April 1992

920415

ENERGIE-CHRONIK


Tschernosenko nennt deutsche KKW "gigantische Minen mit Zeitzündern"

In einem Interview mit der Illustrierten Bunte (2.4.) hat der sowjetische Kernphysiker Wladimir Tschernosenko die Sicherheit der deutschen Kernkraftwerke entschieden bestritten: "Wenn die Deutschen wüßten, wie es auch in ihren Kraftwerken aussieht, könnten sie nicht mehr ruhig schlafen. Natürlich sind die sicherer als die von Tschernobyl, keine Frage; aber es gibt die absolute Sicherheit nicht. ... Hier sind derzeit 21 Atomkraftblöcke in Betrieb. Das sind gigantische Minen mit Zeitzündern."

Tschernosenko hatte als wissenschaftlicher Leiter die Aufräumarbeiten nach der Katastrophe von Tschernobyl überwacht. Infolge der dabei erlittenen radioaktiven Verstrahlung hat er nur noch kurze Zeit zu leben. Im gleichen Interview bezeichnete er den damaligen sowjetischen Staatschef Gorbatschow als "Verbrecher und Mörder", weil dieser die Aufräummannschaften in Tschernobyl wissentlich in den Strahlentod geschickt habe. Dem IAEO-Generaldirektor Hans Blix warf er vor, das Ausmaß der Katastrophe von Tschernobyl verharmlost zu haben: "Er hat der Welt Sand in die Augen gestreut, um keine Kritik an den Atomkraftwerken aufkommen zu lassen." Blix sei deshalb "ein Lügner". Tschernosenko erklärte ferner, er habe sein Wissen Bundesumweltminister Töpfer angeboten, was dieser jedoch nur unter der Bedingung habe annehmen wollen, daß er nicht über deutsche Kernkraftwerke rede.