Gründer des "Deutschen Wochenblatts" war Ludwig Eckardt, der nach einer bewegten Vergangenheit 1862 in Baden Fuß gefaßt hatte. Eckardt geriet schon als 19jähriger in Wien mit der Polizei in Konflikt, weil er Lieder auf den polnischen Freiheitskampf gedichtet hatte. In seiner Heimatstadt redigierte er die revolutionären Blätter "Das junge Österreich" und "Die rothe Mütze". 1848 mußte er aus Wien fliehen, ein Jahr später aus Dresden. Eckardt emigrierte schließlich in die Schweiz, habilitierte sich 1853 in Bern und wurde 1860 Lehrer an der Kantonsschule in Luzern. Sein unbeugsamer Kampf gegen "Pfaffen" und andere Volksverdummer machte ihm in der Schweiz jedoch soviele Feinde, daß er 1862 eine Stelle als Hofbibliothekar in Karlsruhe annahm. Hier in Baden fand er auch wieder Anschluß an alte Gesinnungsgenossen. Zu diesen gehörte Johann Schneider, der Gründer und Verleger des "Mannheimer Anzeiger", der späteren "Neuen Badischen Landes-Zeitung".
Mit Schneiders Hilfe, der das Blatt druckte, verlegte und wahrscheinlich auch finanzieren half, brachte Eckardt am 22. Dezember 1864 eine Probenummer des "Deutschen Wochenblatts" heraus, das dann ab Neujahr 1865 regelmäßig sonntags erschien.
"In Deutschland erscheinen jetzt in Summa 2370 Zeitungen und Zeitschriften, und allein von den etwa 1100 politischen werden jährlich wohl 302 1/4 Millionen Exemplare verbreitet." - So konstatierte der einleitende Artikel des Probeblatts, den Friedrich Giebe verfaßt hatte, der damalige Redakteur des "Mannheimer Anzeiger". Nachdem Giebe auch angesichts dieser Fülle von politischen Blättern die Notwendigkeit einer Publikation wie des "Deutschen Wochenblatts" unterstrichen hatte, kam er auf die künftige politische Linie zu sprechen: Das "Deutsche Wochenblatt" werde die Forderungen der Fortschrittspartei unterstützen, für die der Ausdruck "deutsche Volkspartei" als Synonym zu verstehen sei:
"Weiter aber geht unser Ehrgeiz nicht, und wenn wir in der Folge in diesem Blatte vielleicht von einer 'Volkspartei' oder von 'unserer Partei' sprechen sollten, so protestieren wir schon jetzt gegen das Mißverständnis, als könne damit etwas anderes gemeint sein, als die Summe derjenigen Männer, von denen wir annehmen, daß sie mit uns ausschließlich die Sache des Volkes und die Befestigung der heiligen Grundsätze der Freiheit im Staat und in der Gesellschaft im Auge haben. Irgend eine andere Verbindung, als die durch das offene Wort und die offene Schrift wird unter solchen Männern nie bestehen."
Der Herausgeber Eckardt wohnte zu dieser Zeit noch in Karlsruhe und bat darum, Briefe und Correspondenzen an seine dortige Adresse zu richten. Für die Redaktion zeichnete Ferdinand Ahles in Mannheim verantwortlich. Im April 1865 zog Eckardt dann, nachdem er 1864 durch das Intrigieren kirchlicher Kreise seine Stellung als Hofbibliothekar verloren hatte, nach Mannheim und nahm seinen Wohnsitz in U 3, 7.
Die demokratischen Gesinnungsfreunde konnten in Schneiders Haus Aktien zur Unterstützung des Wochenblatts zeichnen. Dort befand sich auch das Redaktionslokal, das praktisch mit der Redaktion des "Mannheimer Anzeiger" identisch war. Schneiders Haus in 0 3, 6 war ein Treffpunkt aller alten Achtundvierziger und stand für die Konservativen im Ruch der Konspiration. Besonders von Eckardt ging die Rede, er sei Vorsitzender eines geheimen Klubs, der sich revolutionären Zielen verschworen habe.
In Wirklichkeit war die "deutsche Volkspartei", die sich erst 1868 aus dem Schoß der Fortschrittspartei löste und zur demokratischen Partei verselbständigte, zunächst eher eine lockere Gemeinschaft von Märzgetreuen und Intellektuellen, die zum Teil auch Verständnis für die Nöte des "vierten Standes" hatten. Ihre scharfe Ablehnung der Agitation Lassalles richtete sich weniger gegen eine organisatorische Verselbständigung der Arbeiterschaft als gegen Lassalles Paktieren mit Bismarck und den von ihm erstrebten obrigkeitlichen "Staatssozialismus". Wer Bismarck die Hand reichte, war bei den süddeutschen Demokraten von vornherein schlecht angeschrieben.
Enge Verbindungen bestanden dagegen zur Sozialdemokratie Bebel und Liebknechts. Zunächst scheint die deutsche Volkspartei die Sozialdemokratie sogar als ihr eigen Fleisch und Blut betrachtet zu haben: "Auf der ganzen Linie des Lassalleschen Arbeitervereins hat eine größere Anzahl bisheriger Führer von der junkerlichen Diktatur des Herrn Schweitzer sich losgesagt, und sind dieselben zur Volkspartei übergegangen", jubelte die "Mannheimer Abendzeitung", das damalige Organ der Volkspartei, nach dem historischen Kongreß von Eisenach 1869.
Festere Form nahm die "deutsche Volkspartei" auf einer Versammlung in Darmstadt am 18. September 1865 an, bei der vierzig Teilnehmer aus Bayern, Württemberg, Baden, Frankfurt, Nassau, Darmstadt, Kurhessen, Sachsen, Schleswig-Holstein und Deutsch-Österreich ein provisorisches Programm entwarfen: Demokratische Grundlage der Verfassung, Selbstverwaltung auf Gemeinde- und Bezirksebene, Ersetzung des stehenden Heeres durch eine Volksarmee, föderative Verbindung der deutschen Staaten unter einer Bundesgewalt, die weder preußisch noch österreichisch beherrscht sein durfte.
Ludwig Eckardt und Ludwig Büchner hatten außerdem die "Verbesserung der Lage der arbeitenden und armen Klasse durch soziale Reformen" ins Programm aufnehmen wollen, waren aber am Widerstand der Mehrheit gescheitert. Stattdessen einigte man sich auf die "Erziehung des Volkes zu politischer Selbständigkeit und geistiger Freiheit".
Auf dem Darmstädter Kongreß wurde ferner beschlossen, das in Mannheim erscheinende "Deutsche Wochenblatt" fortan als "Organ der deutschen Volkspartei" zu bezeichnen. Eckardt verlieh seinem Blatt darauf den entsprechenden Untertitel, den später Bebel und Liebknecht für ihr "Demokratisches Wochenblatt" in Leipzig übernahmen und fortführten.
Im April 1865 war Eckardt aus dem Deutschen Nationalverein ausgetreten, um gegen die "Gothaer" - die Anhänger des preußisch-deutschen Einheitsstaates - die selbständige Sammlung der Demokratie zu betreiben. Mehrere Freunde, die ebenfalls der Abscheu vor dem "servilen Liberalismus bzw. liberalen Servilismus" packte, folgten seinem Beispiel. Im Juni sprach Eckardt auf dem Stiftungsfest des Mannheimer Arbeitervereins. Die "Augsburger Allgemeine" nannte ihn kurz darauf einen "Social-Demokraten". Seinem Wochenblatt bescheinigte sie, es werde "nicht ohne Talent redigiert", habe aber seinen Hauptabsatz im "Ausland", also außerhalb des Großherzogtums Baden.
Auf dem Arbeitertag des Maingaues zu Darmstadt am 16. Juli 1865 hielt Eckardt eine programmatische Rede, die im Wochenblatt abgedruckt wurde. Er tadelte zunächst den "engen, oft philiströs beschränkten Standpunkt" von Schulze-Delitzsch, der den Arbeitern politische Abstinenz auferlegen wollte. Zu Recht habe Lassalle, der Schulze in wissenschaftlicher Hinsicht hoch überlegen sei, dessen "wirklich inhaltsarmen, phrasenhaften Arbeiterkatechismus" in der Luft zerfetzt:
"Schulze geht überall von der Ansicht aus oder sucht sie zu verbreiten, daß eigentlich jeder Mensch ein werdender Kapitalist ist, und daß nur Fleiß und Sparsamkeit nötig seien, um reich oder doch hablich zu werden. Wir ehren diese Tugenden hoch, müssen aber doch gestehen, daß es ganze Schichten der Gesellschaft gibt, die - unter der gegenwärtigen Gliederung derselben - bei allen Fleiß nun und nimmer aus dem Elende emporkommen. Diese Wahrheit, diese erschreckende Wahrheit sprach Lassalle zuerst wieder aus, nachdem wir uns einige Zeit in den sanften Glauben eingelullt hatten, daß die kleinen Schulze'schen Hausmittelchen alle Krankheiten der Gesellschaft geheilt hätten."
An Lassalle rühmte Eckardt ferner den hohen Wert seiner politischen Agitation, mit der er die Arbeiter den "Gothaern" - d.h. der liberalen Bourgeoisie - entrissen habe. Sein Konzept einer "Staatshilfe", das er der Schulzeschen "Selbsthilfe" entgegengesetzt habe, berge freilich die Gefahr, "daß die Arbeiter zu Sklaven des Staates oder einer augenblicklich den Staat beherrschenden Partei würden oder werden könnten, wenn ihnen napoleonische Diktatoren mit öffentlichen Arbeiten schmeicheln, um, von ihren Fäusten unterstützt, die Freiheitswünsche des Bürgerstandes zu unterdrücken". Eckardt betonte, daß es nicht allein um soziale, sondern auch um politische Reformen gehe, wobei beide sich gegenseitig bedingten und zur Erreichung dieser Ziele bürgerliche Demokraten und Arbeiter einander die Hand reichen müßten. "Verstärkt unsere Selbsthilfe, und wir bringen Euch mit einem freien Staate eine gesunde Staatshilfe". Nochmals appellierte er an die Arbeiter, nicht bonapartistischen und liberalen Demagogen auf den Leim zu gehen: "Entfernt alle, welche Euch Arbeiter spalten wollen, sowohl die, welche auch altbürgerlich von aller Politik ferne halten, wie jene, welche Euch in abenteuerliche und unnatürliche Verbindungen stürzen, vielleicht zu feudalen und reaktionären Zwecken ausbeuten möchten."
Die "Frankfurter Zeitung" schrieb, Eckardts Rede habe so versöhnend auf die anwesenden Arbeiter Schulzescher und Lassallescher Richtung gewirkt, "daß sie einstimmig erklärten, bereitwillig die Hände zur Wiedervereinigung zu bieten". Das Wochenblatt bekräftigte: "Unter dem Banner der Demokratie ist Raum für Euch alle!"
Für den linken Flügel der deutschen Volkspartei
gehörten politische Freiheiten und soziale Reformen zusammen. Eckardt
prophezeite deshalb: "Je mehr sich auch diese
(die
Volkspartei) der Erkenntnis erschließen wird, daß eine ausschließlich
politische Reform nicht genüge, wird sie mit der ihr verwandten Arbeiterbewegung
in Eine große sozial-demokratische Partei aufgehen". Es
geht nicht darum, die Arbeiter ins bürgerliche Lager zu ziehen : "Wir
sind für das allgemeine Wahlrecht, nicht um den vierten Stand in dem
dritten verschwinden zu lassen, sondern damit alles im Arbeiterstand aufgehe.
Der neue Staat und die neue Gesellschaft wird keine Drohnen dulden können."
Federführend für die Behandlung der "sozialen
Frage" im Wochenblatt war neben Eckardt der Darmstädter Arzt Ludwig
Büchner. Es handelte sich um einen Bruder des früh verstorbenen
Dichters Georg Büchner, der in den dreißiger Jahren den "Hessischen
Landboten" herausgegeben hatte. Ludwig Büchner hatte sich vor allem
mit seiner 1855 erschienenen Schrift "Kraft und Stoff" einen Namen gemacht,
die nicht nur in klerikal-konservativen Kreisen gereizte Reaktionen hervorrief,
sondern auch von Marx und Engels als "Aufkläricht" kritisiert wurde
(der erste Teil von Friedrich Engels "Dialektik der Natur" ist als Auseinandersetzung
mit dem seichten Materialismus Büchners konzipiert).
Um der "allzu großen
Anhäufung des Reichtums in einzelnen Händen einen gewissen Damm
entgegenzusetzen", empfahl Büchner im Wochenblatt eine
drastische Beschränkung des Erbrechts. Er betonte, er wolle damit
"das
Eigentumsrecht nicht angreifen, sondern vielmehr seinen Wert dadurch erhöhen,
daß wir Erwerbung wie Eigentum und Stellung den Einzelnen zugänglicher
als bisher machen". Er wollte nicht "ruhig
zusehen, wie der ungeheure Spalt zwischen Reichtum und Armut, zwischen
Besitz und Nichtbesitz, zwischen Oben und Unten, zwischen Wohlsein und
ewiger Entbehrung immer tiefer reißt, bis er zuletzt unheilbar geworden
und seine Ausgleichung nur noch in einem furchtbaren Klassen- und Gesellschaftskampfe,
in einer blutigen Zerreißung aller Bande der gesellschaftlichen Ordnung,
in einer tobsüchtigen Entfesselung roher Volkskräfte und ungezügelter
Leidenschaften finden kann".
Ziemlich einfach machte es sich dagegen ein anderer
Autor im Wochenblatt, der den Arbeitern nach Schulzescher Art Enthaltsamkeit
und eiserne Sparsamkeit empfahl: "Ist's doch in vielen anderen Ständen
auch so, daß die ganze Jugendzeit bis zum 30. Lebensjahr eine harte
Lehr- und Vorbereitungszeit ist, in welcher man an Gründung einer
Familie nicht denken kann: will der Arbeiter das Privilegium des 'Leichtsinns'
vor den anderen Ständen ewig voraus haben?"
Da sich das Wochenblatt als "Sprechhalle" der Volkspartei
verstand, fanden in seinen Spalten unterschiedliche Auffassungen zur sozialen
Frage Platz, die von der Verurteilung des Kommunismus als Unding und Despotie
bis zu marxistischen Zungenschlägen reichten. So findet sich in einer
Nummer des Jahres 1867 die Bemerkung, das Volk fühle "nur
die Wirkung der Verhältnisse und das Joch grausamer Arbeit. Die Ursache
ist ihm so fremd, wie die Kenntnis der Mittel, um dieselbe aufzuheben.
So ging ihm auch das Resultat der Revolution von 1789 verloren. Diese Revolution
brach den Unterschied der alten Stände, des Adels, des Klerus und
des dritten Standes; sie befreite aber nicht den ganzen dritten Stand,
teilte denselben vielmehr in zwei Stücke, die Arbeitgeber und die
bezahlten Arbeiter."
Auch Büchner konnte sich nicht der Einsicht
verschließen, "daß, je mehr die politische
Ungleichheit schwindet, um so mehr die gesellschaftliche Ungleichheit an
Kraft und Ausdehnung gewinnt". Fazit: Der Mensch, mithin vor
allem der Arbeiter, müsse "entweder Hammer
oder Amboß sein".
Beifällig und ausführlich rezensierte
das Wochenblatt 1865 Engels Schrift "Die preußische Militärfrage
und die deutsche Arbeiterpartei". Über zwei Seiten widmete es 1866
einem Bericht über eine Volksversammlung in Leipzig, bei der Liebknecht
und Bebel den Bourgeoisliberalen die gebührende Abfuhr erteilten.
Wörtlich druckte es 1867 den Londoner Aufruf
des Generalrats der internationalen Arbeiter-Assoziation, den Karl
Marx für Deutschland unterzeichnet hatte. Seit Herbst 1865 gehörte
Wilhelm Liebknecht zu den ständigen Mitarbeitern des Wochenblatts.
Im Oktober 1866 trat Ludwig Eckardt als Herausgeber
des Wochenblatts zurück: "Überhäufte Berufsgeschäfte,
meine Vorträge, die mich namentlich im Winter oft vom Erscheinungsort
dieses Blattes entfernen, meine wissenschaftlichen und dichterischen Aufgaben,
die ich seit mehreren Jahren zugunsten meiner Partei zurückstellte,
die nun aber auf Fortsetzung unverschiebbar drängen, nötigen
mich, die Leitung dieses Blattes niederzulegen."
Ab 28. Januar 1866 zeichnete Karl Strodel für
den Inhalt des Wochenblatts verantwortlich. Der Schriftsetzer Strodel war
unter anderem Vorstandsmitglied des Mannheimer Arbeiterbildungsvereins
und vertrat als Delegierter die Mannheimer Arbeiterschaft beim allgemeinen
deutschen Arbeiterkongreß am 27. September 1868 in Berlin.
Das Wochenblatt erschien noch bis zur Nummer 39
des folgenden Jahres. In der letzten Ausgabe vom 22. September 1867 hieß
es, über die Fortsetzung erfolge gesonderte Mitteilung. Nimmt man
als Indiz den Anspruch, "Organ der deutschen Volkspartei" zu sein, so wäre
als Fortsetzung das "Demokratische Wochenblatt" zu betrachten, das ein
Vierteljahr später in Leipzig zu erscheinen begann. Als Herausgeber
des Demokratischen Wochenblatts zeichnete zunächst die sächsische
Volkspartei, ab Dezember 1868 dann gemeinsam mit dem Verband deutscher
Arbeitervereine, und seit August 1869 schließlich die neugegründete
Sozialdemokratische Arbeiterpartei. Anfang Oktober 1869 wurde das Demokratische
Wochenblatt dann entsprechend einem Beschluß des Eisenacher Kongresses
in "Volksstaat" umbenannt.