April 1998 |
980406 |
ENERGIE-CHRONIK |
Sechs Monate vor der Bundestagswahl legte die CDU am 3.4. einen ersten Entwurf ihres Wahlprogramms vor, in dem sie unter anderem europaweit "die Einführung eines erhöhten Mehrwertsteuersatzes für den Energieverbrauch oder die Einführung einer aufkommensneutral ausgestalteten CO2-Energiesteuer" fordert. Führende Politiker der bayerischen CSU warfen daraufhin dem Unions-Fraktionschef Wolfgang Schäuble vor, diese Forderung nicht mit der Schwesterpartei abgestimmt zu haben. Der bayerische Umweltminister Thomas Goppel bezeichnete sie als eine "dumme Wiederholung von ollen Kamellen ohne jeden Intelligenzblitz". Schäuble und CDU-Generalsekretär Peter Hintze betonten demgegenüber, daß die Forderung seit langem Bestandteil der gemeinsamen Politik von CDU und CSU sei und auch mit einem Koalitionsbeschluß übereinstimme, den Schäuble, der CSU-Vorsitzende Theo Waigel und der FDP-Fraktionsvorsitzende Solms im Dezember 1996 verkündet hatten (961202). Bundeskanzler Helmut Kohl bemühte sich daraufhin, die koalitionsinternen Wogen zu glätten, indem er in einem Interview mit der Bild-Zeitung (8.4.) für eine "harmonisierte Regelung" der Energiebesteuerung in Europa plädierte und gleichzeitig versicherte, daß es eine "nationale Ökosteuer" mit ihm und der CDU nicht geben werde. Kurz vor Ostern legten beide Parteien ihren Streit bei, indem sie in einer gemeinsamen Erklärung eine "abgestimmte, harmonisierte, wettbewerbs- und aufkommensneutrale Energiebesteuerung" forderten. Die CSU setzte damit den Verzicht auf Steuererhöhungen durch (SZ, 4.4., 6.4., 11.4.; FAZ, 7.4., 8.4.).
Die Wirtschaftswoche (9.4.) schrieb: "Die aufsehenerregende Forderung der Grünen nach einem Spritpreis von fünf Mark pro Liter hatte in den vergangenen Wochen nur verdeckt, daß bei sämtlichen Bonner Parteien Konsens über eine höhere Energiebesteuerung besteht."
Für das Handelsblatt (21.4.) handelt es sich bei dem Bonner Streit um eine "Gespensterdebatte", denn "weder die Einführung eines dritten Mehrwertsteuersatzes für Energieprodukte noch die aufkommensneutral ausgestaltete CO2-Energiesteuer finden in Brüssel die notwendige Einstimmigkeit".
Die deutsche Industrie lehnt eine "Ökosteuer"
auf europäischer wie auf nationaler Ebene ab. Wie der Präsident
ihres Bundesverbandes, Hans-Olaf Henkel, am 16.4. in Bonn erklärte,
würde eine solche Steuer in beiden Fällen nur zur Abwanderung
der Industrie in Regionen führen, wo es weder solche Steuern
noch vergleichbare Vorschriften zum Schutz der Umwelt gibt. Sie
würde damit nicht nur Arbeitsplätze kosten, sondern
sich auch schädlich für die Umwelt auswirken. Das einzig
sinnvolle Instrument zur Reduzierung der CO2-Emissionen seien
freiwillige Selbstverpflichtungen der Industrie (Tagesspiegel,
17.4.; FAZ, 17.4.).