Mai 1993 |
930508 |
ENERGIE-CHRONIK |
Der hessische Umweltminister Joschka Fischer (Grüne) sperrt sich nicht länger gegen den Weiterbau der neuen Anlage zur Plutoniumverarbeitung im Siemens-Brennelementewerk in Hanau. Fischer hatte die fünfte, abschließende Teilgenehmigung für den Neubau Ende 1991 außer Kraft gesetzt, nachdem sich herausstellte, daß die diesbezüglichen Akten unter seinem Vorgänger Weimar (CDU) aus dem Umweltministerium ins Siemens-Brennelementewerk verlagert worden waren. Der Neubau war dadurch weitgehend zum Erliegen gekommen. Für den damals geäußerten Verdacht einer Manipulation der Akten fanden sich jedoch keine Belege. Hinzu kommt, daß Fischer nach dem am 6.4. ergangenen Urteil des Landgerichts Wiesbaden zum Streit um die Stillegung der Altanlage auch mit erfolgreichen Schadenersatzansprüchen von Siemens wegen der weiteren Blockierung des Neubaues rechnen müßte. Vor diesem Hintergrund hat Fischer am 11.5. in einem Schreiben an Bundesumweltminister Töpfer (CDU) nochmals dargelegt, daß er die fünfte Teilgenehmigung zwar weiterhin nicht für korrekt halte, im übrigen aber jedoch Töpfers Aufforderung nachkommen werde,die fünfte Teilgenehmigung mit Sofortvollzug wieder in Kraft zu setzen (FR, 12.5.; FAZ, 12.5.; Handelsblatt, 13.5.; siehe auch 930407).
"Es ist das erste Mal, daß Fischer
im Streit um die Plutoniumverarbeitung einer Aufforderung Töpfers
nachkommt, ohne daß dieser zum Instrument der bundesaufsichtlichen
Weisung greifen muß", konstatierte die Frankfurter
Rundschau (12.5.). Fischer habe nachgeben müssen, da er zwar
vor den Verwaltungsgerichten nach wie vor gute Chancen sehe, aber
bei Schadenersatzklagen vor Zivilgerichten mit Urteilen zugunsten
von Siemens rechnen müsse: "Inzwischen wird in Wiesbaden
davon gesprochen, Töpfer habe Fischer in eine ëFalle
laufen lassení, indem er bezogen auf die Siemens-Altanlagen
eine bundesaufsichtliche Anweisung vermied und Siemens damit gegen
das Land Hessen auf Schadenersatz klagen konnte (...) Im politischen
Pingpong zwischen Wiesbaden und Bonn suchte der grüne Landesminister
nun nach Möglichkeiten, Töpfer zur Übernahme des
Risikos zu zwingen, und das funktioniert bei den Siemens-Neuanlagen
nur auf dem jetzt beschrittenen Weg (...) Falls die fünfte
Teilgenehmigung, die Fischer jetzt wieder anwenden will, eines
Tages vor dem VGH für rechtswidrig erklärt wird, ist
nun Töpfer die Adresse für Schadenersatzforderungen
der Firma Siemens, die sich dann wegen fehlerhafter staatlicher
Genehmigungen wieder an Zivilgerichte weden könnte."