Juli 2019 |
190704 |
ENERGIE-CHRONIK |
Frankreich will bis 2022 die Verstromung von Kohle beenden und die derzeit noch am Netz befindlichen fünf Steinkohle-Kraftwerke zur Abschaltung nötigen. Am 17. Juli billigte auch die zweite Kammer des Parlaments (Sénat) eine entsprechende Gesetzesvorlage der Regierung, die von der ersten Kammer (Assemblée nationale) am 28. Juni verabschiedet wurde. Allerdings ließ der Senat das Gesetz nicht unverändert passieren, sondern bestand auf Hinzufügungen. Es wird deshalb nach der Sommerpause nochmals von der Nationalversammlung gebilligt werden müssen, womit bis September zu rechnen ist.
Das von der Regierung vorgelegte "Energie- und Klimagesetz" sollte ursprünglich lediglich acht Artikel umfassen und vor allem das Energiewende-Gesetz aus dem Jahr 2015 korrigieren, das bis 2025 eine Senkung des Anteils der Kernenergie an der Stromerzeugung auf 50 Prozent vorschreibt (150704). Dieses Ziel gilt nun nicht mehr, sondern wird um ein ganzes Jahrzehnt bis 2035 verschoben.
Die Beendigung der Kohleverstromung ist nur einer von zahlreichen weiteren Punkten, denn im Zuge der parlamentarischen Beratungen schwoll das "projet de loi relatif à l'énergie et au climat" auf mehr als ein halbes hundert Artikel an. Zum Beispiel enthält es das Ziel einer "Klimaneutralität" der französischen CO2-Emissionen bis 2050. Der Anteil der fossilen Energieträger am Primärenergieverbrauch soll bis 2030 nicht nur um dreißig Prozent sinken, wie im Energiewende-Gesetz vorgesehen, sondern um vierzig Prozent.
Zuletzt wurde der Entwurf vom Senat noch mit hochgeschraubten und ziemlich unsozialen Anforderungen an die energetische Gebäudesanierung ergänzt, die von der Regierung nur teilweise abgebogen werden konnten, um dem Protest der "Gelbwesten" keinen neuen Auftrieb zu geben. Gegen den Widerstand der Regierung bestätigte der Senat auch den Ausbau der Wasserkraft auf 27,5 Gigawatt bis 2028. Ein Viertel des Zubaues von rund 2 Gigawatt soll dabei auf Kleinwasserkraftwerke entfallen, was die weitere Verbauung von bisher naturbelassenen französischen Flüssen stimulieren würde.
Den Ausstieg aus der Kohleverstromung verfügt das Gesetz nicht explizit, sondern über eine Begrenzung der zulässigen CO2-Emissionen, die den Betrieb von Kohlekraftwerken unrentabel macht. Für deutsche Ohren hört er sich großartiger an als er tatsächlich ist: Der Anteil der Kohle an der Stromerzeugung, der hierzulande noch immer fast 40 Prozent erreicht, beträgt in Frankreich lediglich 1,8 Prozent. Zugleich ist er aber für 35 Prozent der CO2-Emissionen bei der Stromerzeugung verantwortlich. Die Stillegung der noch vorhandenen Kohlekraftwerke sei deshalb ein "wichtiger Schritt zur Erreichung der Klimaneutralität bis 2050", hieß es in der Debatte der Nationalversammlung.
In der Praxis betrifft der Kohleausstieg lediglich fünf Kraftwerke mit einer Leistung von insgesamt 3000 MW. Zum einen handelt es sich um die beiden Kraftwerke der Uniper France, die soeben der tschechische EPH-Konzern erworben hat (190705). Zum anderen betreibt die Electricité de France (EDF) noch zwei Kohleblöcke am Standort Cordemais mit insgesamt 1200 MW und einen Steinkohleblock in Le Havre mit 600 MW. Den letzteren will die EDF schon im Frühjahr 2021 abschalten. Ob die Kohleblöcke in Cordemais bis 2022 stillgelegt werden, ist dagegen fraglich. Es könnte sein, dass sie noch zur Abpufferung von Lastschwankungen benötigt werden, zumal inzwischen mit der Fertigstellung des Kernkraftwerks Flamanville (160314) auch bis 2022 nicht zu rechnen ist. Vorsorglich hat die EDF bereits erste Maßnahmen zur Umrüstung des Kraftwerks auf Biomasse eingeleitet.