September 2002 |
020901 |
ENERGIE-CHRONIK |
Das Bundeswirtschaftsministerium hat die beantragte Fusion von E.ON und Ruhrgas am 5. September 2002 erneut verhandelt und am 18. September ein zweites Mal genehmigt. Das Ministerium ist weiterhin der Meinung, daß der Zusammenschluß die Versorgungssicherheit in Deutschland verbessere und deshalb im Interesse des Gemeinwohls die schweren Bedenken wegen der Beeinträchtigung des Wettbewerbs zurücktreten könnten, die vom Bundeskartellamt und der Monopolkommission geäußert werden.
Das Ministerium hatte sich zur Neuverhandlung des Antrags auf Erteilung einer Ministererlaubnis entschlossen, nachdem das Oberlandesgericht Düsseldorf den Vollzog der ersten Ministererlaubnis vom 5. Juli wegen gravierender Verfahrensfehler stoppte (020701). Es vertritt aber weiterhin den Standpunkt, daß die erste Ministererlaubnis in einem ordnungsgemäßen Verfahren zustande gekommen sei und beantragte inzwischen - unter Verweis auf die Neuverhandlung - die Aufhebung des Vollzugsverbots. Das Gericht will den Rechtsstreit Ende November oder Anfang Dezember verhandeln. Es ist kaum damit zu rechnen, daß es dem Antrag der Bundesregierung auf Aufhebung des Vollzugsverbots vorher stattgeben wird.
In der jetzt erteilten zweiten Genehmigung hat Staatssekretär Alfred Tacke die Auflagen für die Fusion leicht verschärft und dies mit neueren Entwicklungen begründet, die bei der früheren Entscheidung noch nicht hätten hinreichend berücksichtigt werden können. Hierzu zählten das beabsichtigte Ausscheiden der Ölkonzerne Exxon und Shell aus dem Kreis der Ruhrgas-Aktionäre, der Eintritt der ENI in den deutschen Markt (020601) und die noch immer nicht erfolgte Novellierung des Energiewirtschaftsgesetzes (020903).
Die Verschärfung besteht im wesentlichen darin, daß sich nicht nur E.ON, sondern auch die Ruhrgas von ihren Beteiligungen an der Bayerngas GmbH und der Bremer swb AG trennen muß. Außerdem wird die Erdgasmenge, welche die Ruhrgas im Rahmen einer Auktion verkaufen muß, von 75 auf 200 Mrd. kWh erhöht.
Die Monopolkommission bekräftigte am 5. September in einem ergänzenden Sondergutachten ihr ablehnendes Votum vom Mai. Sie hielt es für rechtlich und inhaltlich problematisch, wie die Ministererlaubnis die vom Bundeskartellamt festgestellten Wettbewerbsbeschränkungen unter Berufung auf ein angeblich überwiegendes Gemeinwohlinteresse abgewertet habe. Die vorgesehenen Auflagen seien zum Teil ebenfalls rechtlich bedenklich. Vor allem seien sie wenig geeignet, den vom Bundeskartellamt festgestellten Wettbewerbsbeschränkungen entgegenzuwirken.
Die Kommission hielt es anderem für sinnlos, nur E.ON den Rückzug aus Bayerngas und swb aufzuerlegen, während die Ruhrgas ihre strategischen Beteiligungen in diesen Unternehmen behalten darf. Die Veräußerung der E.ON-Beteiligung am Regionalversorger EWE lasse keine spürbare Reduzierung der zu befürchtenden "erheblichen Marktverschlußwirkungen" erwarten. Ähnliches gelte für den Verkauf von Gelsenwasser. Die zu verkaufende Gasmenge entspreche nur etwa vier Prozent des Gasabsatzes, den Ruhrgas im Jahr 2000 erreichte, und nur 2,5 Prozent des gesamten deutschen Gasmarktvolumens. Die Absicht des Ministeriums, sich ein Veto-Recht zur Erhaltung von Ruhrgas als deutschem Unternehmen sichern, sei mit nationalem und europäischem Recht unvereinbar.
Aus Sicht der Monopolkommission ist derzeit noch
unklar, ob Exxon und Shell mit dem Verkauf ihrer 25-prozentigen Beteiligung
an der Ruhrgas AG nur "Kasse machen" wollen oder anschließend eigenständige
Aktivitäten auf dem Gasmarkt entwickeln werden (beide halten ihre
Beteiligung gemeinsam über die BEB).
Ähnliches gelte für den Ausstieg der British Petrol (BP) beim
Ruhrgas-Aktionär Gelsenberg AG (010701).
Die Stadtwerke Hannover dürfen ihre Stromhandels-Tochter Ampere AG nicht zwingen, gegen das eigene wirtschaftliche Interesse zu handeln, obwohl sie 75 Prozent der Anteile an der Berliner Firma besitzen. Dies bestätigte nach dem Charlottenburger Amtsgericht am 16. September auch das Berliner Landgericht. Der Vorstand der Ampere AG sieht durch die Fusion von E.ON und Ruhrgas die Existenz des Unternehmens bedroht und hatte deshalb Anfang Juli die erste Klage gegen die Ministererlaubnis eingereicht. Die Stadtwerke Hannover, an denen Ruhrgas und E.ON mit jeweils 12 Prozent beteiligt sind, hatten daraufhin ihre Stromhandels-Tochter zur Rücknahme der Klage aufgefordert und die Abberufung des Vorstands angekündigt (020701). Der Gerichtsentscheidung zufolge muß die von den Stadtwerken Hannover beantragte Abberufung des Ampere-Vorstandes nicht auf die Tagesordnung der nächsten Hauptversammlung gesetzt werden, da sie aus unsachlichen Gründen betrieben werde. Die Stadtwerke seien offensichtlich bereit, eine Existenzgefährdung von Ampere in Kauf zu nehmen, um die Fusion von E.ON und Ruhrgas voranzubringen. (FTD, 18.9.).
Nach Ansicht der "Süddeutschen Zeitung" (20.9.) war das Verfahren um die Ministererlaubnis "zu keiner Zeit ergebnisoffen und damit eine Farce". Unter anderem ließen sich daraus folgende Lehren ziehen: "Erstens: Einigen Politikern sind Zusagen gegenüber Großkonzernen wichtiger als die Interessen der Verbraucher. Zweitens: Dafür nehmen sie es sogar in Kauf, sich gründlich zu blamieren. Drittens: Öffentliche Proteste dringen kaum durch, weil sich neben der SPD auch die Union als Schutzmacht für Eon und Ruhrgas versteht. Und viertens: Die MInistererlaubnis im deutschen Kartellrecht ist überholt, weil sie Willkür zuläßt und damit außerhalb der wettbewerblichen Ordnung steht."