Januar 2021 |
210105 |
ENERGIE-CHRONIK |
Trotz des Regierungswechsels in den USA, wo am 20. Januar der neu gewählte Präsident Joe Biden sein Amt antrat, ist nicht mit der Aufhebung der Sanktionsbeschlüsse zu rechnen, die im Dezember 2019 von beiden Häusern des US-Kongresses gefasst wurden, um die Vollendung der von Russland nach Deutschland führenden Ostsee-Gaspipeline Nord Stream 2 zu verhindern (191201). Allerdings einigten sich Senat und Abgeordnetenhaus Anfang Dezember 2020 darauf, dass an den Bauarbeiten mitwirkende Unternehmen erst nach Konsultation der zuständigen Regierungen sanktioniert werden dürfen. Vor diesem Hintergrund beschloss die Landesregierung von Mecklenburg-Vorpommern Anfang Januar die Gründung einer landeseigenen Stiftung "Stiftung Klima- und Umweltschutz MV", die als politischer Schutzschild die Vollendung der Pipeline ermöglichen soll. In einer kurzfristig einberufenen Sondersitzung stimmte am 7. Januar auch der Landtag mit großer Mehrheit für das Projekt und die Bereitstellung von 200.000 Euro Stiftungskapital aus dem Landesetat. Wie die Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) mitteilte, hat sich ihr Amtsvorgänger Erwin Sellering (SPD) bereit erklärt, ehrenamtlich den Vorsitz zu übernehmen. Die Nord Stream 2 AG werde der Stiftung vorerst 20 Millionen Euro zur Verfügung stellen und ihre Arbeit nach Fertigstellung der Pipeline dauerhaft unterstützen.
In der Landtagsdebatte waren sich alle vier Fraktionen darin einig, dass die Pipeline vollendet werden müsse. Allerdings stimmten dann nur die beiden Regierungsparteien SPD und CDU sowie die Linke dem Projekt geschlossen zu, während sich die Abgeordneten der AfD größtenteils der Stimme enthielten. Wie aus der Diskussion hervorging, irritiert die Rechtsextremen vor allem die satzungsmäßig angelegte Möglichkeit, dass die Stiftung tatsächlich auf dem Gebiet des Klima- und Umweltschutzes tätig werden könnte. Außerdem bezweifeln sie, dass die Vollendung der Pipeline mit Hilfe der Stiftung gelingen könnte. Es sei eher zu erwarten, dass die USA auch unter dem neuen Präsidenten die beschlossenen Sanktionen "knallhart" durchsetzen.
Die nicht im Landtag vertretenen Grünen empörten sich dagegen über den Etikettenschwindel, den die Landesregierung mit der Stiftung betreibe. "Dass mit russischen Geldern eine Stiftung unter dem Deckmantel des Klimaschutzes finanziert wird, die einzig und allein zur Fertigstellung der Pipeline dient, ist einfach ungeheuerlich", erklärte die Bundesvorsitzende Annalena Baerbock gegenüber der FAZ (13.1.). Es sei absolut inakzeptabel, dass die Landesregierung eine öffentliche Stiftung gründe, "die zu einem großen Teil von einem russsischen Staatskonzern finanziert wird, um damit ein strategisches Projekt des Kreml abzusichern". Ähnlich äußerten sich der Naturschutzbund Deutschland (Nabu) und die Deutsche Umwelthilfe (DUH).
Die Einkleidung des Vorhabens in eine Stiftung für Klima- und Umweltschutz ist nach Ansicht der Landesregierung sachlich gerechtfertigt, weil die Energiewende vorerst nicht ohne Erdgas zu bewerkstelligen sei. Die geplante Satzung nennt auch als "Stiftungszweck" zunächst zehn andere Aufgaben und Ziele im Umweltbereich, bevor als letzter Punkt der eigentliche Zweck auftaucht: "Die Gründung eines wirtschaftlichen Geschäftsbetriebes in der Stiftung mit dem Ziel, einen Beitrag zum Fortgang der Arbeiten an der Pipeline Nord Stream 2 zu leisten." An anderen Stellen wird dann dieser Geschäftsbetrieb präzisiert. So ist die Gründung weiterer rechtlich selbständiger Gesellschaften vorgesehen, die sich "vorrangig an der Vollendung von Nord Stream 2 beteiligen". Voraussetzung ist allerdings, "dass Nord Stream 2 im Rahmen der zu schließenden Verträge die Stiftung für fahrlässiges Handeln freistellt". Der Geschäftsführer wird vom Stiftungsvorstand auf Vorschlag der Nord Stream 2 AG berufen bzw. abberufen. Die Vorgaben für sein Handeln sind ebenfalls im Einvernehmen mit der Gazprom-Tochter zu beschließen.
Das Putin-Regime trägt weiterhin selber dazu bei, die Vollendung der Pipeline zu gefährden. Schon nach dem Mordanschlag, den der russische Geheimdienst am 20. August vorigen Jahres auf den Oppositionellen Nawalny verübte, hatten Politiker verschiedener Parteien den endgültigen Stopp der Pipeline gefordert (200908). Nawalny überlebte, weil er nach Deutschland ausgeflogen und hier erfolgreich behandelt wurde. Inzwischen stellte sich heraus, dass ihm das Nervengift Nowitschok nicht durch ein Getränk, sondern durch Kontaminierung seiner Unterhose beigebracht wurde. Nach der Genesung kehrte er am 17. Januar auf eigenen Wunsch nach Russland zurück, wo er sofort festgenommen wurde. Seine Mitstreiter veröffentlichten wenig später ein Video von einem protzigen Palast an der Schwarzmeerküste, der für Putin erbaut worden sei. Wegen des brutalen Vorgehens der Polizei gegen die daraufhin einsetzenden Demonstrationen forderten Politiker erneut Sanktionen gegen Russland. Die Kreml-Führung werde erst einlenken, wenn es ums Geld gehe, erklärte der EVP-Fraktionsvorsitzende im Europaparlament, Manfred Weber (CSU). Deshalb müsse auch die Nichtvollendung der Ostsee-Pipeline in Betracht gezogen werden.