Mai 1993 |
930502 |
ENERGIE-CHRONIK |
Die derzeitigen Einnahmen aus dem "Kohlepfennig" reichen nicht aus, um die Subventionierung der Verstromung deutscher Steinkohle zu decken. Nach Angaben aus dem Bundeswirtschaftsministerium wird das Defizit im Verstromungs-Fond bis Ende des Jahres 4,8 Milliarden DM erreicht haben. Bleibe es bei dem jetzigen prozentualen Aufschlag auf die Stromrechnung von 7,5%, werde das Defizit bis zum Auslaufen des Kohlepfennigs Ende 1995 auf 5,8 Milliarden DM anwachsen. Der "Kohlepfennig" war 1989 von 7,25% auf 8,5% erhöht und seither auf 7,5% wieder abgebaut worden. Das Defizit ist durch die auseinanderdriftenden Preise für deutsche und ausländische Steinkohle entstanden. Während die Förderung einer Tonne deutscher Steinkohle derzeit rund 280 DM kostet, ist eine Tonne Importsteinkohle bereits für 100 DM zu haben (FAZ, 30.4.; FR, 30.4.; SZ, 30.4.; Handelsblatt, 4.5.).
Bundeswirtschaftsminister Günter Rexrodt (FDP) hatte vor diesem Hintergrund am 3.5. eine Erhöhung des Kohlepfennigs für 1994 und 1995 angekündigt, bevor er überraschend den Vorschlag einer "Kohlefinanzierungssteuer" unterbreitete, mit deren Hilfe auch das Milliardendefizit im Verstromungsfonds abgebaut werden soll. Der bayerische Ministerpräsident Max Streibl (CSU) bezeichnete die Pläne zur Erhöhung des "Kohlepfennigs" als konjunktur- und wirtschaftspolitisch falsches Signal (FAZ, 4.5.; Handelsblatt, 4.5.).
Unter der Überschrift "Jetzt reicht es" wandte sich die Frankfurter Allgemeine (30.4.) scharf gegen Rexrodts ursprünglichen Plan: "Die Wirtschaft ist nicht bereit, in der derzeitigen schwierigen Situation weitere Kosten hinzunehmen. Strompreise sind auch Standortfaktoren (...) Natürlich würde der Abbau der Kohlesubventionen Arbeitsplätze vernichten. Die Verlagerung von Produktion ins Ausland vernichtet aber ebenfalls Arbeitsplätze."
Die Welt (5.5.) kritisierte die abrupte Wendung des Wirtschaftsministers von der Erhöhung des "Kohlepfennigs" zur Einführung einer "Kohlefinanzierungssteuer": "Rexrodt veröffentlichte Montag und Dienstag im Abstand von weniger als 24 Stunden vor und nach den Konsensgesprächen allein zwei Erklärungen mit beinahe gegensätzlichen Aussagen zur Finanzierung der Kohleverstromung. Das ehemalige Haus Ludwig Erhards hat seit Jahren kein ordnungspolitisches Konzept zur Lösung des Kohleproblems. Was allerdings Rexrodt in den wenigen Tagen seiner Amtsführung bietet, stellt die Volten seines Vorgänger noch in den Schatten."
Die Bundestagsfraktion der CDU/CSU lehnt eine Erhöhung des "Kohlepfennigs" und die damit verbundene höhere Belastung für Stromkunden aus konjunkturpolitischen Gründen ab. Dies geht es dem Leitlinienpapier zur Energiepolitik hervor, das die Fraktion am 25.5. verabschiedete. Die Unionsfraktion hält in dem Papier an den Ergebnissen der Kohlerunde von 1991 und den damals beschlossenen Kohle-Fördermengen fest. Ihre Haltung zu der von Rexrodt vorgeschlagenen "Kohlefinanzierungssteuer" läßt sie offen (SZ, 15.5. u. 27.5.).