Als Fortsetzung der "Roten Fahne" erschien erstmals am 1. Mai 1922 die ''Arbeiter-Zeitung'' (AZ). Ihr erster Chefredakteur war Georg Lechleiter, der zuvor die "Rote Fahne" redigiert hatte.
Wie die "Rote Fahne" war die AZ ein Kampfblatt, das mehr Agitation als Information bot. Aber auch die andere Seite kämpfte mit harten Bandagen: So wurde Georg Lechleiter 1923 zu einem Jahr Festungshaft verurteilt und bekam wegen eines anderen Artikels 150000 Mark Geldstrafe. Die Zeitung selbst wurde vorübergehend verboten. Die Postämter erhielten Anweisung, weder die verbotene AZ noch eventuelle Ersatzblätter zuzustellen.
Als verantwortliche Redakteure benannte die "Arbeiter-Zeitung" fortan Kommunisten, die durch ihre parlamentarische Immunität geschützt waren. Dazu zählten der bayerische Landtagsabgeordnete Baumgärtner aus Ludwigshafen, der badische Landtagsabgeordrete Ritter und der Reichstagsabgeorinete Georg Kenzler. So bedauerte das badische Justizministerium in einem Schreiben vom 21. Juni 1924 an das Staatsministerium, daß schon mehrfach erfolglos Ermittlungsverfahren wegen Artikeln der "Arbeiter-Zeitung" eingeleitet worden seien: "Die Durchführung dieser Verfahren scheitert indessen regelmäßig daran, daß als verantwortlicher Redakteur der Reichstagsabgeordnete Georg Kenzler angegeben ist, der durch Artikel 137 der Reichsverfassung zunächst vor jedem Zugriff geschützt ist."
Die Verbote und sonstigen Sanktionen gegen die "Arbeiter-Zeitung"
häuften sich Anfang der dreißiger Jahre, wie die folgende -
nicht unbedingt vollständige - Zusammenstellung für das Jahr
1931 zeigt:
Januar | Die AZ wird 14 Tage verboten, weil sie eine Rede des Reichsministers Dietrich kritisierte, der die Lage der Erwerbslosen noch weiter verschlechtern wollte. |
März | Der AZ-Redakteur Gustav Süß erhält wegen Vergehens gegen den Religionsparagraphen sechs Wochen Gefängnis. |
Juni | Die AZ wird wegen "aufreizender Artikel" drei Wochen verboten. |
September | Die AZ wird auf vier Wochen verboten. Anlaß sind zwei Artikel, die sich auf die Meuterei der englischen Flotte bezogen. |
Dezember | Die Mannheimer Polizei verbietet Nr. 139 der AZ. Gleichzeitig verhängt das Innenministerium ein fünftägiges Erscheinungsverbot. Anlaß ist eine Glosse über das Polizeipräsidium, "die grcße Ordnungszentrale in den I-Quadraten, wo die großen Paragraphenreiter und Pfennigfuchser das werktätige Volk schikanieren und den kleinen Beamten das Leben zur Qual machen". |
In der Landtagssitzung vom 17. Februar 1932 erklärte der kommunistische Abgeordnete Max Bock aus Mannheim - nach seiner KZ-Haft erster Arbeitsminister des Landes Baden Württemberg - , daß die Verbote der AZ inswischen mehr als hundert Tage ausmachten:
"Da kann man wohl füglich davon sprechen, daß die Absicht bestehe, die Zeitung, das Sprachrohr der revolutionären Arbeiterschaft zu ruinieren. Man darf es dann besonders behaupten, wenn gleichzeitig dabei die Übung besteht, der Druckerei das Arbeiten überhaupt unmöglich zu machen, d.h. auch den Druck außerhalb der AZ, anderer Drucksachen, die neben der Zeitung sonst gedruckt werden. Es ist kürzlich ja einmal, vielleicht so aus Versehen, der Neuen Badischen Landes-Zeitung passiert, daß sie verboten wurde - ich sage, so fast aus Versehen, stellte sich nachher heraus -, aber jedenfalls, als sie verboten wurde, wurden ihr die Maschinen nicht plombiert... Sie wurde nicht gehindert, andere Druckaufträge zu erledigen."
Das vorletzte, auf fünf Tage befristete Verbot ereilte die AZ am 13. Februar 1933. Anlaß war der Artikel "Hitler verteuert die Lebensmittel". Begründung: Sie habe zu Gewalttätigkeiten gereizt sowie die Reichsregierung böswillig beschimpft und verächtlich gemacht.
Beim letzteren Verbot handelte es sich eindeutig schon um eine Willkürmaßnahme im Zuge der nationalsozialistischen Machtergreifung. Im übrigen waren Licht und Schatten nicht so eindeutig verteilt: Auf der einen Seite war die "Arbeiter-Zeitung" gewiß kein seriöses Blatt, sondern ein stramm der stalinistischen Parteilinie folgendes Organ, dem der agitatorische Zweck allemal die Mittel heiligte. Auf der anderen Seite ließen aber auch die politischen Gegner in den Behörden schon mal fünfe gerade sein, wenn sich eine Gelegenheit zu bieten schien, dem verhaßten Organ der KPD eins auszuwischen.
Wie der damalige Chefredakteur der AZ, Fritz Apelt, erzählte, habe er versucht, die Beschlagnahmungen rückgängig zu machen, indem er dem Leiter der Kriminalpolizei seine Bereitschaft erklärte, die inkriminierten Artikel durch andere zu ersetzen. Das sei ihm auch einige Male gelungen. Dann aber habe ihm der Kripo-Chef rundheraus erklärt: "Wissen Sie, wenn ich Ihre Zeitung beschlagnahme, geschieht mir gar nichts, wenn ich sie aber nicht beschlagnahme, dann kriege ich einen auf den Deckel." Der Kripo-Chef sei nämlich Sozialdemokrat gewesen und habe um seinen Posten gebangt.
In der Zeit der großen Arbeitslosigkeit erschien neben der Tageszeitung auch eine Wochenausgabe der AZ, weil sich viele Leser die Abonnementsgebühr (1,80 Mark bei Abholung am Schalter, mit Zustellung 2,20 Mark) nicht mehr leisten konnten (gerade die KPD rekrutierte sich damals zum großen Teil aus Arbeitslosen). Die erste Seite der Wochenausgabe bestand aus Neusatz, der Rest wurde aus den täglichen Ausgaben übernommen. Auf diese Weise konnten etliche Abonnenten zurückgewonnen werden.
Einer der journalistischen Mitarbeiter des ersten Chefredakteurs Georg Lechleiters war Rudolf Langendorf, der zusammen mit Lechleiter am 28. Februar 1942 von den Nationalsozialisten ermordet wurde. Zeitweilig leitete Willy Grimm die Chefredaktion, der dann im Dezember 1932 die Chefredaktion der "Neuen Zeit" in München übernahm. Grimm wurde 1933 verhaftet und verbrachte nach einjähriger Gefängnisstrafe fast zehn Jahre in den Konzentrationslagern Dachau und Mauthausen. Er wurde nach dem Krieg Vorsitzender der KPD in Mannheim und Chefredakteur des "Badischen Volksecho". Nach dem 1956 verfügten Verbot der KPD verdiente er sich seinen Lebensunterhalt als Korrektor beim "Mannheimer Morgen" (die Anstellung wurde ihm durch den Verleger des Blattes, Karl Ackermann ermöglicht, der selber früher der KPD angehört hatte). Grimm starb Anfang 1973.
Das "Handbuch der deutschen Tagespresse 1932" enthält
für die "Arbeiter-Zeitung" folgende Angaben:
Gründungsjahr | 1919 |
Verlag | Arbeiter-Zeitung GmbH |
Rechtliche Vertretung | Wilhelm Schnaudt und August Gascho |
Druckauflage | 19 600 |
Erscheinungsweise | werktäglich |
Umfang | 8 - 12 Seiten, davon 7 - 10 Seiten redaktionell |
Politische Richtung | KPD |
Verbreitung | 70% Arbeiter und Angestellte, 20% Kleinbauern und Gewerbetreibende, 10% Intelligenz, Behörden usw. |
Chefredakteur | Stephan Heymann |
Gewerkschaften, Feuilleton | Hans Schiff |
Lokales | Lucian Iltis |
Das endgültige Verbot der AZ am 28. Februar 1933 traf die Mannheimer KPD nicht unvorbereitet. Am 21. Februar hatte die Bezirksleitung der KPD beschlossen, trotz der sich häufenden Behinderungen die Tageszeitung so lange wie möglich legal herauszugeben. Nachdem dies nicht mehr möglich war, unternahm die Redaktion in Absprache mit der Bezirksleitung den Versuch, die Nazis durch Herausgabe einer getarnten, legalen Wochenzeitung zu überlisten. Hans Steiner, der ehemalige Verlagsleiter der Rhein-Main-Druck AG, sammelte das erforderliche Geld. Fritz Apelt, der frühere Chefredakteur, suchte einen für die Polizei unverdächtigen Lizenzträger, der früher einen Zeitschriftenverlag geleitet hatte und den das Risiko nicht schreckte. Ein kleines Büro im Hansa-Haus diente als Domizil der Firma. Um die Tarnung möglichst komplett zu machen, wurde der Druckauftrag an denselben Betrieb vergeben, der das Nazi-Organ "Hakenkreuzbanner" im Lohndruck herstellte.
Aus heutiger Sicht wirkt dieses Unterfangen reichlich naiv. Es vermittelt eine Vorstellung davon, welchen Illusionen sich auch die KPD hinsichtlich der Art der neuen Herrschaft machte. Aber tatsächlich konnte die "Südwestdeutsche Rundschau", wie das Tarnblatt hieß, auf diese Weise erscheinen. Nach Steiners Erinnerung kamen insgesamt fünf Nummern heraus. Die Auflage habe 5000 Exemplare betragen haben. Dann hätten die Genossen einen unverzeihlichen Fehler gemacht, indem sie der Zeitung illegale Aufrufe gegen die neuen Machthaber beilegten. Die "Südwestdeutsche Rundschau" sei daraufhin sofort beschlagnahmt und verboten worden.
Über die illegale Herausgabe der AZ unter dem Nationalsozialismus berichtete der Kommunist Friedrich Salm in seinem Buch "Im Schatten des Henkers - Arbeiterwiderstand in Mannheim". Die erste illegale AZ erschien demnach wenige Tage vor dem 1. Mai 1933. Es handelte sich um DIN A 4-Blätter, die in Privatwohnungen mit der Schreibmaschine beschriftet und auf einer "Rotaprint" vervielfältigt wurden. Ein Lieferwagen brachte die fertigen Blätter zu fünfzehn Verteilerstellen im Stadt- und Landkreis Mannheim. Außerdem ging die AZ noch in andere Städte Badens und der Pfalz.
Trotz der höchst konspirativen Umstände sollte das Blatt nicht verteilt, sondern verkauft werden: Der "Vortrupp", der Anweisungen über den Verkauf der illegalen Literatur enthielt, gab 1934 den Preis der AZ mit fünf Pfennig an. Davon gehörten zwei Pfennige der Gruppe, drei wurden an die Bezirksleitung ahgetührt. Das illegale Zentralorgan der KPD, "Die Rote Fahne", wurde für zehn Pfennige verkauft.
In einem Schreiben der KPD-Bezirksleitung aus dem Jahre 1935 wurde die Auflage der AZ mit 4500 Exemplaren angegeben. Weiter hieß es darin: "Während früher die Zeitung einen Zuschuß erforderte, da immer nur ein Teil abgerechnet wurde, ist es heute weit besser. Die Zeitung wird zu neunzig Prozent abgerechnet und bringt der Bezirksleitung noch einen Überschuß ein." Wieviele der sporadisch erscheinenden Flugschriften insgesamt erschienen sind, läßt sich keiner Quelle entnehmen.
Auf der Flucht vor der Gestapo wurden mehrfach die Druckorte gewechselt. Dennoch gelang es der Gestapo Ende des Jahres 1935, drei Beteiligte in flagranti zu verhaften. Die letzte Ausgabe erschien zum 1. Mai 1336. Ihr Hersteller geriet wenig später in die Fänge der Gestapo und starb zwei Monate später in seiner Zelle im Landesgefängnis. Den Text der letzten Ausgabe verfaßte Georg Lechleiter, der dann im Herbst 1941 erneut eine illegale Widerstandsschrift mit dem Titel "Der Vorbote" herausbrachte. Auch Lechleiter wurde schließlich von der Gestapo verhaftet und ermordet. Dasselbe Schicksal erlitten etliche andere Kommunisten, die bei der Herstellung und Verbreitung illegaler Schriften mitgewirkt hatten.