September 1999 |
990925 |
ENERGIE-CHRONIK |
Rund 570 Professoren von 50 deutschen Universitäten und Forschungseinrichtungen haben die Bundesregierung aufgefordert, "eine ernsthafte Neubewertung der Kernenergie vorzunehmen ", statt weiterhin "Parteitagsbeschlüsse aus den siebziger und achtziger Jahren ohne Überprüfung ihrer heutigen Berechtigung zu vollziehen". Ein entsprechendes Memorandum wurde am 29.9. in Berlin vorgestellt und im Bundeskanzleramt übergeben. Erstunterzeichner sind die Professoren Adolf Birkhofer, Joachim Grawe, Manfred Popp, Alfred Voß und Dietrich Wegener (Handelsblatt. 30.9.).
Die Unterzeicher des Memorandums führen insgesamt zehn Punkte gegen einen Ausstieg aus der Kernenergie an. An erster Stelle nennen sie dabei die Fortschritte der Sicherheitstechnik, das Klimaproblem und die Erhaltung von technologischer Kompetenz und Exportfähigkeit der deutschen Industrie. Weitere Argumente sind: Die Ersetzung der wegfallenden Kernkraftwerksleistung im Inland durch Stromimporte aus bestehenden oder neuen Kernkraftwerken des europäischen Auslandes ließe sich im inzwischen liberalisierten EU-Binnenmarkt nicht verhindern. Die Umweltauswirkungen der Kernenergie seien geringer als bei fast allen anderen Energiertechniken. Ein Ausstieg aus der Kernenergie würde den erneuerbaren Energien eher schaden, weil diese noch nicht marktreif sind und deshalb Kernkraftwerke durch fossil befeuerte Anlagen mit entsprechend langfristiger Bindung der Investitionsmittel ersetzt werden müßten. Selbst bei einem Ausstiegs-Szenario benötige man weiterhin gut ausgebildetes Fachpersonal für den jahrzehntelangen Weiterbetrieb der Anlagen, deren anschließende Stillegung und die sichere Entsorgung der angefallenen radioaktiven Abfälle. Ein Anreiz für qualifizierte junge Leute bestehe aber nur, wenn die Technik, für die sie tätig sind, auch eine Zukunftsperspektive habe. Die Sicherung des Know-hows in der Nukleartechnologie sei ferner erforderlich, um kommenden Generationen so viele Energie-Optionen wie möglich offenzugehalten. Grundsätzlich sei ein Ausstieg aus der Kernenergie nur dann verantwortbar, wenn bessere Alternativen zur Verfügung stünden.