August 1998 |
980802 |
ENERGIE-CHRONIK |
Die Kernkraftwerksbetreiber lehnten Schröders angeblichen Plan zum Ausstieg aus der Kernenergie einmütig ab. Für den Präsidenten des Deutschen Atomforums, Wilfried Steuer, wäre eine politisch bedingte Stillegung von Kernkraftwerken ein "verfassungswidriger, enteignungsgleicher Eingriff", der Entschädigungsansprüche in Milliardenhöhe begründen würde. Durch die Kernenergie würden jährlich 160 Millionen Tonnen Kohlendioxid vermieden. Deshalb hätte ein vorzeitiges Abschalten auch zur Folge, daß Deutschland seine Klimaschutzziele nicht erreichen könne.
Für RWE-Chef Dietmar Kuhnt läßt der angeblichen Ausstiegs-Plan "keine Basis erkennen, um Konsensverhandlungen zu beginnen". Die Reaktoren seien für eine 40jährige Betriebsdauer angelegt, und so lange sollte man sie auch am Netz lassen, sagte Kuhnt in einem Interview mit dem Spiegel (10.8.). Die Nachrüstung der beiden Blöcke in Biblis werde sicher kostspielig, doch entscheide auch hier allein die Wirtschaftlichkeit, ob nachgerüstet werde oder nicht. Es gebe ferner keinen Grund, die vorhandenen beiden Zwischenlager in Gorleben und Ahaus nicht weiter zu nutzen. Ob der neue EPR-Reaktor tatsächlich gebraucht und wirtschaftlich sein werde, sei vorläufig "eher eine akademische Frage".
Bayernwerk-Chef Otto Majewski warnte in einem Beitrag für die Wirtschaftswoche (6.8.) davor, ein so wichtiges und sensibles Thema wie die Kernenergie "zum Spielball eines Wahlkampfes" werden zu lassen. Künftige Konsensgespräche müßten "ergebnisoffen" geführt werden. Dagegen würden die Kernkraftwerksbetreiber nicht bei Gesprächen mitmachen, "die von vornherein nur auf Kapitel- und Arbeitsplatzvernichtung hinauslaufen".
Der neue Vorstandsvorsitzende des Viag-Konzerns, Wilhelm Simson, bezeichnete es in einem Interview mit dem Magazin Focus (10.8.) als "Treppenwitz der Geschichte, daß wir bei weltweit 450 in Betrieb befindlichen Anlagen gerade unsere sicheren Kernkraftwerke abschalten und dann Strom aus den unsicheren Reaktoren in Osteuropa importieren müssen".
Nach Ansicht der Hamburgischen Electricitäts-Werke (HEW) sollten alle Kernkraftwerke, sofern dies technisch und atomrechtlich möglich ist, eine Betriebsdauer von 40 Jahren absolvieren. Wer aus politischen Gründen auf die Kernkraft verzichten wolle, müsse vorher die Bundesgesetze ändern, sagte HEW-Sprecher Johannes Altmeppen (Hamburger Morgenpost, 4.8.).
Noch vor Bekanntwerden der angeblichen
Pläne Schröders hatte sich in einem Interview mit der
Bild-Zeitung (3.8.) auch PreussenElektra-Chef Hans-Dieter Harig
ganz ähnlich geäußert: Es wäre "volkswirtschaftlicher
Leichtsinn, wenn wir Kernkraftwerke vor technischem und wirtschaftlichem
Lebensende abschalten würden". Falls die Politik einen
Ausstieg früher durchsetze, als betriebswirtschaftlich sinnvoll
sei, hätten die KKW-Betreiber gar keine andere Wahl, als
vom Staat Schadenersatz zu verlangen.