Oktober 2021 |
211005 |
ENERGIE-CHRONIK |
In Baden-Württemberg sind alle Bauherrn ab 2022 grundsätzlich verpflichtet, "auf der für eine Solarnutzung geeigneten Dachfläche eine Photovoltaikanlage zur Stromerzeugung zu installieren" So bestimmt es der § 8a des novellierten Klimaschutzgesetzes, das der Landtag am 10. Oktober beschloss. Die bereits von der Vorgänger-Koalition eingeführte Solarpflicht für Nichtwohngebäude (200509), die im Vorjahr beschlossen wurde und ab 1. Januar 2022 greift, wird damit bestätigt und ab 1. Mai 2022 auf Wohngebäude erweitert. Außerdem enthält das Klimaschutzgesetz noch andere Veränderungen, die von den Grünen nach den Landtagswahlen im März dieses Jahres bei der Erneuerung ihres Regierungsbündnisses mit der CDU durchgesetzt werden konnten. Die SPD stimmte der Neufassung des Klimaschutzgesetzes ebenfalls zu. FDP und AfD lehnten sie dagegen ab, weil die Solarpflicht eine unsoziale Verteuerung des Bauens und Wohnen bewirke.
Die Solarpflicht gilt auch bei grundlegender Dachsanierung eines alten Gebäudes, wenn mit den Bauarbeiten ab dem 1. Januar 2023 begonnen wird. Anstelle von Photovoltaik-Modulen können ersatzweise Warmwasser-Kollektoren installiert werden. Die Anbringung muss dabei nicht unbedingt auf dem Dach erfolgen. Die Installierung an Fassaden oder auf Flächen in "unmittelbarer räumlicher Umgebung eines Gebäudes" wird ebenfalls angerechnet.
Gemäß § 4 will Baden-Württemberg die Gesamtsumme seiner Treibhausgasemissionen schrittweise so verringern, dass bis 2040 die "Netto-Treibhausgasqualität" erreicht wird. Die Begriffsbestimmungen definieren dieses Ziel als "Gleichgewicht zwischen anthropogenen Treibhausgasemissionen aus Quellen und dem Abbau von Treibhausgasen durch Senken". In jedem Fall soll das in § 3 des Bundes-Klimaschutzgesetzes vorgesehene Ziel einer Senkung der Emissionen um 55 Prozent gegenüber 1990 auf Landesebene um mindestens zehn Prozentpunkte übertroffen werden.
Nach § 4b sind in den Regionalplänen jeweils mindestens 2 Prozent der Regionsfläche für die Nutzung von Windenergie und Photovoltaik auf Freiflächen vorzusehen. Laut § 7 erfüllt die Landesverwaltung ihr Vorbildfunktion nun, indem sie sich bis 2030 "netto-treibhausgasneutral" organisiert, während sie bisher bis 2040 "weitgehend klimaneutral" werden sollte. In § 10 wird der bisherige "Beirat für Klimaschutz" durch einen "Klima-Sachverständigenrat" ersetzt. Die Mitglieder des sechsköpfigen Gremium werden wie bisher von der Landesregierung berufen, sind nun aber auch "berechtigt, gegenüber der Landesregierung und dem Landtag Stellungnahmen und Berichte auf Grund eigenen Entschlusses abzugeben".
Die Verbraucherzentrale Baden-Württemberg befürchtet, dass es durch die Einführung der Solarpflicht zu noch mehr Verzögerungen beim Netzanschluss neuer PV-Anlagen kommt. "Wenn ich als Gesetzgeber so etwas einführe, muss ich auch dafür sorgen, dass es für die Erzeuger nicht so kompliziert wird", erklärte ein Sprecher gegenüber der "Rhein-Neckar-Zeitung" (15.10.), die unter der Überschrift "Ausgebremste Energiewende" über monatelange Verzögerungen beim Anschluss neuer Solaranlagen durch die zuständigen Netzbetreiber berichtete. Sowohl Hausbesitzer als auch Solarbauunternehmen und Elektroinstallateure klagten über lange Wartezeiten, fehlende Rückmeldungen und komplizierte Anmeldeverfahren, obwohl der notwendige Austausch des Stromzählers eigentlich in wenigen Minuten zu erledigen wäre. Besonders schlimm sei es bei der Syna GmbH, der Netzgesellschaft der E.ON-Tochter Süwag, die in Teilen von Baden-Württemberg, Hessen, Rheinland-Pfalz und Bayern tätig ist. "Man fühlt sich total hilflos", wird ein Hauseigentümer zitiert. "Die Netzbetreiber haben ein Monopol, man kann sie nicht einfach wechseln wie den Strom- und Gaslieferanten." Die Syna GmbH machte das sprunghaft gestiegene Auftragsvolumen für die langen Wartezeiten verantwortlich und versprach schnellere Erledigung: "Während wir im August 2020 noch mehr als 2500 offene Aufträge hatten, waren es im August 2020 nur noch 1100."