Juli 2024 |
240702 |
ENERGIE-CHRONIK |
Von den digitalen Stromzählern, die bei Haushalten und gewerblichen Kunden bisher eingebaut wurden, haben Tausende schon nach kurzer Zeit derart versagt, dass eine Verbrauchsablesung am Display nicht mehr möglich war und die Daten sich auch nicht mehr über die digitalen Schnittstellen auslesen ließen. Das Problem besteht schon seit längerem, wobei unterschiedliche Zähler-Hersteller und Netzbetreiber betroffen sind. Publik wurde es aber erst jetzt, nachdem sich der norddeutsche Regionalversorger EWE im Mai entschlossen hat, 25.000 solcher "Smart Meter" komplett auszutauschen, die er in seinem Netz verbaut hat.
Das ist der "Smart Meter"-Typ, den die EWE Netz 25.000-mal verbaut hat und nun durch neue Geräte ersetzen will, um die bereits vorhersehbaren weiteren Schäden von sich und den Kunden abzuwenden. Foto: EWE
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Wie EWE auf Nachfrage mitteilte, handelt es sich in diesem Fall um den elektronischen Zähler DTZ541-ZEBA des chinesischen Herstellers Holley, bei dem bisher in rund 4.000 Fällen die Ablesung der Daten im Display nicht mehr möglich war. Auch über die digitalen Schnittstellen ließen sich die Zählerstände nicht mehr auslesen. Einige der defekten Zähler hatten zwar nach dem Neustart einen alten Zählerstand angezeigt, der aber für die Abrechnung nicht genutzt werden konnte, weil das dazugehörige Datum fehlte.
Deshalb würden nun vorsorglich sämtliche 25.000 Zähler dieser Baureihe ausgetauscht, die zum Glück nur etwa zwei Prozent der insgesamt gut 1,2 Millionen Stromzähler im gesamten Netzgebiet der EWE ausmachen. Die betroffenen Kunden würden angeschrieben und um Vereinbarung eines Termins für den Einbau eines neuen Zählers gebeten. Auch in dringlichen Fällen – wenn der Zähler bereits defekt ist – sei dabei leider mit einem Vorlauf von mehreren Wochen zu rechnen, da der Zählertausch vom Personal der EWE Netz zusätzlich zum normalen Tagesgeschäft erledigt werden müsse. Der Versuch einer annähernden Rekonstruktion der verlorengegangenen Kundendaten erfolge anhand der vorliegenden früheren Verbrauchswerte oder Verbrauchsprognosen sowie unter Berücksichtigung der Standardlastprofile für die einzelnen Kundengruppen. Die so ermittelten Verbrauchswerte würden in der Jahresabrechnung mitgeteilt.
Dasselbe Problem hat auch der Netzbetreiber Syna, der zur E.ON-Tochter Süwag gehört: "Ihr Zähler funktioniert nicht richtig? - Lassen Sie es uns wissen!" appelliert er auf seiner Internetseite an die Kunden. Auch hier geht es um Holley-Drehstromzähler der Baureihe DTZ541: "Bei diesen Stromzählern kann es zu Ausfällen am Display kommen. Der Defekt zeichnet sich dadurch aus, dass das Display dauerhaft dunkel bleibt, das Display in einen rollenden Selbsttestmodus (Endlosschleife) verfällt oder die optische Schnittstelle nicht mehr funktionsfähig ist." In einem solchen Fall werde man sich um den Austausch kümmern, der selbstverständlich kostenfrei sei.
Dagegen hielt es der große E.ON-Verteilnetzbetreiber Westnetz anscheinend nicht für nötig, auf entsprechende Beschwerden von Kunden mit dem Angebot eines Austauschs zu reagieren. Zwei Besitzer von Solaranlagen beklagten sich deshalb im Dezember 2023 im "photovoltaik-forum". Der eine schrieb: "Mein Holley DTZ541-ZDCA ist seit fast 4 Monaten defekt und zeigt auf dem Display nichts mehr an. Der Zähler wurde mit meiner neuen Solaranlage vor etwa einem Jahr installiert. Nun habe ich schon mehrfach bei Westnetz angerufen und den defekten Zähler gemeldet aber ich werde immer wieder vertröstet. Ende des Jahres wollen die bestimmt den aktuellen Zählerstand haben, den ich aber nicht ablesen kann."
Der andere empörte sich: "Mein Holley-Zähler läuft seit 4 Wochen nicht mehr richtig. Westnetz ist informiert, rührt sich aber nicht oder man wird vertröstet. (...) Hat jemand schon die Bundesnetzagentur informiert, dass der Messstellenbetreiber seiner Verpflichtung nicht nachkommt und was hat es gebracht?"
Indessen gibt es auch bei Produkten anderer Hersteller gravierende Mängel. Schon vor zwei Jahren veröffentlichte die Firma Weidmann-Elektronik eine Dokumentation zu "Bekannten Problemen mit Zählermodellen", die auch die Hersteller Logarex, DZG und Easymeter aufführte. Über die Baureihe DTZ541 von Holley hieß es: "Nachdem das Zählermodell ca. 1-2 Jahre alt ist, lassen sich von heute auf morgen keine Daten mehr über die D0 Schnittstelle auslesen oder nur noch selten, da die Datensätze teilweise unvollständig/fehlerhaft übertragen werden. Der DTZ-541 hat exakt das gleiche Fehlerbild wie der Zähler Logarex LK13BExxxxxx. Beide Zähler haben zwar unterschiedliche Hersteller, werden aber angeblich im gleichen Werk in Asien gebaut."
Gemäß dem "Gesetz zum Neustart der Digitalisierung der Energiewende", das Ende Mai 2023 in Kraft trat (230106), müssen die Netzbetreiber bzw. die "grundzuständigen Messstellenbetreiber" bis Ende 2028 "insgesamt mindestens 20 Prozent aller auszustattenden Messstellen mit intelligenten Messsystemen ausgestattet" haben. Diese Vorgabe erhöht sich bis Ende 2030 auf 50 Prozent und bis Ende 2032 auf 95 Prozent. Die eigenartige Betitelung des Gesetzes erklärt sich daraus, dass die flächendeckende Einführung der digitalen Zähler nach § 31 der ursprünglichen Fassung des Messstellenbetriebsgesetzes bereits ab 2017 für Großverbraucher (über 10.000 kWh/a) und ab 2020 auch für Kleinverbraucher stattfinden sollte, was aber kläglich scheiterte.
Dieser Fehlstart lag nicht zuletzt an der Vorgabe, dass die Messsysteme von mindestens drei voneinander unabhängigen Unternehmen den technischen Mindestanforderungen nach § 22 genügen mussten. Es dauerte jedoch bis Dezember 2018, ehe das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstecnik (BSI) das erste "Smart Meter Gateway" zertifizieren konnte (181212). Aber auch ganz allgemein verfügten die Geräte noch nicht über die erforderliche Marktreife für einen breit angelegten "Rollout", wie im anglisierenden Neusprech des Marketings die Einführung auch amtlich bezeichnet wurde (siehe Hintergrund, November 2015). Im Mai 2017 veröffentlichte die niederländische Universität Twente sogar das Ergebnis einer Untersuchung, wonach Smart-Meter mitunter erheblich ungenauer maßen als die alten elektromechanischen Ferraris-Stromzähler (080410). Je nach Versuchsanordnung waren bei den neun untersuchten Geräten die Meßergebnisse um bis zu 582 Prozent zu hoch oder um 30 Prozent zu niedrig (170503). Diese Messungenauigkeiten scheinen inzwischen behoben zu sein. Die nun aufgetauchten Fabrikationsprobleme bei der Hardware sind indessen noch gravierender .