Dezember 1991 |
911205 |
ENERGIE-CHRONIK |
Die in der Vereinigung Industrielle Kraftwirtschaft (VIK) zusammengeschlossenen industriellen Stromkunden unterstützen das von der EG-Kommission geplante Durchleitungsrecht für Strom (Third Party Access). Der neue VIK-Präsident Max Dietrich Kley bezifferte den Strompreisnachteil der deutschen Industrie gegenüber dem EG-Durchschnitt auf 30 Prozent. Er warf den öffentlichen Energieversorgungsunternehmen vor, die Durchleitung nur deshalb abzulehnen, weil sie den Verlust des staatlichen Schutzes vor Wettbewerb fürchteten. Der VIK will für seine Linie auch den Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) gewinnen, der bisher die Durchleitung ablehnt.
Wie Kley in Bonn vor Journalisten weiter mitteilte, hat sich die BASF, deren Vorstand er angehört, bislang vergeblich bemüht, eine elf Kilometer lange Stromleitung ins benachbarte Elsaß zu bauen, um ein Kassettenwerk des Konzerns im badischen Willstätt mit billigerem Strom aus Frankreich versorgen zu können (SZ, 14.2.; siehe auch 910713, 911010 u. 911108).
Nach der VIK beklagte sich auch der Bundesverband der Energieabnehmer (VEA) über die Höhe der Preise für Industriestrom. Der VEA versteht sich als Vertreter der energiewirtschaftlichen Interessen der mittelständischen Wirtschaft (SZ, 14.12.).
Die Süddeutsche Zeitung (14.12.) meinte dazu: "Strom für BMW aus einem Kernkraftwerk an der Loire ein Drittel billiger - da muß in der Tat jedem betriebswirtschaftlichen Kostenrechner das Wasser im Mund zusammenlaufen. Third Party Access nennt man im Fachjargon das angestrebte Ziel, an dem jeder seinen Strom dort einkaufen kann, wo er am billigsten ist. Bevor man weiter in diesen Vorstellungen schwelgt, sollte man sich jedoch kurz einmal überlegen, welche Konsequenzen dies hätte. Ein großer Teil der deutschen Stromkapazitäten würde vom Markt gefegt, die Abhängigkeit von französischen und anderen ausländischen Erzeugern wären beträchtlich. Und dies keineswegs deshalb, weil die deutschen Versorger extrem unwirtschaftlich produzieren, sondern weil sie eine gewaltige Kostenlast in Form der deutschen Steinkohle mit sich herumschleppen, ganz im Gegensatz zu den Franzosen, die mehr als 60 Prozent ihres Stroms aus der Kernkraft gewinnen. Und genau dies ist der Punkt: Wettbewerb auf diesem Gebiet setzt gleiche Strukturen voraus. Wenn man aber den einen Konkurrenten mit Siebenmeilenstiefeln ausstattet und dem anderen einen Mühlstein um den Hals bindet, dann kann davon keine Rede sein."
In der Zeit (20.12.) hieß es zu den
vergeblichen Bemühungen der BASF um eine eigene Stromleitung
nach Frankreich: "Kleys Wunsch stößt bei der EdF
freilich auf taube Ohren. Während die Franzosen in der Vergangenheit
mit attraktiven Angeboten lockten, wegen der fehlenden Durchleitungspflicht
der deutschen Unternehmen aber nicht zum Zuge kamen, zeigen sie
sich derzeit uninteressiert. Kley vermutet deshalb, daß
sich die öffentlichen Versorgungsunternehmen darauf verständigt
haben, sich nicht über die Grenzen hinweg Konkurrenz zu machen."