(Aus: Udo Leuschner, „Kurzschluß
- wie unsere Stromversorgung teurer und schlechter wurde“, S. 250 - 254) |
Bundeskanzler Schröder und Kremlchef Putin assistieren bei der Unterzeichnung der Grundsatzvereinbarung über die Beteiligung der BASF am Bau der Nordeuropäischen Gaspipeline am 11. April 2005 in Hannover und geben damit der formal privatrechtlichen Vereinbarung den regierungsamtlichen Segen. Links neben Schröder der BASF-Vorstandsvorsitzende Jürgen Hambrecht, rechts neben Putin Gazprom-Chef Alexej Miller. Wegen der mafiösen Strukturen von Politik und Wirtschaft in Rußland können BASF und E.ON solche politische Rückendeckung gut gebrauchen. Zum Beispiel dient Gazprom der im Kreml herrschenden Clique nicht nur als wichtigste Einnahmequelle, sondern auch als Instrument zur Gleichschaltung der russischen Medien. Noch ahnt zu diesem Zeitpunkt niemand, daß Schröder ein Dreivierteljahr später selber auf der Gehaltsliste einer Gazprom-Tochter stehen wird. Gazprom-Pressebild
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Im Dezember 2005 gab die russische Gazprom bekannt, daß der frühere Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) den Vorsitz im Aufsichtsrat der „North European Gas Pipeline Company“ (NEGP) übernehmen werde. Diese Gesellschaft – ein Jahr später in „Nord Stream“ umbenannt – war von Gazprom gemeinsam mit den deutschen Gasversorgern E.ON und BASF gegründet worden, um das Projekt einer Gas-Pipeline durch die Ostsee zu verwirklichen und anschließend zu betreiben. Gazprom besitzt mit 51 Prozent die Mehrheit und bestimmt deshalb auch den Aufsichtsratsvorsitzenden. Der Rest verteilt sich zu gleichen Teilen auf E.ON und BASF. Schröders Berufung erfolgte somit auf Wunsch von Gazprom bzw. des russischen Präsidenten Putin, mit dem Schröder das Projekt in seiner Amtszeit als Bundeskanzler politisch unterstützt und durchgesetzt hatte. Angesichts dieser Vorgeschichte und der mafiösen Strukturen der russischen Politik und Wirtschaft wurde Schröders Wechsel vom Kanzler der Bundesrepublik Deutschland zum Gazprom-Angestellten weithin als skandalös empfunden, zumal der Staatskonzern auch eine aktive Rolle bei der Gleichschaltung der russischen Medien spielt.
Auf Antrag der FDP diskutierte der Bundestag am 15. Dezember 2005 in einer „Aktuellen Stunde“ die Haltung der Bundesregierung zur neuen Tätigkeit Schröders. „Kein vernünftiger Mensch hätte ihm den Rat geben können, eine solche Entscheidung zu treffen“, kritisierte der FDP-Fraktionsvorsitzende Wolfgang Gerhardt das „instinktlose“ Verhalten des ehemaligen Bundeskanzlers. Für die Fraktion der Grünen forderte der Abgeordnete Matthias Berninger Schröder zum Verzicht auf seinen „zweifelhaften Job“ auf. Gazprom sei immerhin ein Unternehmen, das „nicht gerade für bürgerliche Freiheitsrechte steht“, sondern im Gegenteil davon profitiere, „dass Leute inhaftiert werden und der russische Staat seinen starken Arm zeigt“. Es gebe in Rußland viele Personen aus dem Medienbereich, die unter Gazprom zu leiden hätten. Hinzu sei der Geschäftsführer des Pipeline-Konsortiums, Matthias Warnig, „ein Ex-Stasimajor, der zuvor zufälligerweise Wirtschaftsspionage im Bankenbereich betrieben hat und bei der Dresdner Bank tätig war“. Insgesamt müsse das Verhalten Schröders als „unanständig“ charakterisiert werden. Zurückhaltender, aber gleichfalls auf Distanz zu Schröder bedacht, äußerten sich Abgeordnete der Unionsfraktion, während SPD-Sprecher erwartungsgemäß das Verhalten des ehemaligen Bundeskanzlers verteidigten.
Tatsächlich hatte Schröder das Projekt der Ostsee-Pipeline in seiner Amtszeit als Bundeskanzler kräftig gefördert. Es hatte solche Förderung auch nötig, denn eigentlich war nur Gazprom daran interessiert. Sogar die Ferngasimporteure BASF und E.ON sahen zunächst keine Notwendigkeit, die Kapazität der bereits bestehenden Pipeline-Verbindungen durch die osteuropäischen Länder zu erweitern. Dagegen begehrten der Kreml und der eng mit ihm verbundene Gaskonzern eine Direktleitung nach Westeuropa, um die osteuropäischen Länder besser unter Druck setzen zu können, falls sie sich weigern sollten, die von Gazprom verlangten Preise zu zahlen. Durch den Bau der Ostsee-Pipeline verloren die Transitleitungen als Faustpfand an Wert.
Nachdem es Gazprom mit viel Druck und Tricks doch geschafft hatte, BASF und E.ON in das Projekt einzubinden, assistierte Schröder im April und im September 2005 gemeinsam mit Kremlchef Putin bei der Unterzeichnung der entsprechenden Grundsatzvereinbarungen, als ob es um einen Vertrag zwischen Regierungen gegangen wäre. Entsprechend verschnupft reagierten die osteuropäischen Länder. Vor allem in Polen befürchtete man verschärfte russische Pressionen, wenn die Ostsee-Pipeline fertig sein würde.
Zusätzlich hatte die von Schröder geführte Bundesregierung im Oktober 2005 zugesagt, für einen Bankenkredit an Gazprom in Höhe von einer Milliarde Euro zu bürgen. Der Kredit sollte jeweils zur Hälfte von der Deutschen Bank und der staatseigenen Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) aufgebracht werden und die Finanzierung des Pipeline-Projekts durch die Ostsee ermöglichen. Die Kreditzusage wurde allerdings erst im April 2006 bekannt, als Schröder längst kein Bundeskanzler mehr war, sondern auf der Gehaltsliste von Gazprom und anderen mehr oder weniger ehrenwerten Unternehmen stand. Schröder bestritt auch sofort, von dem Kredit überhaupt etwas gewußt zu haben, obwohl die mögliche Belastung des Staatshaushalts mit einer Milliarde Euro eigentlich eine Angelegenheit ist, die nicht am regierenden Bundeskanzler vorbei entschieden werden sollte – zumal wenn er sich, wie Schröder, so eifrig für dieses Projekt eingesetzt hatte.
Sicher war jedenfalls: Als der interministerielle Ausschuß die Übernahme der Milliarden-Bürgschaft am 24. Oktober 2005 genehmigte, stand bereits fest, daß Schröder nicht mehr Kanzler werden würde. Er hatte bei den Bundestagswahlen am 18. September die rot-grüne Regierungsmehrheit verloren und am 10. Oktober auch offiziell seinen Rückzug vom Amt des Bundeskanzlers erklärt. Am 9. Dezember ließ die russische Gazprom dann wissen, daß sie Schröder zum Aufsichtsratsvorsitzenden der „North European Gas Pipeline Company“ (NEGP) berufen werde.
Sicher war ferner: Nach der Billigung durch den interministeriellen Ausschuß war die Bürgschaft für das Bundeswirtschaftsministerium von Staatssekretär Bernd Pfaffenbach abgezeichnet und auch dem damaligen Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD) zur Kenntnis gebracht worden. Für das Finanzministerium genehmigte sie der damalige Staatssekretär Caio Koch-Weser, der zu diesem Zeitpunkt wußte, daß er aus dem Amt scheiden würde. Drei Monate später wechselte Koch-Weser als Berater zur Deutschen Bank, die das größte Interesse an dem Millliarden-Kredit für Gazprom hatte und ihn zur Hälfte bereitstellen sollte.
BMWi-Pressebild
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Am 16. Februar 2006 diskutierte der Bundestag schon wieder in einer „Aktuellen Stunde“ – dieses Mal auf Antrag der Grünen – über das seltsame Amtsverständnis von ehemaligen Mitgliedern der Bundesregierung. Denn drei Tage vorher war der frühere Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD) in den Aufsichtsrat der RWE Power AG gewählt worden. Im 21köpfigen Aufsichtsgremium der Kraftwerksgesellschaft des RWE-Konzerns übernahm Clement gemäß den Regelungen der Montan-Mitbestimmung die Rolle des neutralen Mitglieds, dessen Votum bei Stimmengleichheit zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern den Ausschlag gibt. Da er als Bundeswirtschaftsminister in vielfacher Weise mit dem Geschäftsbereich von RWE zu tun hatte und schon als Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen beispielsweise die Braunkohle-Verstromung favorisierte, löste er mit der Übernahme des Posten scharfe Kritik aus. Auch in der Bundestagsdebatte wurde ihm unterstellt, der Aufsichtsratsposten sei eine Belohnung für seine branchenfreundliche Politik als Wirtschaftsminister.
Nach Werner Müller, Alfred Tacke und Gerhard Schröder wechselte mit Wolfgang Clement erneut ein hochrangiger Vertreter der inzwischen abgewählten rot-grünen Bundesregierung ohne Einhaltung einer Schamfrist direkt in die Wirtschaft – und zwar zielsicher zu solchen Unternehmen, die früher von ihrer amtlichen Tätigkeit profitiert hatten. Zum allem Überfluß war kurz davor bekanntgeworden, daß Schröder sich nun auch als Berater des RAG-Konzerns betätigte, der unter dem neuen Chef Werner Müller die profitablen Bereiche gern privatisieren und die Steinkohle-Lasten dem Bund überlasssen wollte. Schröders Beratertätigkeit für die RAG kollidierte deshalb ganz unmittelbar mit den Interessen der Bundesregierung, die er noch vor kurzem repräsentiert hatte.
„Dieser extrem vermachtete Sektor unserer Volkswirtschaft braucht klare Scheidelinien gegenüber der Politik“, warnte in der Bundestagsdebatte der grüne Abgeordnete Reinhard Loske. „Sonst bekommen wir ein riesengroßes Glaubwürdigkeitsproblem.“ – In der Tat mußten gerade die Grünen um ihre Glaubwürdigkeit bangen, denn in der Koalition mit der SPD hatten sie Schröders neoliberale Umverteilung von arm zu reich mitgetragen und auch Clements Willfährigkeit gegenüber den Energiekonzernen allenfalls dort Widerstand geleistet, wo es um ideologisch unverrückbare Positionen wie die Förderung der erneuerbaren Energien ging.
Abgeordnete der Unionsparteien und der FDP schlugen die Schaffung eines freiwillig einzuhaltenden Ehrenkodexes vor, weil „nicht alles, was legal ist, auch legitim ist“. Die SPD vermochte erwartungsgemäß kein Fehlverhalten bei Clement, Schröder oder Müller zu erblicken, doch plädierte sie ebenfalls für „eine Scheidelinie bezüglich dessen, was man nach dem Ausstieg aus der Politik tut“.
Die Linkspartei-Abgeordnete Gesine Lötzsch brauchte solche Rücksichten nicht
zu nehmen und fand eine recht hübsche Formulierung, um das Verhalten von Clement
und Schröder zu charakterisieren: Beide Politiker hätten „augenscheinlich
politische Vorleistungen erbracht, die jetzt mit Vorstands- und Aufsichtsratsposten
versilbert werden“. Es handele sich hier um „nachgelagerte Bestechung“
und „eine Form von Korruption, die in Deutschland leider legal ist“.