Dezember 1994 |
941201 |
ENERGIE-CHRONIK |
Der sogenannte Kohlepfennig ist mit dem Grundgesetz unvereinbar. Dies erkannte der zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts in einem Beschluß vom 11.10., der am 7.12. veröffentlicht wurde. Das Gericht wertet die entsprechenden Regelungen des Dritten Verstromungsgesetzes als eine unzulässige "Sonderabgabe". Die beanstandeten Vorschriften dürfen nur noch bis Ende 1995 angewendet werden. Die Verlängerung des Kohlepfennigs auf 1996 durch das im Mai verabschiedete Energie-Artikelgesetz ist damit unzulässig und muß durch eine andere Lösung zur Finanzierung der Steinkohleverstromung ersetzt werden. Das Urteil ist ferner von erheblicher Bedeutung für die Beurteilung des Stromeinspeisungsgesetzes vom 1.1.1991, das die Stromverbraucher in ähnlicher Weise mit einer Sonderabgabe belastet (Handelsblatt, 18.12.; FAZ, 18.12; siehe auch 940501 u. 941118).
Wie es in einer Verlautbarung des Verfassungsgerichts heißt, ist eine Sonderabgabe "nur unter engen verfassungsrechtlichen Voraussetzungen zulässig und darf nur eine Gruppe belasten, die der zu finanzierenden Aufgabe besonders nahesteht". Andernfalls müsse die Finanzaufgabe "von der Allgemeinheit, d.h. aus Steuererträgen finanziert werden". Wörtlich heißt es: "Der 'Kohlepfennig' belastet die inländischen Stromverbraucher, die lediglich ein gemeinsames Interesse an einer Stromversorgung kennzeichnet, das heute so allgemein ist wie das Interesse am täglichen Brot. Der Kreis der Stromverbraucher ist nahezu konturenlos und geht in der Allgemeinheit der Steuerzahler auf. Diese Verbraucher trifft keine besondere Veranwortlichkeit für die Finanzierung der Kohleverstromung. Die Sicherstellung der Strom- oder Energieversorgung ist ein Interesse der Allgemeinheit, das nicht durch eine Sonderabgabe finanziert werden darf." (AZ 2 BvR 633/86)
Der Kohlepfennig wird als prozentualer
Aufschlag auf den Strompreis seit 1975 erhoben, um die Verstromung
heimischer Steinkohle zu ermöglichen, die gegenüber
Importsteinkohle nicht mehr konkurrenzfähig ist. Der Aufschlag
beträgt im Bundesdurchschnitt derzeit 8,5 Prozent und belastet
die Verbraucher mit rund sieben Milliarden Mark jährlich.
Die entsprechende Regelung des Dritten Verstromungsgesetzes sollte
ursprünglich 1995 auslaufen. Sie wurde aber im Mai dieses
Jahres durch das Energie-Artikelgesetz um ein weiteres Jahr verlängert.
Zugleich sollte 1996 der Kohlepfennig in halber Höhe erstmals
auch in den neuen Bundesländern erhoben werden. Nach dem
Urteil des Bundesverfassungsgerichts muß nun bereits ab
1996 eine andere Lösung zur Finanzierung der Steinkohleverstromung
gefunden werden. Das Energie-Artikelgesetz bindet die Subventionierung
der Steinkohleverstromung erstmals nicht mehr an bestimmte Fördermengen,
sondern an Festbeträge, die sich für 1996 auf 7,5 Milliarden
Mark und für die Jahre 1997 bis 2000 auf jeweils 7 Milliarden
Mark belaufen. Damit soll dem Drängen der EU-Kommission nach
einem Abbau der Kohlesubventionen Rechnung getragen werden. Im
übrigen ist aber völlig unklar, auf welche Weise die
genannten Summen zur Subventionierung der deutschen Steinkohle
aufgebracht werden sollen (siehe auch
941202).