Juni 1994

940601

ENERGIE-CHRONIK


Die Europäische Energie-Charta nimmt allmählich Konturen an

Die Verhandlungen über die Ausgestaltung der Europäischen Energie-Charta, die bereits am 17.12. 1991 in Den Haag unterzeichnet wurde, sind nach zwei Jahren zu einem ersten Abschluß gelangt. Die Vertreter von 51 Staaten aus Ost und West einigten sich am 11.6. in Brüssel nach zähen Verhandlungen auf Einzelheiten der Zusammenarbeit zur Nutzung der gewaltigen Reserven an Gas und Öl auf dem Gebiet der ehemaligen Sowjetunion mit Hilfe westlicher Technologie und westlichen Kapitals. Der 54 Artikel umfassende Vertragsentwurf soll bis Herbst dieses Jahres unterzeichnet werden. Die OECD-Staaten und die Länder des ehemaligen Ostblocks verpflichten sich darin, privatwirtschaftlicher Tätigkeit unter Berücksichtigung marktwirtschaftlicher Prinzipien möglichst großen Freiraum zu gewähren. Im Mittelpunkt stehen der ungehinderte Kapitalverkehr und der Schutz von Investitionen im Energiesektor. Die angestrebte Gleichbehandlung mit inländischen Firmen will Rußland vorläufig allerdings nur solchen Unternehmen gewähren, die bereits auf seinem Gebiet tätig sind. Über die noch offenen Fragen und weitere Fortschritte bei der Liberalisierung des Energiemarktes wird in einer zweiten Runde verhandelt, die bis Anfang 1998 abgeschlossen sein soll. Der stellvertretende Generaldirektor für Energie in der Europäischen Kommission, Clive Jones, erwartet überdies, daß mittelfristig Protokolle über den Zugang zu den Elektrizitätsnetzen sowie für die Handhabung erneuerbarer Energien festgelegt werden können (SZ, 13.6.; NZZ, 14.6.; siehe auch 911204 u. 920304).

Für die Neue Zürcher Zeitung (14.6.) kann der Vertrag zur "Schaffung eines Vertrauensklimas beitragen". Angesichts zahlreicher Einschränkungen, Übergangsregelungen, Ausnahmebestimmungen und Hintertürchen bleibe allerdings abzuwarten, ob ihm dies tatsächlich gelinge. "Seine Wirkung hängt einerseits von der Beachtung und Umsetzung der Bestimmungen in den Vertragsländern, anderseits von der Reaktion der Industrie ab."

Die Süddeutsche Zeitung (14.6.) meinte zu der jetzt ausgehandelten Vereinbarung: "Sie ist sicher kein Garant für die zügige Sanierung der osteuropäischen Energiewirtschaft. Aber sie ist immerhin ein wichtiger Baustein dazu."