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Seit Juli 2005 obliegt es der neuen Bundesnetzagentur mit ihrem Chef Matthias Kurth (Bild links), für einen diskriminierungsfreien Zugang zu den Strom- und Gasnetzen zu sorgen. Nach dem EnWG unterliegen alle großen oder überregional tätigen Energieversorgungsunternehmen der ausschließlichen Aufsichtszuständigkeit der "Bundesnetzagentur für Elektrizität, Gas, Telekommunikation, Post und Eisenbahnen". Für die Unternehmen mit weniger als 100.000 Kunden, deren Versorgungsnetz keine Landesgrenzen überschreitet, übernimmt das jeweilige Bundesland die Regulierung. |
Obwohl sich bald herausstellte, daß der deutsche Sonderweg des "verhandelten Netzzugangs" dem angestrebten Wettbewerb nicht förderlich war, hielt die rot-grüne Regierungsmehrheit an ihm fest und setzte im Februar 2003 sogar eine rechtliche Aufwertung der umstrittenen Praxis der Verbändevereinbarungen durch: Das "Erste Gesetz zur Neuregelung des Energiewirtschaftsrechts" verfügte in § 6 EnWG, daß die Bedingungen für den Zugang zum Stromnetz "guter fachlicher Praxis" entsprechen müssen und die Erfüllung dieses Kriteriums zu "vermuten" sei, wenn die einschlägigen Regeln der Verbändevereinbarungen für Strom und Gas eingehalten seien. Dieselbe Regelung galt für die Gasnetzbetreiber. Damit sollten vor allem dem Bundeskartellamt die Hände gebunden werden, das wiederholt die Praxis der Verbändevereinbarungen kritisiert und in verschiedenen Punkten als wettbewerbsfeindlich charakterisiert hatte. Erst auf Einspruch des Bundesrats wurde dieser Persilschein etwas abgeschwächt: In der schließlich verabschiedeten Fassung des Gesetzes wurde die Vermutung "guter fachlicher Praxis" dann hinfällig, wenn "die Anwendung der Vereinbarung insgesamt oder die Anwendung einzelner Regeln der Vereinbarung nicht geeignet ist, wirksamen Wettbewerb zu gewährleisten".
Auf europäischer Ebene hatte der deutsche Sonderweg jedoch keine Chancen. Schon zwei Monate nach der rechtlichen Aufwertung der Verbändevereinbarungen traten neue EU-Richtlinien zur Öffnung der Binnenmärkte für Strom und Gas in Kraft, die europaweit die Einrichtung von Regulierungsbehörden vorsahen. Damit entfielen sowohl das "Alleinabnehmermodell" als auch der "verhandelte Netzzugang", für dessen Beibehaltung allein die deutsche Regierung eingetreten war.
Gemäß den im Sommer 2003 verabschiedeten EU-Richtlinien hätte das seit 1998 geltende Energierecht eigentlich schon bis 1. Juli 2004 durch eine Neufassung ersetzt werden müssen. Ein entsprechender Gesetzentwurf wurde von der Bundesregierung aber erst Ende Juli 2004 verabschiedet. Bis er alle parlamentarischen Hürden überwunden hatte und in nochmals stark veränderter Fassung in Kraft trat, verging ein weiteres Jahr.
Die wichtigste Änderung des Kabinettsentwurfs für ein neues Energierecht bestand darin, daß nun auch in Deutschland die rund 1700 Betreiber von Strom- und Gasnetzen einer staatlichen Aufsicht unterworfen werden sollten, wie es die neuen EU-Richtlinien zwingend vorschrieben. Allerdings sollte die Regulierungsbehörde die von den Netzbetreibern erhobenen Entgelte nur nachträglich ("ex post") überprüfen und gegebenenfalls beanstanden können. Entsprechend den EU-Vorgaben wurde ferner den vertikal integrierten Stromversorgern eine rechtliche Entflechtung des Netz- und Vertriebsbereichs auferlegt. Damit sollen die bisher übliche Diskriminierung von Konkurrenten durch überhöhte Netzkosten und Quersubventionierungen innerhalb des eigenen Konzerns verhindert werden. Eine weitere Neuerung war die Verpflichtung der Stromversorger, Rechnungen und Werbematerialien mit einem Herkunftsnachweis des gelieferten Stroms zu versehen.
Der von den unionsregierten Bundesländern dominierte Bundesrat bestand indessen auf einer wesentlichen Veränderung dieses ursprünglichen Konzepts, das zwar die neuen EU-Vorgaben erfüllt, sonst aber wenig an der unbefriedigenden Wettbewerbssituation auf dem deutschen Strommarkt geändert hätte. Im März 2005 beugte sich die Regierungskoalition dem Widerstand der Ländervertretung, indem sie deren Forderung nach einer "Anreizregulierung" aufgriff und in Verbindung damit auch einer Vorab-Genehmigung der Netznutzungsentgelte durch die neue Regulierungsbehörde zustimmte. Die Anreizregulierung sollte so funktionieren, daß die Regulierungsbehörde Höchstgrenzen für die Netzentgelte festsetzt, die sich an den Kosten der günstigsten vergleichbaren Netzbetreiber orientieren. Weniger effektive Netzbetreiber sollen so zu Anpassungen ihrer Kostenstrukturen und Verbesserung ihrer Effizienz gezwungen werden. Bis zum Wirksamwerden dieser Anreizregulierung mit der Festsetzung von Höchstgrenzen müssen die Netzentgelte von der Regulierungsbehörde vorab genehmigt werden.
Das Zweite Gesetz zur Neuregelung des Energiewirtschaftsrechts wurde am 12. Juli 2005 im Bundesgesetzblatt veröffentlicht und trat am folgenden Tag in Kraft. Es enthält in Artikel 1 das neue Gesetz über die Elektrizitäts- und Gasversorgung (Energiewirtschaftsgesetz – EnWG) und in Artikel 2 das Gesetz über die Bundesnetzagentur für Elektrizität, Gas, Telekommunikation, Post und Eisenbahnen. Vier Verordnungen, die ergänzend zum neuen Energiewirtschaftsgesetz den Netzzugang und die Netzentgelte für Strom und Gas im Detail regeln, wurden am 13. Juli vom Bundeskabinett verabschiedet und traten nach ihrer Veröffentlichung im Bundesgesetzblatt vom 28. Juli ebenfalls in Kraft.
Während das bis 1998 geltende erste Energiewirtschaftsgesetz gerade mal 19 und auch sein Nachfolger nur 24 Paragraphen umfaßte, besteht das seit Juli 2005 geltende Energiewirtschaftsgesetz aus nicht weniger als 129 Paragraphen. Dabei handelt es sich nach wie vor nur um ein Rahmengesetz, dessen Details durch die vier Verordnungen über Netzzugang und Netzentgelte für Strom und Gas geregelt werden, die insgesamt noch wesentlich umfangreicher sind. Das Energierecht ist damit zu einer Materie für Spezialisten geworden. Unter der Unüberschaubarkeit verbergen sich handwerkliche Mängel des Regierungsentwurfs, die bis heute nicht ausgeräumt sind. Schon im September 2004, als der Regierungsentwurf "nur" 118 Paragraphen umfaßte, hielt der Bundesrat den Umfang ohne Einbußen an Rechtsklarheit für stark reduzierbar. Der "Bund der Energieverbraucher" sprach von einem "unnötig komplexen Gesetzesungetüm".
Immerhin ist die Neuregelung insgesamt stringenter und normativer als die alte Praxis. Dafür sorgt vor allem die neue Bundesnetzagentur für Elektrizität, Gas, Telekommunikation, Post und Eisenbahnen, die als Regulierungsbehörde diesen Sektor überwacht und über eigene Handlungsspielräume zur Beeinflussung der Wettbewerbssituation verfügt. Das wichtigste Instrument wird dabei die "Anreizregulierung" sein.
Die Einführung einer Anreizregulierung war auf Drängen des Bundesrats zusammen mit der Vorab-Genehmigung der Netzentgelte durch die Bundesnetzagentur ins neue Energiewirtschaftsgesetz aufgenommen worden. Der entsprechende § 21a EnWG sieht vor, daß die Bundesregierung mit Zustimmung des Bundesrats eine Verordnung erlassen kann, welche die Einzelheiten regelt. Ursprünglich sollte die Anreizregulierung bereits ab 2008 die Vorab-Genehmigung der Netzentgelte ablösen. Dieser Termin wurde dann aber um ein Jahr verschoben, weil sich der Erlaß der dazugehörigen Verordnung verzögerte. Nach Ansicht von Rechtsexperten mußte die Verordnung mindestens ein halbes Jahr vor Beginn der Anreizregulierung in Kraft getreten sein.
Es oblag der Bundesnetzagentur, die Grundsätze für die Anreizregulierung auszuarbeiten. Am 2. Mai 2006 veröffentlichte diese ihren Entwurf. Die darauf basierende Verordnung über die Anreizregulierung der Energieversorgungsnetze (Anreizregulierungsverordnung – ARegV) trat am 6. November 2007 in Kraft. Sie war Artikel 1 einer "Verordnung zum Erlass und zur Änderung von Rechtsvorschriften auf dem Gebiet der Energieregulierung", die außerdem in Artikel 2 einige Formulierungen der Stromnetzentgeltverordnung und in Artikel 3 die entsprechenden Passagen der Gasnetzentgeltverordnung änderte. Die Verordnung gibt der Bundesnetzagentur die nötigen Vollmachten zur Durchführung der Anreizregulierung, deren Beginn in § 1 nunmehr auf den 1. Januar 2009 festgelegt wurde. Der Grundgedanke der Anreizregulierung besteht darin, die bestehenden Effizienzunterschiede bei den Strom- und Gasnetzbetreibern abzubauen, indem sich die zulässige Höhe der Netzentgelte für eine Gruppe vergleichbarer Unternehmen an den jeweils effizientesten Unternehmen dieser Gruppe orientiert. Es ist allerdings zu befürchten, daß auch diese Regelung hauptsächlich wieder die Energiekonzerne begünstigt, die am ehesten in der Lage sind, Einbußen im Netzbereich hinzunehmen und über eine weitere Steigerung der Großhandelspreise zu kompensieren. Hart getroffen werden dagegen zahlreiche Stadtwerke, die als reine Verteilnetzbetreiber ihre Erlöse überwiegend aus den Netznutzungsgebühren beziehen und damit defizitäre Bereiche wie den öffentlichen Nahverkehr subventionieren.
Weitere Einzelheiten des seit Juli 2005 geltende neuen Energierechts sind dem ENERGIE-WISSEN Netzzugang und Netznutzungsentgelt zu entnehmen sowie folgenden Link-Listen der ENERGIE-CHRONIK: