Juni 2019

190603

ENERGIE-CHRONIK


Kohleausstieg könnte zum "Schlag ins Wasserbett" werden

Das Europäische Emissionshandelssystem (ETS) würde sich in seiner gegenwärtigen Form nachteilig auf den deutschen Ausstieg aus der Kohleverstromung auswirken und dessen Beitrag zum Klimaschutz großteils konterkarieren. Vor allem muss der "Wasserbett-Effekt" verhindert werden, der bisher dazu führt, dass erfolgreiche Klimaschutz-Bemühungen auf nationaler Ebene nur zu zusätzlichen Emissionen innerhalb des gesamten ETS-Systems führen. Auch die neuerdings bestehende Möglichkeit zur Löschung einer entsprechenden Anzahl von Zertifikaten aus dem nationalen Auktionsanteil (180210,180813), reicht nicht aus, um diesen Effekt auszuschalten. Die Löschungen müssten deshalb durch die Festlegung eines CO2-Mindestpreises für die Zertifikate ergänzt und abgesichert werden. Zu diesem Schluss gelangen sechs Wissenschaftler des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung in einem Aufsatz, den sie in der Juni-Ausgabe der Zeitschrift "Energiewirtschaftliche Tagesfragen" veröffentlichten.

Entwarnung kam zu früh

Dagegen hatten "Agora Energiewende" und "Öko-Institut" die 2018 beschlossene ETS-Reform in diesem Punkt rundum positiv eingeschätzt. In ihrer gemeinsamen Studie "Vom Wasserbett zur Badewanne", die sie vor einem Jahr veröffentlichten, glaubten sie feststellen zu können: "Der Wasserbetteffekt des EU-Emissionshandels ist Geschichte. Ähnlich einem Badewannen-Überlaufventil sorgen neue Regelungen im ETS dafür, dass nationale Klimaschutzinstrumente auch zur Löschung von Zertifikaten führen." (siehe PDF)

Wechselwirkung zwischen Rebound- und Wasserbetteffekt

Die sechs Autoren des Potsdam-Instituts sind da anderer Ansicht. Sie halten weitere Reformen des ETS-Systems für erforderlich. Andernfalls könne die schrittweise Abschaltung von Kohlekraftwerken, wie sie von der Kohle-Kommission vorgeschlagen wurde (190101), weder die Erreichung des deutschen Klimazieles bis 2030 noch eine EU-weite Minderung der CO2-Emissionen garantieren. Neben dem "Wasserbett-Effekt" seien dabei auch der "Rebound-Effekt" sowie die Wechselwirkungen beider Effekte zu berücksichtigen, die folgendermaßen beschrieben werden:

Das Fazit ihrer Studie beschließen die Autoren mit der Warnung: "Wenn sich der Ausstieg am Ende tatsächlich als 'Luftnummer' erweist, müsste das enorme politische Kapital abgeschrieben werden, das in den Kohlekompromiss investiert wurde. Die deutsche Klimapolitik würde national und international weiter an Glaubwürdigkeit verlieren. Noch ist es möglich, dieses Szenario zu verhindern."

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