Februar 2022

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ENERGIE-CHRONIK


Frankreich verzichtet vorerst auf Stromsteuer

Um den enormen Anstieg der Energiekosten für die Verbraucher zu mildern, verzichtet Frankreich seit 1. Februar so weit wie nur möglich auf die Erhebung der Stromsteuer. Die "Taxe Intérieure sur la Consommation Finale d'Electricité" (TICFE) beträgt jetzt anstelle von 22,50 Euro nur noch 1 Euro pro Megawattstunde für Haushalte und 50 Cent für industrielle Verbraucher. Das entspricht den Mindestsätzen, die in der seit 2014 geltenden EU-Richtlinie zur Mindestbesteuerung von Energie vorgeschrieben sind (031103). Die Maßnahme ist vorerst bis Ende Januar 2023 befristet.

EDF muss zwanzig Prozent mehr Strom aus ihren Kernkraftwerken zu Niedrigpreisen an Konkurrenten verkaufen

Außerdem erhöhte die Regierung um zwanzig Prozent die Quote des Stroms, den die staatliche Electricité de France (EDF) aus ihrer nuklearen Erzeugung zu niedrigen Preisen an Konkurrenten verkaufen muss. Die Obergrenze des sogenannten ARENH ("Accès Régulé à l'Electricité Nucléaire Historique") steigt dadurch von 100 auf 120 Terawattstunden. Nach Angaben der EDF bedeutet das für sie eine Einbuße von rund acht Milliarden Euro. Am 26. Januar kam es deshalb zu einem Proteststreik, an dem sich rund 40 Prozent der EDF-Beschäftigten beteiligten. Die Regierung hat daraufhin der EDF, die bereits mit mehr als vierzig Milliarden Euro verschuldet ist, weitere Unterstützung zugesagt. Auch eine komplette Rückverstaatlichung des vor 17 Jahren teilprivatisierten Unternehmens (041105) ist wieder im Gespräch.

Strompreisanstieg zum 1. Februar auf 4 Prozent begrenzt

Die Regierung hält diese und andere Maßnahmen für notwendig, um einen enormen Anstieg der Strompreise zu verhindern, der sonst unvermeidbar wäre und die Verbraucher unzumutbar belasten würde (und sicher auch Auswirkungen auf das Ergebnis der Präsidentschaftswahlen im April hätte). Am 19. Januar hatte die Stromregulierungskommission CRE Berechnungen vorgelegt, wonach zum 1. Februar normalerweise für den "Tarif Bleu" der EDF, der für siebzig Prozent der Stromverbraucher maßgeblich ist, eine Erhöhung um 44,5 Prozent vor Steuern notwendig gewesen wäre. Die tatsächliche Erhöhung belief sich dann aber nur auf 4 Prozent, wie das die Regierung schon Ende September vorigen Jahres versprochen hatte.

Gaspreise bleiben bis Jahresende eingefroren – "Energieschecks" für sechs Millionen Haushalte

Außerdem versicherte Premierminister Jean Castex damals, dass es bis April keine weiteren Gaspreiserhöhungen mehr geben werde. Zuvor hatte der Engie-Konzern vier drastische Preiserhöhungen durchsetzen können, die ab Juli fast 10 Prozent, ab August 5 Prozent, ab September 8,7 Prozent und ab Oktober 12,6 Prozent betrugen. Am 21. Oktober korrigierte der Regierungschef seine anfängliche Erwartung, dass die Gaspreise im Frühjahr wieder sinken würden, und versprach, das ganze Jahr 2022 über keine weiteren Erhöhungen zu genehmigen. Der staatliche reglementierte Gaspreis betrifft etwa zehn Millionen Haushalte. Die anderen haben längerfristige Verträge zu Festpreisen oder heizen mit Strom. Als flankierende Maßnahme verteilte die Regierung schon im Dezember an knapp sechs Millionen Haushalte mit geringem Einkommen "Energieschecks" im Wert von jeweils 100 Euro.

"Der Gaspreisschock ist mit dem Ölpreisschock von 1973 vergleichbar"

Bevor die Regierung diese Maßnahmen zur Milderung der sozialen Auswirkungen der Energiepreiskrise beschloss, hatte Wirtschaftsminister Bruno Le Maire eine "tiefgreifende Veränderung des europäischen Energiemarktes" verlangt, weil die Großhandelspreise für Strom unverhältnismäßig stark und einseitig vom Gaspreis bestimmt werden. Mit seinem Vorschlag, die Spotmarkt-Preise künftig vom Grenzpreis statt von den Grenzkosten abhängig zu machen, drang er aber nicht durch (211003). So blieb der französischen Regierung nichts weiter übrig, als im nationalen Alleingang die ihr zur Verfügung stehenden Instrumente einzusetzen, um eine Neuauflage der "Gelbwesten"-Bewegung zu verhindern, die 2018 durch die Verteuerung von Sprit, Heizöl und Gas ausgelöst wurde (190316). Besonders prekär war und bleibt die Situation wegen der im April bevorstehenden Präsidentschaftswahl. "Der Gaspreisschock ist mit dem Ölpreisschock von 1973 vergleichbar", sagte Wirtschaftsminister Bruno Le Maire vor Journalisten.

Staatliche Belastung des Strompreises war in Frankreich schon bisher wesentlich geringer als in Deutschland

Die Stromsteuer wurde in Frankreich 2004 als "Beitrag zu den Kosten der öffentlichen Stromversorgung" (Contribution aux Charges de Service Public d'Electricité - CSPE) eingeführt. Sie betrug zunächst 4,5 Euro/MWh und stieg dann bis 2016 auf das Fünffache (siehe Grafik 1). In Deutschland erfolgte die Einführung der Stromsteuer bereits 1999 im Rahmen der sogenannten ökologischen Steuerreform (siehe Hintergrund, Juli 2010). Sie betrug zunächst 2 Pfennig/kWh bzw. 20 Mark/MWh (990201) und stieg dann bis 2003 auf den heutigen Stand von 2,05 Cent/kWh bzw. 20,50 Euro/MWh (siehe Grafik 2). Die Industrie wurde weitgehend von der Zahlung befreit, so dass die Belastung fast nur die Kleinverbraucher trifft (121104).

Die Stromsteuer war bisher in Frankreich noch um 2 Euro/MWh höher als in Deutschland. Bis vor kurzem wurde sie von kleineren Verbrauchern als "Contribution au Service Public de l'Electricité" (CSPE) und nur von leistungsgemessenen Kunden als TICFE erhoben, mit Beginn des Jahres 2022 aber unter der letzteren Bezeichnung vereinheitlicht. Als weitere staatliche Belastungen des Strompreises gibt es die "Contribution Tarifaire d'Acheminement" (CTA), die "Taxes sur la Consommation Finale d'Electricité" (TCFE) sowie die Mehrwertsteuer TVA ("Taxe sur la Valeur Ajoutée). Indessen war die staatliche Belastung des Strompreises in Frankreich mit 34 Prozent des Endpreises schon bisher wesentlich geringer als in Deutschland (54 Prozent) und lag auch deutlich unter dem EU-Durchschnitt (41 Prozent), wie den Eurostat-Angaben für einen Jahresverbrauch zwischen 2500 und 5000 Kilowattstunden im Jahr 2019 zu entnehmen ist.


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