März 2022

220310

ENERGIE-CHRONIK



Allein der Stromverbrauch für das Mining von Bitcoins und den damit verbundenen Zahlungsverkehr verschlingt gegenwärtig schätzungsweise 200 Terawattstunden jährlich. Das ist knapp dreimal soviel wie Tschechien verbraucht. Auch der deutsche Strombedarf ließe sich damit um mehr als ein Drittel decken. Die Herstellung von Bitcoins erfolgt deshalb vorwiegend an Orten, wo Strom besonders billig ist. Zum Beispiel im Iran, wo es Öl im Überfluss gibt und die Kilowattstunde deshalb zeitweise nur 0,04 Dollar kostete. Allerdings mussten die Mullahs das Mining dann doch beschränken, weil die Netze unter der Überlastung zusammenbrachen. Andere zeitweilige Eldorados für Bitcoin-Schürfer waren China, Kasachstan oder in Europa der Kosovo (siehe unten). Für die weltweite Umweltbelastung durch Treibhausgase spielt es freilich keine Rolle, wo die stromfressenden Rechner zur Erzeugung von Bitcoins aufgestellt werden.

EU will Bitcoin trotz riesiger Energieverschwendung nicht verbieten

Der Wirtschafts- und Währungsausschuss des Europaparlaments lehnte am 14. März einen von Grünen, Linken und Sozialdemokraten eingebrachten Antrag ab, in die geplante EU-Verordnung für "Markets in Crypto-Assets" (MiCA) ein faktisches Verbot von energieintensiven Krypto-Währungen wie Bitcoin, Ethereum und Tether aufzunehmen. Da sich die Fraktionen von Christdemokraten, Rechtskonservativen und Liberalen vehement dagegen stellten, wurde der Antrag mit 30 gegen 23 Stimmen bei sechs Enthaltungen abgelehnt. Der Berichterstatter der MiCA-Stellungnahme, der CDU-Abgeordnete Stefan Berger, geht nun davon aus, dass das Kriterium der Energieverschwendung in der neuen Verordnung keine Rolle mehr spielen wird. Der wirtschafts- und finanzpolitische Sprecher der SPD-Abgeordneten, Joachim Schuster, zeigt sich dagegen enttäuscht, "dass im Parlament durch eine rechte Mehrheit die Chance verpasst wurde, weltweit die ersten Maßstäbe in Sachen Nachhaltigkeit von Kryptowährungen zu setzen".

EU-Finanzaufsichtsbehörden warnen erneut vor hohen Verlustrisiken bei "virtuellen Währungen"

Überaus seltsam mutet dabei an, das zwei Tage vor diesem Beschluss die EU-Finanzaufsichsbehörden ein weiteres Mal eindringlich vor solchen "Virtual Currencies" (VC) gewarnt haben. Die Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (ESMA), die Europäische Bankenaufsichtsbehörde (EBA) und die Europäischen Aufsichtsbehörde für das Versicherungswesen und die betriebliche Altersversorgung (EIOPA) zeigten sich sehr besorgt, weil eine wachsende Zahl von Verbrauchern unter dem Einfluss einer aggressiven Werbung solche virtuellen Währungen kauft, ohne sich des hohen Risikos bewusst zu sein, das investierte Geld zu verlieren. In einer gemeinsamen Erklärung stellten sie unter anderem fest: "Bei den derzeit erhältlichen VCs handelt es sich um eine digitale Wertdarstellung, die weder von einer Zentralbank noch von einer öffentlichen Behörde ausgegeben oder von einer Zentralbank oder einer öffentlichen Behörde garantiert wird und nicht den rechtlichen Status einer Währung oder Geld. Sie sind sehr risikoreich, im allgemeinen nicht durch materielle Vermögenswerte gedeckt und bieten daher keinen Rechtsschutz für die Verbraucher." (siehe PDF)

Vorstoss im Parlament zielte nur auf Energieverschwendung und Cyber-Kriminalität

Der Vorstoß von Grünen, Linken und Sozialdemokraten im Europa-Parlament zielte nicht auf ein generelles Verbot von Krypto-Währungen. Er problematisierte auch nicht die hohen Verlustrisiken für Verbraucher. Er bezweckte lediglich die Verhinderung der damit verbundenen Energieverschwendung sowie des Mißbrauchs für kriminelle Zwecke. "Viele der bestehenden Kryptowährungen haben einen erheblichen ökologischen Fußabdruck", erklärte dazu Sven Giegold, der bis Ende 2021 Europa-Abgeordneter der Grünen war, bevor er Staatssekretär im Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz wurde (220104). "Ihr Mining verpulvert gewaltige Mengen Strom für das Lösen von Rechenrätseln und mit jeder neuen Hardware-Generation entstehen Berge von Elektroschrott. Allein Bitcoin verbraucht heute schätzungsweise so viel Strom wie die Niederlande. Das ist mehr als die Hälfte des gesamten Stromverbrauchs aller Datenzentren weltweit. Die Tendenz ist dabei seit Jahren steigend. Und solange der Preis steigt, befeuern die Vergütungsstrukturen für die Miner diesen Trend noch weiter." Bei allen Vorteilen der sogenannten Blockchain-Technologie stehe das in keinem Verhältnis zum Nutzen. Dabei gebe es Alternativen, die den Energieverbrauch drastisch reduzieren könnten. Giegold fordert deshalb, Mindeststandards für den Energieverbrauch auch für Krypto-Assets einzuführen, wie das schon lange bei jedem Küchengerät der Fall sei. Konkret soll das so vor sich gehen, dass die EU-Kommission nicht nachhaltige Formen des Minings ausdrücklich benennt und dann festlegt, ab welcher Größe diese mit den Umweltzielen des Pariser Klimaabkommens und der EU nicht mehr vereinbar sind. Dies setze dann Anreize, mit dem Umstieg auf ein nachhaltiges Mining ernst zu machen.

Außerdem müsse die Aufsicht über Kryptowährungen so verbessert werden, dass sie nicht mehr als zentrales Instrument für Cyberkriminelle dienen können. Gegenwärtig würden Illegale Handelsplätze im Darknet oder die Erpressung mit Ransomware fast vollständig über Kryptowährungen laufen. Unter anderem sei es erforderlich, dass die EU-Finanzaufsicht ESMA eine Liste mit internationalen Anbietern solcher Krypto-Währungen einführt, die Geldwäsche- und Steuervorschriften unzureichend umsetzen und nicht mit Behörden kooperieren. Ein EU-weites Verbot, mit solchen Anbietern Geschäfte abzuwickeln, werde dann auch in Drittländern starke Anreize schaffen, Cyberkriminelle nicht weiter zu begünstigen.

Ein FAZ-Redakteur jubelt: "Der Welt von Krypto & Co gehört die Zukunft!"

Die Fronde aus Neoliberalen und Rechtsextremen, die jetzt im Wirtschafts- und Währungsausschuss des Europaparlaments solche Überlegungen zu Fall gebracht hat, sieht das freilich ganz anders. Der CDU-Abgeordnete Stefan Berger formulierte es so: "Mit der Verabschiedung des MiCA-Berichts hat das Europäische Parlament den Weg für eine innovationsfreundliche Krypto-Regulierung geebnet, die weltweit Maßstäbe setzen kann. Die entstehende Regulierung ist bahnbrechend in Bezug auf Innovation, Verbraucherschutz, Rechtssicherheit und den Aufbau zuverlässiger Aufsichtsstrukturen im Bereich der Krypto-Assets." Und in der FAZ (16.3.) jubelte ein Wirtschaftsredakteur: "Auch wenn es nicht allen gefallen wird, der Welt von Krypto & Co gehört die Zukunft. Europa hätte sich unermessliche Nachteile eingehandelt, wenn es zu einem Verbot gekommen wäre." Dazu passt, dass das Finanzunternehmen Goldman Sachs im März ebenfalls große Wertschätzung für den Bitcoin bekundete, dessen Kurs aktuell bei 46.500 Dollar lag, und in den nächsten fünf Jahren einen weiteren Kursanstieg auf mehr als 100.000 Dollar für möglich hielt. Es sind offensichtlich eben nicht nur Cyber-Kriminelle, die ein überaus großes Interesse an einer unkontrollierbaren Ersatzwährung haben, die auf gigantischer Energieverschwendung und einem Berg von Elektroschrott gründet ...

Im Kosovo bewirkten Bitcoin-Schürfer die Ausrufung des Katastrophenfalls

Bisher hat in Europa nur der Kosovo die Herstellung von Bitcoins verboten. Der Grund war, dass sich Bitcoin-Schürfer die besondere Konstellation im Norden des Landes zunutze gemacht hatten, wo der staatliche Stromversorger aus politischen Gründen darauf verzichtet, unbezahlte Stromrechnungen einzutreiben. Für die Bewohner dieser von Serben dominierten Region ist damit der Strombezug praktisch kostenlos (siehe Hintergrund, März 2018). Als dann auch noch Bitcoin-Schürfer von den stark subventionierten Strompreisen im Kosovo angezogen wurden und zusätzlich die Möglichkeit entdeckten, die Stromrechnung ganz schuldig zu bleiben, führte das in Verbindung mit einer Kraftwerksstörung zu einer schweren Energiekrise. Die Regierung rief deshalb Ende vorigen Jahres für sechzig Tage den Katastrophenfall aus und verhängte einschneidende Stromeinsparungen. Die Herstellung von Bitcoins wurde generell verboten. Allein am 8. Januar 2022 beschagnahmte die Polizei mehr als 300 Bitcoin-Rechner, die noch immer am Netz waren.

 

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