Mai 1992 |
920503 |
ENERGIE-CHRONIK |
Das Bundesverfassungsgericht wird voraussichtlich erst im Herbst über die umstrittenen Stromverträge vom Sommer 1990 entscheiden. Vor der Sommerpause ist allenfalls mit der mündlichen Verhandlung zu rechnen. Diese Ansicht vertrat Gerhard Bräunlein, Vorstandsmitglied der Vereinigten Energiewerke AG (Veag). Die Verfassungsbeschwerde gegen die Stromverträge war am 10.7.1991 von 123 Städten und Gemeinden aus den neuen Bundesländern erhoben worden (910703). Sie wird inzwischen von 165 Kommunen unterstützt. Die Kläger wollen sich die Möglichkeit zur eigenständigen Stromerzeugung sichern, von der sie sich finanzielle Vorteile versprechen (FR, 13.5.; siehe auch 920322).
Nach Ansicht der Treuhandanstalt wirken sich die unklare Rechtslage und die noch immer ausstehende Privatisierung der ostdeutschen Stromwirtschaft als spürbares Investitionshindernis aus. Allein bei den regionalen EVU sei aktuell ein Investitionsstau von knapp 800 Millionen DM vorhanden (Handelsblatt, 8.5.).
Eine Kommunalisierung der Stromversorgung in der ehemaligen DDR könne sich zu einem "langwierigen und äußerst kostspieligen Investitionshindernis entwickeln", das den Aufschwung verzögert und die westdeutschen Steuerzahler belastet. Zu diesem Schluß gelangt der Berliner Kartell- und Energierechtler Prof. Wolfgang Harms in einem Gutachten, aus dem der Verband der Industriellen Energie- und Kraftwirtschaft (VIK) am 19.5. "wesentliche Ergebnisse" veröffentlichte (dpa, 19.5.).
Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI)
sieht bei einer Kommunalisierung der ostdeutschen Stromversorgung die Wettbewerbsfähigkeit
der dortigen Industrie bedroht. In einem Schreiben an den zweiten Senat
des Bundesverfassungsgerichts verweist der BDI auf Erfahrungen in den westlichen
Bundesländern; dort würden die Kommunen nur zu leicht ihren fiskalischen
und politischen Interessen den Vorrang vor dem Ziel einer preisgünstigen
Energieversorgung einräumen(Handelsblatt, 13.5.).
In Magdeburg ist am 23.5. ein Vertrag über die Gründung von Stadtwerken
unterzeichnet worden. Die künftigen "Städtischen Werke Magdeburg AG" gehören
zu 54% der Stadt, zu 29% der Veba Kraftwerke Ruhr AG und zu 17% den Vereinigten Elektrizitätswerken
Westfalen (VEW). Sie sollen die Stadt mit Strom, Wärme, Wasser und Gas versorgen
sowie Abwasser und Müll beseitigen (dpa, 24.5.).