, angemessene Ertragsraten zu erwirtschaften, d.h. Ertragsraten, die die Kapitalkosten einschließlich der jeweiligen anlagenspezifischen Risikoprämien abdecken. Zum Grundsätzlichen verweise ich auf die Ausführungen der Monopolkommission in Kapitel 7 von Sondergutachten 39, "Telekommunikation und Post 2003: Wettbewerbsintensivierung in der Telekommunikation - Zementierung des Postmonopols".

In Anbetracht dessen, dass die Regulierung den Unternehmen den Raum zur Erwirtschaftung der Kapitalkosten lassen muss, besteht kein Konflikt zwischen der Unterwerfung der Unternehmen unter die sektorspezifische Regulierung und der Schaffung von Anreizen für Investitionen. Eine ggfs. befristete Herausnahme großer Investitionen aus der Regulierung wäre daher nicht sachgerecht. Im übrigen ließe sich eine Regelung über eine solche Herausnahme auf vielfältige Weise missbrauchen.

Allerdings gibt es ein ernst zu nehmendes Anliegen: Bei großen, über viele Jahre, wenn nicht sogar Jahrzehnte zu amortisierenden Investitionen stellt sich die Frage, wie mit dem Effizienzerfordernis als Maßstab der Entgeltregulierung umzugehen ist, wenn in diesen Jahren die Technologie sich ändert und neue, effizientere Anlagen entwickelt werden. Bei der Telekommunikationsregulierung wird der Standard der Kosten der effizienten Leistungsbereitstellung jeweils ex nunc, d.h. entsprechend dem zum Regulierungszeitpunkt gerade relevanten Stand der Technik, angewandt. Das dadurch entstehende Risiko, dass die von Anlagen mit längerer Laufzeit erbrachten Leistungen in späteren Jahren entsprechend dem zwischenzeitlichen technischen Fortschritt niedriger entgolten werden, ist dementsprechend bei der Berechnung der Risikoprämie für das eingesetzte Kapital zu berücksichtigen. Dieses Verfahren hat den Vorteil, dass der Maßstab der Entgeltregulierung weitgehend unabhängig von der Vergangenheit des Unternehmens ist. Aus der Vergangenheit herrührende Besonderheiten des Kapitalbestands oder der Finanzierungsstruktur bleiben unberücksichtigt. Allerdings kann man Zweifel haben, ob das Verfahren zu einer angemessenen Risikoallokation führt. Das Risiko, dass die Technik voranschreitet, wird dem Unternehmen mit einer Strenge angelastet, die deutlich über das hinausgeht, was viele Unternehmen in wettbewerblich organisierten Märkten erfahren, dies bei deutlich höheren Größenordnungen und Laufzeiten der Investitionen. Aufgrund der methodischen Schwierigkeiten anlagenspezifischer Risikozumessungen ist auch die Gefahr nicht von der Hand zu weisen, dass den mit der regulatorischen Berücksichtigung von Innovationen einhergehenden Risiken bei der Berechnung von Risikoprämien nicht angemessen Rechnung getragen wird.

Das Problem ließe sich jedoch lösen, wenn bei Investitionsprojekten bestimmter Größenordnungen und bestimmter Fristigkeiten das Effizienzkriterium der Entgeltregulierung nicht dynamisch immer wieder ex nunc angewandt würde, sondern bestimmte für die Regulierung maßgebliche Kennzahlen zum Zeitpunkt der Investition festgeschrieben würden, so dass sie während eines festgesetzten Zeitraums nicht verändert werden könnten.

2.6 Haftungsregeln

Soweit die Befürchtung besteht, dass eine Anreizregulierung die Unternehmen dazu veranlasst, auch dort Kosten zu sparen, wo dadurch Sicherheitsstandards verletzt werden, sind diese Wirkungen der Anreizregulierung durch entsprechende Haftungsregeln zu korrigieren. Diese Regeln sollten allerdings nicht so weit gehen, dass die Beteiligten keinen Anreiz mehr haben, im Rahmen vertraglicher Regeln dafür zu sorgen, dass bestimmte Risiken auch von solchen Kunden getragen werden, die z.B. aufgrund der Verfügbarkeit von Notaggregaten o.ä. dazu in der Lage sind.

2.7 Transparenz

Hier stehen zwei Themen zur Diskussion: Transparenz über die Netzbetreiber und Transparenz über die Regulierung.

2.7.1 Transparenz über die Netzbetreiber

Die Regulierungsbehörde braucht, wie mehrfach erwähnt, einen klaren, gerichtlich nicht mit Aussicht auf Erfolg zu hinterfragenden, Anspruch auf Information von den betroffenen Unternehmen. Erforderlich sind nicht nur Informationen, die Aufschluss über Kosten und Kostenstrukturen geben, sondern auch Informationen, die der Marktaufsicht dienen, z.B. über An- und Abschaltzeiten von Kraftwerken. Dieser Informationsanspruch sollte ständig bestehen, unabhängig davon, ob die Information im Rahmen einer Ex-ante- oder einer Ex-post-Kontrolle benutzt werden soll.

Der Bedingungssatz in § 69 Abs. 1 von Art. 1 des vorliegenden Entwurfs ("Soweit es zur Erfüllung der in diesem Gesetz der Regulierungsbehörde zugewiesenen Aufgaben erforderlich ist...") wird sich im Rahmen von Verfahren der Ex-post-Kontrolle als kontraproduktiv erweisen, denn die Betroffenen können in jedem Fall zunächst die Erforderlichkeit anfechten und damit Zeit gewinnen.

2.7.1 Transparenz über die Regulierung

Hier ist an die Interessen der Netzbetreiber und an die Interessen der Kunden zu denken. Beide Gruppen sind darauf angewiesen, dass die Methoden der Regulierung klar feststehen und dass die Entscheidungen der Regulierungsbehörde in Anwendung der Methoden weitgehend vorhersehbar sind.

2.8 Liberalisierung des Mess- und Zählwesens

Eine Liberalisierung des Mess- und Zählwesens ist nachdrücklich zu unterstützen. Soweit ersichtlich, handelt es sich nicht um ein natürliches Monopol. Daher besteht kein Grund, auf die Vorzüge des Wettbewerbs in diesem Bereich zu verzichten.

2.9 Unbundling

Die Entflechtung von Netzunternehmen einerseits und Stromerzeugung und -vertrieb andererseits bietet eine Handhabe, bestimmten Missbräuchen entgegenzuwirken. Dies betrifft insbesondere Möglichkeiten der Quersubventionierung bzw. der intransparenten Kostenzurechnung innerhalb des Konzerns. Wie englische oder skandinavische Erfahrungen zeigen, wäre eine nicht nur formalrechtliche, sondern auch materielle Entflechtung hier allerdings noch wirkungsvoller. Sie würde insbesondere Wettbewerbsbehinderungen durch Informationsflüsse zwischen Netzunternehmen und Vertriebsunternehmen beenden.

2.10 Kalkulation der Netznutzungsentgelte

Die derzeitige Formulierung des § 21 in Art. 1 des vorliegenden Entwurfs ist kaum mehr als eine Lizenz zum Prozessieren. Das unvermittelte Nebeneinander verschiedener Maßstäbe lässt nicht erkennen, welcher dieser Maßstäbe im Konfliktfall gelten soll; hier werden die Betroffenen die gerichtliche Klärung suchen. Rechtsunsicherheit als Wettbewerbhemmnis wird in den Energiemärkten genauso wirken wie bei Telekommunikation und Post. Wenn der Gesetzgeber beim Text des vorliegenden Entwurfes bleibt, so wird er sich vorhalten lassen müssen, dass er damit das verfassungsmäßige Erfordernis der Bestimmtheit von Rechtsnormen verletzt.

Die jetzige Formulierung stellt nebeneinander die Maßstäbe der "Kosten einer energiewirtschaftlich rationellen Betriebsführung" und der Kosten "eines effizienten und strukturell vergleichbaren Netzbetreibers". Als Bedingungen werden weiterhin genannt die "Beachtung der Nettosubstanzerhaltung" sowie die "Berücksichtigung von Anreizen für eine kosteneffiziente Leistungserbringung und einer angemessenen Verzinsung des eingesetzten Kapitals".

Der Maßstab der "Kosten einer energiewirtschaftlich rationellen Betriebsführung" ist in der Vergangenheit eingesetzt worden bei der Preisaufsicht der Länder. Dabei ist er im Sinne einer Orientierung an den Ist-Kosten der Unternehmen interpretiert worden. Die Hoheit über die Zurechnung von Gemeinkosten lag bei den Unternehmen selbst. Wenn dieser Maßstab jetzt zur Grundlage der Kalkulation der Netznutzungsentgelte gemacht wird, so werden die Betroffenen Kontinuität zur Praxis der Vergangenheit fordern und ggfs. gerichtlich einzuklagen versuchen. Wenn der Verweis auf die Kosten eines "effizienten ... Netzbetreibers" und die "Berücksichtigung von Anreizen für eine kosteneffiziente Leistungserbringung", die Kosten der effizienten Leistungserbringung als Maßstab normativ neben die tatsächlichen Kosten der Netzbetreibers setzt, so ist nicht klar, wie dieses Effizienzerfordernis von den Gerichten beurteilt wird. Die Rechtsunsicherheit vergrößert sich noch, wenn man sich fragt, was "Nettosubstanzerhaltung" neben "kosteneffizienter Leistungserbringung" zu bedeuten hat, wenn eine kostenorientierte Preisaufsicht in der Vergangenheit Anreize zu Überinvestitionen gesetzt hat, d.h. wenn Effizienz zunächst ein gewisses Zurückfahren des Kapitalbestands erfordert.

Die Erfahrung mit der Rechtsprechung bei der Telekommunikation läßt vermuten, dass die Gerichte sich weitgehend an den Ist-Kosten der Unternehmen orientieren werden. Ohne einen klaren Effizienzstandard jedoch wird die Regulierung nicht in der Lage sein, die vorhandenen Missbräuche abzustellen und eine Grundlage für eine mögliche Korrektur der in der deutschen Energiewirtschaft eingetretenen Fehlentwicklungen zu schaffen. Insofern wiederhole ich hier die Empfehlung aus dem XV. Hauptgutachten der Monopolkommission, als Maßstab für die Entgeltregulierung allein die Kosten der effizienten Leistungsbereitstellung zu setzen. Die Regulierungsbehörde muss in der Lage sein, die Entgelte der Unternehmen anhand eines Maßstabs zu beurteilen, der nicht von diesen Unternehmen selbst geschaffen wird.

In der Sache ist - abgesehen vom politischen Widerstand der betroffenen Unternehmen - kein Grund ersichtlich, warum man in der Energiewirtschaft einen grundsätzlich anderen Regulierungsmaßstab verwenden sollte als in der Telekommunikation. Das Konzept der Kosten der effizienten Leistungsbereitstellung selbst ist flexibel genug, um sektoralen Besonderheiten der Kostenstrukturen in der Anwendung Rechnung zu tragen.

Auf jeden Fall aber ist der Gesetzgeber gefordert, den Maßstab für die Entgeltregulierung eindeutig festzulegen. Will er dem politischen Widerstand der betroffenen Unternehmen Rechnung tragen und eine weitgehend an den Ist-Kosten dieser Unternehmen orientierte - und damit in der Missbrauchsbekämpfung unwirksame - Regulierung einführen, so sollte er dies klar und deutlich tun - und sich dann auch die Verantwortung zurechnen lassen, wenn die Preiserhöhungsdiskussion der vergangenen Monate sich in ein oder zwei Jahren wiederholt. Er sollte jedoch nicht versuchen, als Kompromiss zwischen verschiedenen Interessen verschiedene Kriterien im Gesetz miteinander zu vermengen und die Betroffenen zur Klärung auf die Gerichte zu verweisen.

2.11 Stromhandel/Regelenergie

In Abschnitt 1.4 habe ich ausgeführt, dass ich eine Marktaufsicht über die Strommärkte, analog der Aufsicht über die Finanzmärkte, für notwendig halte. Die Enge dieser Märkte, ihre hohe Manipulationsanfälligkeit und die damit verbundene hohe Preisvolatilität machen neben der Durchleitungsproblematik und der Zementierung der Marktstrukturen eines der wichtigsten Wettbewerbshemmnisse aus. Die dadurch verursachten Probleme, sind, wie erläutert, unmittelbar von Belang für die Ziele und die Wirksamkeit der Regulierung. In Anbetracht der Interdependenz der verschiedenen Märkte und der Bedeutung der Regelenergiemärkte für Netze und Netzregulierung sollte diese Aufsicht m.E. bei der Regulierungsbehörde liegen. Diese müsste die Kompetenz haben, bei Auftreten bestimmter Preisausschläge in den Märkten den Ursachen nachzugehen und ggfs. das zugrundeliegende Verhalten zu ahnden.

Im Hinblick auf die Märkte für Regelenergie ergänze ich die obigen Ausführungen durch einen Hinweis auf die Empfehlung der Monopolkommission, die bisherigen vier Regelzonen in eine Regelzone Deutschland zu integrieren, um die dadurch möglichen Effizienzgewinne zu nutzen. Soweit die Unternehmen nicht bereit sind, die für die Integration der Regelzonen erforderlichen Investitionen zu tätigen, wird man sie vielleicht nicht ohne weiteres dazu zwingen können. Unter Anwendung eines Maßstabs der Kosten der effizienten Leistungsbereitstellung wäre man aber in der Lage, die Effizienzgewinne aus einer Integration der Regelzonen bei der Berechnung der Regelenergiekosten im Hinblick auf die Netznutzungsentgelte zu berücksichtigen. Vermutlich würden die Unternehmen dann von selbst darauf kommen, dass es besser ist, wenn sie diese Effizienzgewinne nutzen.



1 DEUTSCHER BUNDESTAG
Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit
15. Wahlperiode

Ausschussdrucksache 15(9)1539
29. November 2004

Schriftliche Stellungnahme
zur öffentlichen Anhörung am 29. November 2004 in Berlin

a) Gesetzentwurf der Bundesregierung
Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Neuregelung des Energiewirtschaftsrechts (BT-Drucksache 15/3917)

b) Antrag der Abgeordneten Dagmar Wöhrl, Karl-Josef Laumann, Dr. Joachim Pfeiffer, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU
Klaren und funktionsfähigen Ordnungsrahmen für die Strom- und Gasmärkte schaffen (BT-Drucksache 15/3998)

c) Antrag der Abgeordneten Gudrun Kopp, Rainer Brüderle, Birgit Homburger, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP
Für mehr Wettbewerb und Transparenz in der Energiewirtschaft durch klare ordnungspolitische Vorgaben (BT-Drucksache 15/4037)

Anzuhörende Verbände und Einzelsachverständige

Verband der Elektrizitätswirtschaft e. V. (VDEW)
Verband kommunaler Unternehmen e. V. (VKU)
Bundesverband der deutschen Gas- und Wasserwirtschaft e. V. (BGW)
Bundesverband Neuer Energieanbieter (BNE)
Verband der Industriellen Energie- und Kraftwirtschaft e. V. (VIK)
Verband der Chemischen Industrie e. V. (VCI)
Deutscher Industrie- und Handelkammertag (DIHK)
Bundeskartellamt
Regulierungsbehörde Telekommunikation und Post Reg TP
Deutscher Gewerkschaftsbund (DGB)
Verbraucherzentrale Bundesverband
Verband deutscher Gas- und Stromhändler (EFET Deutschland)
Bundesverband Erneuerbare Energien (BEE)
Greenpeace e. V.

Prof. Dr. Ulrich Büdenbender, TU Dresden
Prof. Dr. Uwe Leprich, Hochschule für Technik und Wissen, Saarbrücken
Herr RA Hartmut Gaßner, Kanzlei Gaßner, Groth, Siederer & Coll.
Herr RA Christian von Hammerstein, Hogan & Hartson Raue L.L.P. Bundesrechtsanwaltskammer
Prof. Dr. Ulrich Ehricke, Direktor des Instituts für Energierecht, an der Universität zu Köln
Prof. Dr. h. c. Martin Hellwig, Monopolkommission
Prof. Dr. Dr. h. c. mult. Walther Busse von Colbe, Ruhr-Universität-Bochum
Herr Dr. Christoph Riechmann, Frontier Economics