März 2001 |
010302 |
ENERGIE-CHRONIK |
Das deutsche Stromeinspeisungsgesetz ist mit dem EU-Recht vereinbar. Es stellt keine verbotene staatliche Beihilfe im Sinne des EG-Vertrags dar. Beim gegenwärtigen Stand des Gemeinschaftsrechts auf dem Gebiet des Elektrizitätsmarkts verstößt eine solche Regelung auch nicht gegen den freien Warenverkehr. Dieses Urteil verkündete am 14. März der Europäische Gerichtshof (EuGH) in einem Rechtsstreit, den die ehemalige PreussenElektra und deren Tochter Schleswag angestrengt hatten. Die Luxemburger Richter folgten damit nur zum Teil dem Schlußantrag des Generalanwalts Jacobs vom Oktober vorigen Jahres, der den Beihilfe-Charakter des Stromeinspeisungsgesetzes ebenfalls verneinte, aber einen Verstoß gegen den freien Warenverkehr für möglich hielt (001001).
Das 1991 in Kraft getretene Stromeinspeisungsgesetz wurde am 1. April 2000 vom Erneuerbare-Energien-Gesetz (000201) abgelöst. Indessen wird allgemein angenommen, daß das Urteil genauso für die Nachfolgeregelung gilt.
In der schriftlichen Urteilsbegründung konzedieren die Richter, daß die gesetzlich vorgeschriebene Vergütung für die Einspeisung von Strom aus erneuerbaren Energien "den Erzeugern dieser Stromart unstreitig einen wirtschaftlichen Vorteil verschafft, indem sie ihnen ohne jedes Risiko höhere Gewinne sichert, als sie ohne eine solche Regelung erzielen könnten". Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes seien jedoch nur solche Vorteile als Beihilfen im Sinne von Artikel 92 Absatz 1 EG-Vertrag anzusehen, die unmittelbar oder mittelbar aus staatlichen Mitteln gewährt werden. Das Stromeinspeisungsgesetz bewirke aber keine derartige Übertragung staatlicher Mittel, da die erhöhten Kosten für die Einspeisungsvergütungen von der Stromwirtschaft bzw. den Stromverbrauchern getragen werden.
Die Richter konzedieren auch, daß das Stromeinspeisungsgesetz "den innergemeinschaftlichen Handel zumindest potenziell behindern" könne, weil seine Vorteile nur deutschen Stromeinspeisern zugute kommen. Dennoch sei es mit Artikel 30 EG-Vertrag vereinbar und verstoße nicht gegen den freien Warenverkehr, da übergeordnete Gesichtspunkte des Umweltschutzes und der Förderung der erneuerbaren Energien - denen sich die EU erklärtermaßen verpflichtet fühle - die Benachteiligung ausländischer Anbieter rechtfertigen würden.
Die Bundesregierung sah sich von dem Urteil bestätigt. Ausgesprochen erfreut zeigten sich die Betreiber und Produzenten von regenerativen Stromerzeugungsanlagen. Dagegen verwies der Verband der Elektrizitätswirtschaft (VDEW) auf die hohen Kosten der gesetzlich vorgeschriebenen Subventionierung von Strom aus erneuerbaren Energien, die im vergangenen Jahr mit zwei Milliarden Mark die Stromwirtschaft bzw. deren Kunden belastet habe. Der Verband der Industriellen Energie- und Kraftwirtschaft (VIK) bedauerte, daß der EU-Gerichtshof "das Binnenmarktprinzip der Europäischen Union geringer wertet als die Förderung regenerativer Energien" (AP, 13.3.; FR, 14.3.).
Die "Wirtschaftswoche" (22.3.) kommentierte: "In den Mitgliedsländern beginnt jetzt das Nachdenken, wie neue Subventionen für alle möglichen Zwecke, die bisher aus Angst vor den strengen Beihilferegeln der Kommission unterblieben, doch noch zum Tragen kommen können. Die vom EuGH aufgezeigte Lösung ist einfach zu bestechend. Das Geld muß lediglich an den Verbrauch bestimmter gekoppelt werden und darf nicht direkt aus öffentlichen Kassen stammen - und schon stehen die Brüsseler Kontrolleure im Abseits. ... Künftig kann schon der Hinweis genügen, die Beihilfe erfülle einen höherwertigen Zweck, wie Umwelt- oder Gesundheitsschutz, sozial- oder regionalpolitische Ziele. ... Auch der 1996 abgeschaffte Kohlepfennig könnte so ein Comeback erleben. Diese Abgabe auf den Strompreis hatte zwar das Bundesverfassungsgericht verboten, sie erfüllte jedoch alle Kriterien, die der EuGH jetzt als zulässig erachtet."