April 1995 |
950411 |
ENERGIE-CHRONIK |
Stellvertretend für rund vierzig Kommunen hat die Bocholter Energie- und Wasserversorgung GmbH (BEW) vor der Kartellkammer des Landgerichts Dortmund einen Musterprozeß gegen die RWE Energie angestrengt. Sie will höchstrichterlich klären lassen, welchen Preis sie für den Rückkauf des Stromnetzes im Bocholter Ortsteil Barlo bezahlen muß. Die Kommunen sind der Ansicht, daß der Kaufpreis auf der Basis der Anschaffungs- und Herstellungskosten abzüglich Abschreibungen unter Zugrundelegung der technisch-wirtschaftlichen Nutzungsdauer berechnet werden sollte. Dagegen fordern die bisherigen Netzbetreiber den Sachzeitwert. Die BEW rechnen damit, daß der Prozeß durch alle Instanzen bis zum Bundesgerichtshof bis zu fünf Jahre dauern wird. Die bisher von der RWE Energie betriebenen Stromnetze in Barlo und neun weiteren Ortsteilen sollen bereits zu Ende des Jahres ins Eigentum der BEW übergehen. Der Netzkaufpreis wird unter dem Vorbehalt der späteren höchstrichterlichen Entscheidung bezahlt (Handelsblatt, 12.4.; Welt, 12.4.; siehe auch 941002).
Einen zweiten Musterprozeß will die bayerische Gemeinde Kaufering gegen die Lech-Elektrizitätswerke AG (LEW) führen. Sie wird dabei ebenfalls von den rund 40 Kommunen der "Prozeßkostengemeinschaft Stromnetzübernahme" unterstützt. Daß zwei Musterprozesse geführt werden, liegt an unterschiedlichen Formulierungen in den Konzessionsverträgen, welche die Modalitäten des Netzrückkaufs regeln (SZ, 12.4.).
Die Neue Rhein Zeitung (13.4.) bemerkte
zu der jetzt angestrengten Musterklage: "Das RWE, das rund
1500 Kommunen und Stadtwerke beliefert, werden 40 aufmüpfige
Kunden zunächst nicht erschüttern. Doch ein Urteil zugunsten
der Kläger könnte in ein paar Jahren Schule machen und
so einen Erdrutsch auslösen."