Die
Fahrt durch Paris sei "möglich" sowie "sehr lohnend und
interessant", steht in meinem neu gekauften Kanu-Führer.
Na, endlich! – Denn bisher war es untersagt, die französische
Hauptstadt mit dem Kanu zu durchqueren. Nur einmal im Jahr
gab es eine Ausnahme: Die "Traversée de Paris", bei
der sich die Kanuten gleich zu Hunderten in die Seine stürzen,
um mit behördlicher Genehmigung loszupaddeln. Aber solche
Massenveranstaltungen sind nicht jedermanns Geschmack.
Also
nutze ich die neue Gelegenheit. Das Auto wird ausnahmsweise
am sündhaft teuren Pariser Straßenrand geparkt
(42 Euro für sechs Stunden), um den Kajak von dort zur
empfohlenen Einsetzstelle am Pont de Grenelle zu karren. Die
Sonne strahlt, und die Seine schimmert fast so blau wie der
Himmel. Auf dem Wasser wird man am Pont de Grenelle von der
"Kleinen Freiheitsstatue" begrüßt, die eine Replik
der viermal größeren Freiheitsstatue in New York
ist. Es sieht ganz danach aus, als ob es eine wunderschöne
Fahrt stromaufwärts bis zum Pont d'Austerlitz und zurück
würde. Unter anderem will ich die Ile de la Cité
umrunden und mir die abgebrannte Kathedrale Notre-Dame vom
Wasser aus anschauen.
Aber
dann ist es mit der Freiheit und dem Kanufahren plötzlich
vorbei. Kurz nach dem Eiffelturm kommt ein schwarzes Schlauchboot
angebraust. An Bord sind vier Polizisten. Sie erklären
mir, dass die Fahrt durch das Stadtgebiet für alle nicht
motorisierten Boote noch immer verboten sei. Außerdem
hätte ich keine Schwimmweste an. Mein Hinweis auf eine
bedauerliche Fehlinformation im Kanu-Führer beeindruckt
sie so wenig wie das Argument, dass ich durchaus schwimmen
könne und die Seine kein Wildwasser sei: Das Fahrverbot
sei ausnahmslos gültig. Es sei auch notwendig, und zwar
wegen des Schiffsverkehrs und zum eigenen Schutz der Kanuten.
Dann fordern sie mich auf, in ihr Boot umzusteigen. Diesem
Ansinnen leiste ich allerdings keine Folge: Der kippelige
Umstieg wäre wesentlich riskanter als der Schiffsverkehr,
vor dem sie mich bewahren wollen.
Ersatzweise
geleitet mich das Polizeiboot zur nächstgelegenen Rampe
am Ufer, wo ich anlegen und den im Boot verstauten Personalausweis
hervorholen kann. Der Chef der Truppe fragt, ob ich schon
mal polizeilich in Erscheinung getreten sei. Anschließend
überprüft er per Funk sehr lange die Angaben im
Personalausweis. Er kann aber offenbar nichts Anstößiges
finden. Dann will er wissen, aus welchem Bundesland ich komme.
Mit dem Ländernamen Baden-Württemberg kann er indessen
so wenig anfangen wie mit dem Ortsnamen Heidelberg. Erst das
Stichwort "Forêt Noire" (Schwarzwald) verhilft ihm halbwegs
zu einer geographischen Einordnung.
Der
Disput um Sinn und Unsinn des Fahrverbots geht weiter. Ich
verweise auf Amsterdam und Venedig, wo ich anstandslos paddeln
durfte. Der Chef der Truppe hält dem entgegen –
und da zeigt er plötzlich eine überraschende Ortskenntnis
– , dass es auch in Berlin ein Fahrverbot für Kanus
gebe. "Das stimmt", muss ich zugeben."Dieses Fahrverbot gilt
aber nicht für das ganze Stadtgebiet, und für den
gesperrten Abschnitt der Spree ist es genauso unnötig
wie hier auf der Seine in Paris".
Im
Grunde ist die ganze Diskussion sinnlos. Schließlich
haben Polizisten nicht über die Vernünftigkeit einer
behördlichen Anordnung zu entscheiden, sondern diese
auszuführen. Sie können höchstens darüber
befinden, ob der Frevler mit einer Verwarnung davonkommt oder
ein Bußgeld zu zahlen hat. Bei mir scheinen sie Gnade
walten zu lassen und einen Verbotsirrtum anzunehmen. Einfach
zurückpaddeln darf ich aber nicht. Die Ordnungshüter
bestehen vielmehr darauf, dass das Boot unverzüglich
aus der Seine entfernt wird.
Immerhin
wollen sie mir nicht zumuten, das Kanu kilometerweit durch
den Pariser Strassenverkehr zu schleppen. Sie erkundigen sich
nach dem Parkplatz meines Autos. Dann wuchten sie den Kajak
in ihr Schlauchboot. Der Motor heult auf, und in rasendem
Tempo geht es dieselbe Strecke zurück, die ich gemächlich
stromaufwärts gepaddelt war. – Wie man sieht, lässt
sich in Paris noch immer einiges erleben.
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