August 2025 |
250805 |
ENERGIE-CHRONIK |
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Zu den beiden Tauchern auf der "Andromeda" gehörte Wolodymyr Z., gegen den der Generalbundesanwalt bereits im Juni 2024 einen Europäischem Haftbefehl erwirkte. Dennoch konnte sich der Gesuchte ungehindert aus Polen in die Ukraine absetzen. Foto: RBB/Kontraste
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Aufgrund eines vom Bundesgerichtshof am 11. August ausgestellten Europäischen
Haftbefehls ist es der Bundesanwaltschaft in Karlsruhe gelungen, einen der sechs
mutmaßlichen Täter festnehmen zu lassen, die am 26. September 2022 drei der
insgesamt vier Röhren der "Nord Stream"-Pipelines in der Ostsee gesprengt haben
(240801).
Wie die Behörde am 21. August mitteilte, wurde der ukrainische Staatsangehörige
Serhij K. in der vorherigen Nacht von der italienischen Polizei in der Provinz
Rimini verhaftet. Er sei dringend verdächtig, bei den drei Anschlägen eine maßgebliche
Rolle gespielt und dadurch die Straftatbestände des gemeinschaftlichen Herbeiführens
einer Sprengstoffexplosion (§ 308 Abs. 1 StGB), der verfassungsfeindlichen Sabotage
(§ 88 Abs. 1 Nr. 3 StGB) sowie der Zerstörung von Bauwerken (§ 305 Abs. 1 StGB)
erfüllt zu haben. Nach seiner Überstellung aus Italien werde der Beschuldigte
nun dem Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs vorgeführt.
Im wesentlichen werde Serhij K. zur Last gelegt, zusammen mit den Mittätern die Sprengsätze nahe der dänischen Insel Bornholm unter Wasser verlegt und anschließend gezündet zu haben. Zur Ausführung des Anschlags und des Transports der Sprengsätze hätten sie eine Segeljacht benutzt, die von Rostock aus startete. Die Yacht hätten sie zuvor mit Hilfe gefälschter Ausweispapiere über Mittelsmänner bei einem deutschen Unternehmen angemietet.
Wie Medien ergänzend berichteten, wurde Serhij K. in einer Ferienanlage an einem kleinen See am Rande der Ortschaft Sant'Andrea festgenommen, in der er für sich und die Familie – Vater, Frau und zwei Kinder – einen kleinen Bungalow gemietet hatte. Es handele sich bei ihm um einen 49-jährigen ehemaligen Angehörigen des ukrainischen Geheimdienstes, der vor etwa zehn Jahren in die Privatwirtschaft gewechselt habe und dessen Namen man im Internet als Leiter mehrerer Energieunternehmen finde. Der Hinweis, der zur Festnahme führte, sei offenbar aus Polen gekommen.
Als möglicher Urheber der Sprengstoffanschläge war zunächst vor allem das Putin-Regime verdächtigt worden, dem man sowohl die Brutalität als auch die notwendigen Mittel zur Durchführung einer solchen Sabotageaktion am ehesten zutraute. Hinzu kam, dass die Sprengungen erst stattfanden, nachdem der Kreml den Gasfluss nach Deutschland sowieso völlig gestoppt hatte und die Leitungen damit für ihn nutzlos geworden waren. Erst später sollte sich herausstellen, dass die Saboteure ursprünglich geplant hatten, die noch in Betrieb befindlichen Leitungen zu unterbrechen. Die Durchführung dieser Planung hatte sich dann aber verzögert, weshalb die Pipelines bereits von russischer Seite stillgelegt worden waren, als sie schließlich gesprengt wurden.
Der Kreml machte seinerseits die USA für die Anschläge verantwortlich. Im Frühjahr 2023 kam dann aus US-Geheimdienstkreisen der Hinweis auf eine sechsköpfige pro-ukrainische Gruppe, die mit oder ohne Wissen der Regierung in Kiew die Sabotageaktion mittels der angemieteten Segeljacht "Andromeda" durchgeführt haben könnte. Diese Spur erwies sich im weiteren Verlauf als erfolgreich, obwohl der Kreml den USA zunächst vorgeworfen hatte, mit der Verdächtigung der Ukraine nur von der eigenen Täterschaft ablenken zu wollen. (230309)
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Die von den Ukrainern gemietete "Andromeda" ist eine 15 Meter lange Segeljacht vom Typ Bavaria C50. Bei ihrer nachträglichen Untersuchung entdeckten die Ermittler im Januar 2023 Sprengstoffreste auf einem Tisch. Foto: ZDF/frontal
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Eineinhalb Jahre später verdichteten sich die Verdachtsmomente gegen die Gruppe aus sechs Männern und einer Frau, die am 6. September mit der Segeljacht "Andromeda" den Hafen Rostock-Warnemünde verlassen hatten und nach einer 18 Tage dauernden Tour über die Ostsee dorthin zurückgekehrt waren. Es ergab sich nun das Bild eines genauso tollkühnen wie politisch dummen Husarenstreichs, der bei einem feuchtfröhlichen Beisammensein von patriotisch gesinnten Ukrainern aus dem zivilen und militärischen Bereich entstanden war und dessen Durchführung die Regierung nicht mehr verhindern konnte oder – je nach Lesart – nicht verhindern wollte.
Gegen einen namentlich bekannten Taucher, der die Sprengsätze unter Wasser angebracht hatte und inzwischen in Polen wohnte, erließ die Generalbundesanwaltschaft schon damals einen Europäischen Haftbefehl. Dieser blieb aber wirkungslos, weil sich der Verdächtigte rechtzeitig über die polnische Grenze in die Ukraine absetzen konnte. Es wird angenommen, dass diese Flucht mit Wissen oder sogar auf Anraten polnischer Behörden erfolgte, da in Polen die "Nord Stream"-Saboteure parteiübergreifend weithin nicht als Straftäter gesehen werden, sondern eher als Volkshelden gelten. (240801)
Jüngsten Berichten zufolge sind der Generalbundesanwaltschaft inzwischen sämtliche Mitglieder der siebenköpfigen Gruppe namentlich bekannt. Gegen sechs wurden Haftbefehle erlassen. Der siebte Verdächtige soll 2024 bei der Verteidigung der Ukraine gegen die russischen Invasoren gefallen sein.