Mai 2001

010513

ENERGIE-CHRONIK


E.ON will keinen Strom aus Tschechien mehr beziehen

Die E.ON Energie will keinen Strom aus Tschechien mehr beziehen. Wie das Unternehmen am 31. Mai mitteilte, sucht es derzeit gemeinsam mit dem tschechischen Energieversorger CEZ nach einem Weg, um den bestehenden Stromlieferungsvertrag kurzfristig zu beenden. Über die Gründe der beabsichtigten Beendigung des Vertragsverhältnisses hätten beide Seiten Stillschweigen vereinbart. Den Hintergrund bildet aber offenbar der Streit um "schmutzige" Stromimporte aus östlichen Ländern (001102). Die Ökologisch-Demokratische Partei (ÖDP) hat in mehreren bayerischen Städten Bürgerbegehren gestartet, um die Stadtwerke zur Kündigung ihrer Stromlieferverträge mit E.ON zu veranlassen. Sie argumentiert vor allem damit, daß E.ON Strom aus dem umstrittenen neuen Kernkraftwerk Temelin des tschechischen Energieversorgers CEZ beziehen werde (010416).

Mit einem Importüberschuß von 8,7 Mrd. kWh im vergangenen Jahr ist Tschechien derzeit nach Frankreich der größte ausländische Lieferant der deutschen Stromwirtschaft (010210). Die E.ON Energie bezieht ihren Angaben zufolge derzeit rund drei Milliarden Kilowattstunden pro Jahr von CEZ. Das entspricht etwa 1,5 Prozent ihres Stromabsatzes. Die Geschäftsbeziehungen mit CEZ bestehen seit vielen Jahren. Sie wurden vom E.ON-Vorgänger Bayernwerk angeknüpft, als die damalige Tschechoslowakei noch dem osteuropäischen Verbundnetz angehörte. Anfang der neunziger Jahre wurde eine Hochspannungsgleichstromübertragungsstrecke errichtet, um den Stromaustausch zu ermöglichen (920507 u. 990312). Seit 1995 ist Tschechien wie die Slowakei, Polen und Ungarn dem westeuropäischen Verbundsystem UCTE angegliedert (951001).

ÖDP kündigte Ausdehnung der Kampagne gegen "Temelin-Strom" an

Am 19. Mai hatte die ÖDP angekündigt, zusätzlich zu den bereits laufenden Bürgerbegehren in Passau, Gunzenhausen und Cham auch in München und Erlangen derartige Kampagnen zu starten. In Gunzenhausen kam es am 27. Mai erstmals zu einem Bürgerentscheid. Dabei votierten die Teilnehmer zu 79 Prozent für "Temelin-Strom kommt mir nicht ins Haus". Mit einer Wahlbeteiligung von 15,9 Prozent wurde allerdings das gesetzliche Quorum von 20 Prozent nicht erreicht. Der Bürgerentscheid kann deshalb die vorangegangene Ablehnung des Bürgerbegehrens durch den Gemeinderat nicht ersetzen. In Passau, wo der Stadtrat das Bürgerbegehren am 14. Mai ablehnte, wurde als Termin für einen Bürgerentscheid der 22. Juli festgesetzt (SZ, 29.5.).

Der Umweltausschuß des Gemeinderats von Vaterstetten (Landkreis Ebersberg) beschloß am 29.5. mit den Stimmen aller Fraktionen, den Stromliefervertrag mit den Isar-Amperwerken zu kündigen, falls E.ON Energie nicht auf Strom aus Temelin verzichtet. Im bayerischen Landtag brachte die SPD-Fraktion einen Dringlichkeitsantrag ein, der die Landesregierung auffordert, die Stromlieferverträge für landeseigene Liegenschaften zu kündigen, falls E.ON Energie weiter Strom aus Tschechien beziehe (SZ, 31.5.).

Die Stadtwerke Rosenheim beziehen ihren Strom seit Dezember letzten Jahres von der österreichischen Verbundgesellschaft. Nach Angaben der Stadtwerke kam der bisherige Vorlieferant Isar-Amperwerke (jetzt E.ON Bayern) vor allem aus Preisgründen nicht mehr zum Zug. Aber auch die Temelin-Kampagne der ÖDP gegen E.ON habe eine Rolle gespielt, da die Kritik eines erheblichen Teils der Kunden - unabhängig von deren Berechtigung - nicht ignoriert werden könne (ZfK, 5/01).

Trittin fordert neue Prüfung für Temelin

Bundesumweltminister Jürgen Trittin (Grüne) widersprach am 25. Mai der Darstellung der tschechischen Regierung, die von ihr eingesetzte internationale Kommission habe unter Mitwirkung deutscher Experten die Unbedenklichkeit des neuen Kernkraftwerks Temelin festgestellt (010416). Ein abschließendes Ergebnis der Kommission liege noch nicht vor, schrieb Trittin in einem Brief an den tschechischen Außenminister Jan Kavan. Aus dem Beobachterstatus der deutschen Experten dürfe auch nicht der Eindruck einer deutschen Mitverantwortung für die Ergebnisse der Kommission entstehen. Das Verfahren sei mit erheblichen Mängeln belastet. Falls die Prager Regierung trotz der Pannenserie an Temelin festhalte, müsse "mindestens eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchgeführt werden, die insbesondere hinsichtlich der grenzüberschreitenden Verfahrensbeteiligung den in der EU geltenden Anforderungen in jeder Hinsicht genügt".