April 1994

940403

ENERGIE-CHRONIK


Hanauer Altanlage für MOX-Brennstäbe wird endgültig aufgegeben

Nach jahrelangen Auseinandersetzungen mit der rot-grünen Regierung in Wiesbaden hat die Firma Siemens beschlossen, die Hanauer Altanlage zur Fertigung von Mischoxid-Brennelementen (früher Alkem) aufzugeben. Wie der Vorsitzende des Fachausschusses Kernenergie der Vereinigung Deutscher Elektrizitätswerke (VDEW), Karl Stäbler, in Bonn mitteilte, erfolgt dieser Schritt auf Betreiben der deutschen Stromversorger. Siemens hätte die Altanlage schon früher aufgegeben, wenn sich die EVU nicht bereiterklärt hätten, einen größeren Teil der Bereithaltungskosten von etwa 100 Millionen Mark jährlich zu übernehmen. Mit der Schließung ist der Verlust von mehr als 200 Arbeitsplätzen verbunden (SZ, 23.4.; FAZ, 23.4.; Welt, 23.4.; siehe auch 930906).

An der fast fertiggestellten Neuanlage für die Fertigung von Mischoxid-Brennelementen in Hanau wollen die Stromversorger nach den Worten Stäblers festhalten. Die Vollendung und Inbetriebnahme dieser Anlage ist derzeit blockiert, weil die hessische Regierung notwendige Genehmigungen verweigert. Ursprünglich sollte die Altanlage Ende 1991 stillgelegt und gleichzeitig die Neuanlage in Betrieb genommen werden.

Die Firma Siemens beziffert den bisher durch den Stillstand der Altanlage entstandenen Schaden auf über eine halbe Milliarde Mark. Die Aufgabe der Produktion habe keinen Einfluß auf die beim Oberlandesgericht Frankfurt anhängige Schadenersatzklage gegen das Land Hessen (Handelsblatt, 25.4.; siehe auch 930407).

Für Die Zeit (29.4.) ist inzwischen "ein Verzicht der Energiekonzerne auf den gefährlichen Plutoniumkreislauf absehbar. ... Spätestens seit der Aufdeckung der geheimen Verträge, in denen Siemens den Stromunternehmen und damit den Stromkunden den größten Teil der Kosten für den Plutoniumkreislauf aufgedrückt hat, müssen sich die Energieversorger rechtfertigen, warum sie Milliarden für eine Technologie ausgeben, auf die man ohne Einbuße für die Stromproduktion genausogut verzichten könnte."

Die Welt (23.4.) warnte vor den Folgen eines "Ausstiegs auf Raten", falls im kommenden Jahr - je nach Wahlausgang - auch auf die Inbetriebnahme der Neuanlage in Hanau verzichtet werden sollte: "Dann allerdings wäre auch die Schließung der Siemens-Fabrik für Uranbrennelemente in Hanau nur noch eine Frage der Zeit; rund 2000 hochqualifizierte Arbeitsplätze gingen damit unwiederbringlich verloren."

Nach Meinung des Handelsblatts (25.4.) trägt die jetzige Entscheidung dazu bei, den Produktionsstandort Deutschland für die Kerntechnik immer weniger attraktiv werden zu lassen: "Für den Wirtschaftsstandort Deutschland kann das langfristige Stromkostenhandikap kaum kalkuliert werden. Zudem wird eine Spitzentechnik aufgegeben, die weltweit noch als Ausweis für eine Führungsposition unter den Industrienationen gilt."