Oktober 1992

921001

ENERGIE-CHRONIK


Verfassungsrichter bieten Vergleich im Streit um Stromverträge an

Im Streit um die 1990 geschlossenen Stromverträge hat der zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts am 27.10. einen Vergleich angeregt: Solche Kommunen, die den Aufbau eigener Stadtwerke anstreben und zu einer rentablen Stromversorgung in der Lage sind, sollen das Betriebsvermögen einschließlich der Anlagen zur Stromversorgung erhalten. Dafür müßten sie auf die Kapitalbeteiligung an den regionalen Energieversorgern verzichten, die ihnen in den Stromverträgen zugebilligt wurde.

Die Anregung zu dem Vergleich kam überraschend am Ende der mündlichen Verhandlung, die in Stendal (Sachsen-Anhalt) stattfand. Während die klagenden Kommunen sogleich positiv reagierten, äußerten sich die Vertreter von Bundesregierung und Energiekonzernen eher zurückhaltend. Das Gericht gab den Prozeßbeteiligten bis 16. November Gelegenheit zur Stellungnahme. Nach Angaben des Prozeßvertreters der Gemeinden, Rechtsanwalt Peter Becker, würden mehr als 130 der 164 klagenden Kommunen von der vorgeschlagenen Lösung Gebrauch machen wollen (Welt, 29.10.; FAZ, 29.10.; taz, 29.10.; siehe auch 920910).

"Die Richter haben mit diesem Vorschlag allen Beteiligten Dampf gemacht", kommentierte Die Welt (29.10.) den Vorstoß des Gerichts. "Die Kommunen im Osten werden zumindest im Bereich der Stromversorgung ihren westlichen Pendants gleichgestellt, und auch die Interessen der großen Stromversorger bleiben gewahrt." Dagegen würde nach Ansicht des Handelsblatts (30.10.) eine Einigung auf der vorgeschlagenen Grundlage "gefährdet" bleiben und auch "noch keinen Durchbruch für rasche Investitionsentscheidungen" bedeuten. Die Bundesregierung sei deshalb gut beraten gewesen, sich bei der Bewertung zunächst zurückzuhalten.

Die Neue Zeit (27.10.) machte bereits vor der mündlichen Verhandlung darauf aufmerksam, daß die Ost-Kommunen eine eigene Stromversorgung aller Voraussicht nach auf der Basis von Erdgas oder Öl verwirklichen würden. Damit aber "würde sich der Bedarf an Braunkohle erheblich reduzieren und den ostdeutschen Braunkohlebergbau schließlich in Frage stellen".