Januar 1992 |
920101 |
ENERGIE-CHRONIK |
Mit Rückendeckung durch das Bundeskabinett hat Bundesumweltminister Töpfer (CDU) seinem hessischen Kollegen Fischer (Grüne) am 29.1. die Weisung erteilt, bis spätestens 5.2. die Abarbeitung des Plutoniums zu genehmigen, das sich noch in der Mischoxid-Brennelementefertigung in Hanau befindet. Dies bedeutet, daß Siemens die Mischoxidverarbeitung, die seit Juni 1991 stillgelegt war, vier bis acht Wochen lang arbeiten lassen und mit dem restlichen Stoff in der Anlage zwei neue MOX-Brennelemente herstellen kann. Das "Leerfahren" der Hanauer Anlage wird aus Sicherheitsgründen für erforderlich gehalten.
In Töpfers Weisung an Fischer ist ferner vorgesehen, daß der TÜV Bayern eine bereits laufende Begutachtung des Hanauer Betriebsteils bis spätestens 11.3. vorlegt. Fischer soll dann bis Anfang April mitteilen, ob er den regulären Weiterbetrieb der MOX-Brennelementefertigung genehmigt. Töpfer läßt in seiner Weisung an Fischer erneut erkennen, daß er den Weiterbetrieb der Anlage unter bestimmten Sicherheitsvorkehrungen für zulässig hält (FAZ, 30.1.; FR, 30.1.; siehe auch 911206).
Nach einem bundesaufsichtlichen Gespräch mit Fischer, das am 14.1. stattfand, hatte Töpfer eine baldige Entscheidung über den Weiterbetrieb der Hanauer Mischoxid-Verarbeitung angekündigt. In der Beurteilung der Sicherheits- und Rechtsfragen blieben sich Töpfer und Fischer bei ihrem Gespräch erwartungsgemäß uneinig. Töpfer wollte den Weiterbetrieb unter bestimmten Sicherheitsauflagen erlauben, Fischer dagegen nicht. Fischer ließ überdies offen, ob er die Genehmigung für die im Bau befindliche Neuanlage zur Herstellung von plutoniumhaltigen Mischoxid-Brennelementen anfechten will (FAZ, 17.1.).
Die Frankfurter Rundschau (30.1.) meinte zu Töpfers Weisung an Fischer: "Im Plutonium-Clinch mit Hessens Umweltminister Joschka Fischer setzt der Bundesumweltminister nun doch mit dem groben Hebel der Bundesweisung an. Gleichzeitig aber sichert er sich ab. Ein eigener Bonner Kabinettsbeschluß mußte her, was es bei atomrechtlichen Weisungen selten gab. ... Der unruhig gewordenen Atomlobby hat der Bundesminister immerhin gezeigt, daß er nicht zum unsicheren Kantonisten geworden ist, nachdem dieser trickreiche Wiesbadener Grüne schon mehr als sieben Monate lang für Stillstand in Hanau sorgte."
Nach Ansicht des Handelsblatts (14.1.) hat Fischer gute Chancen, die von seinem Vorgänger Karlheinz Weimar (CDU) erteilte Genehmigung für den Neubau der Plutoniumverarbeitung in Hanau wegen rechtlicher Unregelmäßigkeiten in Frage stellen zu können. Das Blatt gab zu bedenken: "Sollte es rechtliche Unvollkommenheiten gegeben haben, so kann diese auch Töpfer nicht mehr heilen. Ein Stillstand der Plutoniumverarbeitung in Hanau würde jedoch nach den bislang gültigen atomrechtlichen Eckdaten den Nachweis einer geordneten Entsorgung und damit auch laufende Kernkraftwerke gefährden."
Nach Meinung des Spiegel (13.1.) droht der Stromwirtschaft ein "Debakel", falls die alte Anlage zur Herstellung von Mischoxid-Brennelementen noch lange geschlossen bleiben und sich der Neubau weiter verzögern sollte: "Für die Stromherren ist das ein Alptraum. Die Energieversorgungsunternehmen (EVU) brauchen, als Voraussetzung für den Betrieb der Atommeiler, zwingend den Nachweis über den Verbleib ihres Plutoniums."
Weiter schrieb das Blatt: "Am liebsten
würden die EVU-Chefs, ganz in Fischers wie auch Töpfers
Sinne, aus der kostspieligen Plutoniumwirtschaft aussteigen. Das
Plutonium bliebe dann im abgebrannten Kernbrennstoff, der müßte
direkt im Salz von Gorleben vergraben werden. Dieses Verfahren
würde den EVU Milliarden sparen. In der Novelle des Atomgesetzes,
die im Frühsommer ins Parlament kommt, wird neben der Wiederaufarbeitung
auch die direkte Endlagerung als Entsorgungsnachweis formal anerkannt.
Doch damit ist erst eine Voraussetzung erfüllt. Die direkte
Endlagerung erfordert zusätzliche Zwischenlager und eine
funktionierende Fabrik, in der die Elemente für das Lager
im Salz hergerichtet werden. Doch die Bauten stoßen auf
Widerstand der rot-grünen Regierung in Hannover. Solange
die direkte Endlagerung nicht sicher ist, so lange klammern sich
die EVU an die teure Wiederaufarbeitung inklusive der Plutoniumverarbeitung."