Januar 2002 |
020110 |
ENERGIE-CHRONIK |
Mehr als 915.000 Österreicher unterschrieben im Januar ein Volksbegehren gegen das tschechische Kernkraftwerk Temelin, dessen erster Block sich derzeit im Probebetrieb befindet (010819). Das Volksbegehren wurde von der rechtsgerichteten "Freiheitlichen Partei Österreichs" (FPÖ) initiiert und von der einflußreichen Boulevardzeitung "Neue Kronen Zeitung" massiv unterstützt. Es verlangt den Erlaß eines Gesetzes, wonach Österreich einem EU-Beitritt Tschechiens erst bei Stillegung des Kernkraftwerks zustimmen darf (siehe Wortlaut). In der Praxis bedeutet es nicht viel mehr, als daß das Parlament sich mit dieser Frage befassen muß. Es ist nicht damit zu rechnen, daß die Abgeordneten in Wien den für das Jahr 2004 geplanten EU-Beitritt Tschechiens blockieren werden.
Dennoch bedeutet das Volksbegehren eine erhebliche innenpolitische Belastung und Zerreißprobe für die amtierende Mitte-Rechts-Regierung aus ÖVP und FPÖ. Zeitweilig sah es sogar so aus, als ob es noch vor Ablauf der bis Ende 2003 dauernden Legislaturperiode zu Neuwahlen kommen könnte.
Die Wiener Regierung hat vor kurzem ein Abkommen mit Tschechien über Sicherheitsvorkehrungen gegen einen Kernkraft-Unfall sowie Kontroll- und Konsultationsregelungen unterzeichnet. Da die FPÖ dieses Abkommen nicht akzeptieren will, richtet sich das Volksbegehren zum guten Teil auch gegen den Koalitionspartner. Die ÖVP hat ihrerseits das von der FPÖ initiierte Volksbegehren abgelehnt. Bundeskanzler Wolfgang Schüssel (ÖVP) erklärte noch vor Auszählung der Stimmen, daß der Streit um Temelin den Beitritt Tschechiens zur EU nicht verhindern könne. Das Volksbegehren nehme Wien jedoch die Möglichkeit, auf Prag in dieser Frage einzuwirken (SZ, 22.1.; Handelsblatt, 24.1.).